Ja, die Gesetze. Dahinter kann man sich super verstecken. Sie stehen da, unverrückbar, übermächtig. So jedenfalls sehen es diejenigen, die in der Debatte um die sogenannten Lampedusa-Flüchtlinge auf rigides Durchsetzen dieser Gesetze pochen. Die „Asyl-Problematik“ löst das freilich nicht. Soll sie auch gar nicht: In Europa ist das Wort mit dem Gesetz vor allem die Sprache der Abschottung. Es ist die Rhetorik der Besitzstandswahrer. Nach dem Motto: „Wir wissen, es geht euch schlecht. Wir würden ja gerne...“ Aber da sind ja diese Gesetze.

Und so macht auch der Hamburger SPD-Senat einen grundsätzlichen Fehler: Er erklärt seit einem Jahr mit der Haltung eines Schatzmeisters, was alles rechtlich nicht geht, was illegal ist, wo keine Kompromisse möglich seien. Leider fragt der Senat viel zu wenig: Was ist möglich? Natürlich darf sich ein Staat nicht vorführen lassen. Er muss Herrscher über das Verfahren bleiben. Das ist der wahre Wert des Rechtsstaats. Doch er hat Spielraum – um ein Signal für mehr Menschlichkeit zu setzen, für ernst gemeinte Lehren aus den Lampedusa-Katastrophen. Und Hamburg hat eine Chance.

Zunächst zu den Spielräumen: Der Senat beruft sich darauf, dass die Lampedusa-Flüchtlinge in Italien zuerst die EU betraten, Italien also zuständig ist. Doch Artikel 3 der Dublin-II-Verordnung legt fest: Der Bund kann die Verfahren von Italien nach Deutschland ziehen. Und Paragraf 23 im Aufenthaltsgesetz gibt Hamburg die Möglichkeit mit Zustimmung des Bundes, Flüchtlingen aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Man muss es nur wollen. In Hamburg und Berlin. So haben 200 deutsche Gerichte in der Vergangenheit eine Abschiebung nach Italien gestoppt – es drohe „unmenschliche Behandlung“. Hamburgs Einlenken wäre alles andere als ein „Tabubruch“.

Zur Chance: Aus Afrika kommen nicht die Ärmsten nach Europa – die Reise organisieren und überstehen vor allem die Ehrgeizigen, die Cleveren und Mutigen. Vielleicht gibt es unter ihnen gute Handwerker, Pfleger, Köche oder gar Ingenieure. Das findet nur heraus, wer zuhört – statt mit Gesetzestexten zu belehren.

Klar, kaum einer beherrscht die deutsche Sprache, viele können nicht einmal schreiben. Und doch zeigt eine Studie des Bundes: Mehr als ein Viertel der Asylbewerber absolvierte in Deutschland ein Gymnasium. Hamburg hält mehr Flüchtlinge aus – das muss die menschliche Antwort auf die jüngsten Tragödien sein. Am Ende gewinnt Hamburg damit vielleicht sogar. Doch dafür muss der Senat Neues und auch Unbequemes wagen.