Wenn älter jünger als alt ist, älter aber älter als jung, haben wir es unter Umständen mit einer absoluten Steigerung zu tun

Ich hatte am Sonnabend Geburtstag, den 72. Einige Weggefährten haben gratuliert, aber es werden immer weniger, die nachgeblieben sind. Meine Tochter schaut mich zunehmend besorgter an, ob ich noch allein bleiben kann. Offenbar bin ich jetzt ein alter Mann.

Oder vielleicht ein älterer Mann? Ist ein älterer Mann eigentlich älter als ein alter Mann, oder ist ein alter Mann älter als ein älterer Mann? Schließlich wird das betreffende Adjektiv alt, älter, am ältesten gesteigert.

Doch so einfach ist es nicht mit der deutschen Sprache. Wenn wir sagen: Vater ist zwei Jahre älter als Mutter, so vergleichen wir zwei bestimmte Altersangaben miteinander, wir setzen sie in Relation. Dazu benötigen wir die Vergleichspartikel als. Wenn wir wissen oder erfragen, dass Mutter 70 ist, ist Vater also 72. Falls es hieße, Mutter sei ebenso alt wie Vater, zählte Mutter ebenfalls 72 Lebensjahre.

Im Deutschen hat die Komparation (Steigerung) von Adjektiven drei Stufen: den Positiv (Grundform – groß), den Komparativ (1. Steigerungsstufe – größer) und den Superlativ (2. oder höchste Steigerungsstufe – am größten). Für den Komparativ benötigen wir zwingend die Vergleichspartikel als (nicht: wie): Hans ist stärker als Fritz. Erfolgt jedoch eine Gleichsetzung in der Grundform, so lautet die Vergleichspartikel wie: Hans ist so stark wie Fritz.

Als Eselsbrücke kann man sich merken: Wird mit so darauf hingewiesen, heißt es in der Regel wie: Heute ist es so heiß wie gestern. Brechen wir aber gerade alle Hitzerekorde, landen wir im Komparativ mit als: Heute ist es viel heißer als gestern. Nun gibt es einige Leute, die schenken sich die Unterscheidung und benutzen zur Sicherheit gleich beide Partikel: Ich bin so klug als wie zuvor. Ich muss einräumen: Das ist Goethe, das ist Faust. Wahrscheinlich ging es Goethe jedoch weniger um die Grammatik als um das Versmaß. Sie sollten es nicht nachmachen. Nur wenn der Vergleich wie älter, am ältesten in fester Relation (Beziehung) zum Grundwort alt steht, wäre der Ausdruck „Steigerung“ zutreffend, nur dann benötigten wir im Komparativ die Vergleichspartikel als. Ich darf diese Steigerungsform relative Komparation nennen, obwohl ich diesen Terminus vorher noch nie gehört habe; die eine Größe hängt von der anderen ab.

Was ist aber, wenn ich sage: Meine Nachbarin ist eine ältere Dame. Hier fehlt ein Festpunkt in der Aussage, von dem aus wir vergleichen könnten, hier fehlt dementsprechend auch eine Vergleichspartikel. Die Angabe ist absolut (beziehungslos, für sich betrachtet). Wir haben es mit einem absoluten Komparativ zu tun, und dieser Terminus stammt nicht von mir. Der ist amtlich. Der Ausdruck „Steigerung“ wird heute oft durch „Bildung der Vergleichsformen“ ersetzt.

Wir wissen nicht, wie alt die Nachbarin ist, wir dürfen lediglich annehmen, dass sie aus dem Spielplatzalter herausgewachsen sein dürfte. Also ist die ältere Dame keine Steigerung einer alten Dame. Die Vergleichsform älter bezieht sich nämlich auf die Grundstufe des Gegenworts (des Antonyms) jung mit der Reihenfolge jung, älter, alt. Es ist eine entscheidende Frage der Höflichkeit, ob Sie von einer alten Frau oder von einer älteren Frau sprechen. Nennen Sie Ihre Büronachbarin eine ältere Kollegin, so klingt das so ähnlich wie „berufserfahren“, nennen Sie sie aber eine alte Kollegin, so läuft sie heulend zum Betriebsrat.

Nicht jedes Adjektiv lässt sich steigern, nämlich keine Adjektive, die eine Eigenschaft bezeichnen, die nicht graduell vorliegen kann (mündlich, nackt, stumm, viereckig), keine zusammengesetzten Adjektive mit verstärkendem Bestandteil (schneeweiß, blutjung, steinreich), keine Adjektive, die bereits ein Höchstmaß ausdrücken (maximal, optimal, ideal), keine Adjektive, die mit Wortbildungselementen verneint sind (unüberhörbar, obdachlos, kinderlos) und keine Adjektive, die nicht gebeugt werden können (prima, lila, oliv).

Auch bei Partizipien müssen wir aufpassen. Es heißt nicht: der „verdrießendste“ Umstand, sondern der am meisten verdrießende Umstand. Bei zusammengesetzten Eigenschaftswörtern darf immer nur ein Bestandteil gesteigert werden – statt das „meistgelesendste“ Buch korrekterweise das meistgelesene Buch.