„Die DDR war kein Unrechtsstaat“: Wie Linke-Chef Gregor Gysi sich vom Regen in die Traufe quasselte

In Thüringen plagen die bürgerlichen Parteien (Grüne und SPD) Skrupel, mit einem linken Regierungschef ein Bündnis einzugehen. Denn einerseits ist Die Linke von Gregor Gysi runderneuert worden, andererseits hat er sie aus guten und finanziellen Gründen auch als legitime Nachfolgepartei der SED am Leben gehalten. Da beginnen nun die Koalitions-Eiertänze. Und so sollen die Ramelow-Leute in Thüringen den anderen zusichern, dass es sich beim SED-Staat um einen Unrechtsstaat gehandelt habe.

Gysi, Oppositionsführer im Bundestag, kämpfte dieser Tage für die Rechte der verschwindend kleinen Opposition um Untersuchungsausschüsse, und dabei gingen ihm bei einer Befragung die Pferde durch. Es stimme nicht, dass ein Staat, der kein Rechtsstaat ist, ein Unrechtsstaat ist. Die DDR vollständig zu delegitimieren, das habe sie nicht verdient. Zum Beispiel sei der Schauspieler Dieter Mann, Sohn eines Hilfsarbeiters, Intendant des Deutschen Theaters in der DDR geworden. Ist das rechtsstaatlich? Da könnte man ja auch maliziös sagen, die Nazi-Zeit sei am Anfang ein Rechtsstaat gewesen, weil ein österreichischer Obdachloser es zum Kanzler gebracht hatte. Aber im Ernst. Ich glaube, Gysi plagten andere Skrupel.

Die DDR ein Unrechtsstaat, offiziell so genannt? Das hieße, dass er, der nicht nur Rechtsanwalt ist, sondern auch Vorsitzender des Kollegiums der Rechtsanwälte in der DDR war, sich selbst Unrechtsanwalt nennen müsste. Gysi zur Begründung, dass Die Linke den Begriff Unrechtsstaat nicht mehr verwenden wolle: „Es gab Unrecht, auch großes Unrecht. Ich sage, es war eine Diktatur, und es war kein Rechtsstaat. Aber ein Unrechtsstaat, das ist für mich der Hitler-Staat.“ Ich fürchte, damit hat sich Gysi vom Regen in die Traufe gequasselt. Bei seiner Klage in der Volkskammer über den Untergang der DDR sagte er am 23. August 1989 mit larmoyantem Pathos: „Das Parlament hat soeben nicht mehr und nicht weniger als den Untergang der Deutschen Demokratischen Republik beschlossen.“ Er sagte nicht DDR, sondern Deutsche Demokratische Republik.

Heute gibt er zu, dass er um eine Diktatur getrauert hat. DDR gleich Deutsche Diktatorische Republik, hätte es heißen müssen, wenn er die Wahrheit gesagt hätte. Aber das ist der Fluch des ewigen Doppelsprech (Orwell) der Linken. Wenn man schon so spricht, wie der offiziellen Parteiregelung der Schnabel gewachsen ist, dann kommt man in Teufels Küche. Also, entweder Unrechtsanwalt in einer Diktatur oder Rechtsanwalt in der Deutschen Demokratischen Republik? Man könnte wie die Schwaben auch sagen: Was gebe ich auf mein dummes G’schwätz von gestern?

Karasek schreibt jeden Sonnabend im Hamburger Abendblatt