Die Vorsitzenden von SPD, CDU und CSU trafen sich am Dienstagabend im Kanzleramt, um den Vertrauensverlust durch den Fall Edathy aufzuarbeiten. Über den Inhalt des Treffens wurde Stillschweigen vereinbart.

Berlin. Die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD, Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel, haben am Dienstagabend nach Auswegen aus der Edathy-Affäre und der tiefen Vertrauenskrise in der Koalition gesucht. Bereits vor dem Sechs-Augen-Gespräch im Kanzleramt bemühte sich Merkel um Schadensbegrenzung. „Ich bin da sehr optimistisch, dass uns das gelingen wird“, sagte sie mit Blick auf eine mögliche Beilegung des Konflikts.

Über den Inhalt des gut zweistündigen Krisentreffens wollten die drei Spitzenpolitiker keine Auskunft geben, hieß es in Regierungskreisen. Zunächst trafen sich Merkel und Seehofer allein. Gabriel kam etwa eine halbe Stunde danach dazu.

Merkel zeigte sich vor dem Gespräch zuversichtlich, dass das gegenseitige Vertrauen wieder hergestellt werden kann. Gabriel, Seehofer und sie hätten geradezu die Verpflichtung, das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat und in die Arbeit der Koalition zu sichern. Deshalb würden alle offenen Fragen auf den Tisch gelegt.

Mit Spannung wird eine Sitzung des Bundestags-Innenausschusses an diesem Mittwoch erwartet. In nicht-öffentlicher Beratung sollen von der SPD Gabriel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht Auskunft geben, außerdem BKA-Präsident Jörg Ziercke und Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Linken- Fraktionsgeschäftsführerin, Petra Sitte, kritisierte: „Es ist der Versuch, (...) der Öffentlichkeit weiszumachen, dass sich alle Beteiligten richtig verhalten hätten.“

CDU und CSU verschärften den Druck auf die SPD, im Fall Edathy mehr aufzuklären, und brachten einen Untersuchungsausschuss ins Gespräch. Der in der Affäre stark in die Kritik geratene Oppermann erhielt indessen breiten Rückhalt in einer Sitzung seiner Fraktion, berichteten Teilnehmer. Oppermann selbst bezeichnete sich als „Stabilitätsanker“ in der Koalition.

Die Staatsanwaltschaft Hannover kündigte weitere Ermittlungen gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Edathy an. Dabei geht es darum, ob er vor Ermittlungen gewarnt worden war. Der frühere niedersächsische Innenminister Heiner Bartling (SPD) hatte dem NDR gesagt, dass Edathy ihm von einem Informanten berichtet habe, der ihn vor den Ermittlungen gewarnt habe. Edathy hat eingeräumt, Fotos nackter Kinder bezogen zu haben – was noch nicht strafbar sei. Gegen ihn wird nun aber wegen des Verdachts der Kinderpornografie ermittelt.

Merkel hatte am Vormittag bekräftigt, der Rücktritt von Minister Hans-Peter Friedrich (CSU), an dem sich letztlich die Koalitionskrise entzündete, sei notwendig gewesen. Friedrich habe die politische Verantwortung für einen möglichen Vertrauensverlust der Bürger in den Rechtsstaat übernommen, „gerade in einem so schrecklichen Feld wie Kinderpornografie“.

Als Innenminister hatte Friedrich im Oktober 2013 Gabriel informiert, dass der Name Edathys bei internationalen Ermittlungen aufgetaucht sei. Deshalb war Friedrich am Freitag zurückgetreten. Ihm droht ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Geheimnisverrat. Die Staatsanwaltschaft Berlin prüft einen entsprechenden Schritt. Der CSU-Politiker ist sich indes keiner Schuld bewusst. „Es war meine Pflicht“, sagte er im ZDF mit Blick auf die Weitergabe der Information an Gabriel.

Oppermann hatte öffentlich gemacht, dass Friedrich Gabriel informierte. Er sieht aber keinen Anlass für persönliche Konsequenzen oder Zugeständnisse, wie er bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit Tagen deutlich machte. „Ich bin zusammen mit Herrn Kauder ein Stabilitätsanker dieser Koalition“, sagte Oppermann mit Blick auf Unionsfraktionschef Volker Kauder. Die Koalition werde zur Sacharbeit zurückkehren und nichts verknüpfen, was nichts miteinander zu tun habe.

Die CSU sieht das Verhältnis zur SPD belastet. „Es geht um Vertrauen. Das ist gestört“, sagte Seehofer. Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) sagte: „Es ist die Bringschuld der SPD (...), dafür zu sorgen, die Sache vollständig aufzuklären.“ Dabei gehe es auch darum, ob Edathy aus der SPD gewarnt worden sei.

Die Kinderpornografie-Ermittlungen lösten eine neue Diskussion über mögliche schärfere Gesetze aus. Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte: „Wir wollen klären, wie wir das gewerbsmäßige Handeln mit Nacktbildern von Kindern oder Jugendlichen unter Strafe stellen können.“ Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) will schärfere Regeln für Kinderfotos prüfen, die aufreizend, aber nicht explizit pornografisch sind: „Diese Bilder verletzten die Rechte von Kindern.“ CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte: „Der Staat muss hart reagieren, wenn Nacktbilder von Kindern im Umlauf sind. Der Fall Edathy zeigt, dass hier dringend Handlungsbedarf besteht.“

Edathys Bundestags-Computer sollen durchsucht werden

Mehr als eine Woche nach den Durchsuchungen sollen auch Edathys Computer und Speichermedien aus dem Parlament überprüft werden. Voraussetzung ist, dass der Immunitätsausschuss des Parlaments dem entsprechenden Ersuchen der Staatsanwaltschaft stattgibt, wie die Pressestelle des Bundestags am Dienstag in Berlin mitteilte.

Bundestagspräsident Norbert Lammert habe diese Bitte unverzüglich an den Ausschuss geleitet, so dass dieser möglichst an diesem Mittwoch entscheidet. Die Parlamentsverwaltung habe die Geräte auf Bitten von Edathys Nachfolgerin Gabriele Groneberg am Montag aus dem Büro geräumt und sicher verwahrt. Seinen Dienst-Laptop beim Bundestag hatte Edathy allerdings als gestohlen gemeldet.

Den förmlichen Antrag auf Hilfe in dem Ermittlungsverfahren habe der Bundestag am Dienstag von der Staatsanwaltschaft erhalten. Die Verwaltung habe der Staatsanwaltschaft bereits am 11. Februar telefonisch mitgeteilt, dass Durchsuchungen, Beschlagnahmungen und die Versiegelung eines Abgeordnetenbüros eines förmlichen Antrags und weiterer Voraussetzungen bedürfen. Ein Brief der Staatsanwaltschaft an Lammert über geplante Ermittlungen war verzögert und geöffnet im Bundestag angekommen.

Wegen der Öffnung des Briefs leitete die Staatsanwaltschaft eigene Ermittlungen gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Verrat von Dienstgeheimnissen ein. Es werde „völlig ergebnisoffen“ ermittelt, weil möglich sei, dass der Brief nur verspätet eintraf, ohne dass ihn ein Unbefugter gelesen habe, betonte Behördensprecherin Kathrin Söfker.