Lewis Hamilton hat mit 23 Jahren, 9 Monaten und 26 Tagen als jüngster Pilot in der Formel-1-Geschichte den Weltmeister-Titel gewonnen.

São Paulo. Mit der britischen Fahne über den Schultern ließ Lewis Hamilton seinen Bruder Nicolas gar nicht mehr los, Freundin Nicole Scherzinger und die gesamte McLaren-Mercedes-Crew flippten nach einem unglaublichen Formel-1-Finale völlig aus. In der dramatischen Nervenschlacht von São Paulo hat der Silberpfeil-Star am Sonntag sein Titeltrauma überwunden und sich mit einem Überholmanöver in der letzten Kurve gegen den deutschen Timo Glock zum jüngsten Weltmeister gekrönt. "Das war das schwerste Rennen meines Lebens", meinte Hamilton. "Ich war kurz davor, verrückt zu werden. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, cool zu bleiben."

Dem McLaren-Mercedes-Mann reichte beim Sieg seines roten Rivalen Felipe Massa, der sich für wenige Minuten beim turbulenten Großen Preis von Brasilien als Champion hatte fühlen dürfen, der fünfte Rang. Mit 23 Jahren, 9 Monaten und 26 Tagen und einer wahren Punktlandung machte Hamilton seinen Traum schon in seiner zweiten Saison wahr.

"Ich bin fertig. Es war so verdammt eng", gab Hamilton noch auf seiner Ehrenrunde per Boxenfunk durch. Er rettete einen Punkt Vorsprung nach 18 WM-Läufen auf Massa und lobte seine Mannschaft: "Ihr habt einen Riesenjob gemacht, die ganze Saison. Danke an alle, die an mich geglaubt haben." Er sicherte dank des Manövers gegen Glock dem britisch-schwäbischen Rennstall den ersten WM-Gewinn seit 1999 und trug sich als erster dunkelhäutiger Pilot überhaupt sowie erster britischer Champion seit Damon Hill 1996 in die Weltmeister-Liste ein.

Für "Paulista" Massa im Ferrari war der Sieg beim Saisonfinale vor 100 000 am Ende völlig niedergeschlagenen Zuschauern in seiner Heimatstadt letztlich ohne Wert, er konnte sieben Punkte Rückstand im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Kimi Räikkönen vor einem Jahr nicht mehr aufholen. Auch wenn er nach der Zieldurchfahrt auf dem ersten Gesamtrang gelegen hatte und Familie und Fans schon den Triumph des einstigen Michael-Schumacher-Lehrlings gefeiert hatten. Doch dann setzte Hamilton zum wichtigsten Überholmanöver seiner Karriere an - und fuhr geradewegs auf den WM-Thron. "Du hast keine Fehler gemacht und dann passiert Dir so ein Ding", meinte Massa.

Spuren hinterließ das "Katz- und Mausspiel" (McLaren-Chef Ron Dennis) auch bei Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug. "Was für ein Rennen, so was gab' s noch nie, meine Nerven!", gab der Schwabe zu Protokoll. "Jetzt sind wir Weltmeister und wir haben es verdient. Für uns ist keiner gefahren. Das ist großer Sport gewesen. Man hat es uns nicht leicht gemacht, weder dieses noch letztes Jahr", meinte Haug, nachdem Hamilton und das Team immer wieder auch mit Strafen zu kämpfen hatten.

Beim Finale, das Sebastian Vettel auf Rang vier als bester Deutscher beendete, ging die Hektik schon vor dem Start los: Ein plötzlicher Wolkenbruch ging auf die Strecke nieder und verwandelte den Kurs in eine Wasserbahn. Der Start wurde um zehn Minuten verschoben, doch der 4,309 Kilometer lange Kurs war teilweise noch nass, als die Ampeln erloschen. Hamilton und auch Massas Ingenieure hatten in der Zwischenzeit die Reifen gewechselt, beide nahmen das Rennen um die WM-Krone auf sogenannten Intermediates (Mischreifen) in Angriff. Und mit der gebotenen Vorsicht in der prekären ersten Kurve: Massa verteidigte ohne Probleme die Führung, dahinter holte Heikki Kovalainen gegen seinen verhalten gestarteten Teamkollegen Hamilton auf, ließ ihm aber den Vorzug im Senna-S.

Vettel machte schon am Start Boden gut, während weiter hinten Routinier David Coulthard einen unwürdigen Abschied hinnehmen musste: Der Schotte beendete seinen letzten Grand Prix nach wenigen Metern wegen eines Unfalls und löste eine Safety-Car-Phase aus. Zwei Runden dauerte es, bis der Lauf wieder freigegeben war. Im Reifenpoker wechselten die Piloten nacheinander auf Trockenreifen. Hamilton hielt auch nach den Stopps fast immer WM-Kurs, nur sechs Runden lag war er davon abgekommen, als er hinter Giancarlo Fisichella im Force India festhing.

Doch dann das: Zwei Runde vor Schluss lag Hamilton hinter Glock auf Platz sechs. Mit seinem beherzten Manöver zog er dann an Glock vorbei, Massas Fans und Familie fielen vom Himmel in die Hölle. Nach 71 Runden und der Gesamtdistanz von 305,909 Kilometern reichte es zu Hamiltons Zitter-Triumph mit 38,907 Sekunden Rückstand auf Massa (1:34:11,435 Stunden). "Lewis ist wie ein Verrückter gefahren", meinte Freundin Scherzinger im roten Sommerkleidchen.

Die weiteren Deutschen kamen neben Glock, der im Toyota Sechster wurde, nicht mehr in die Punkteränge. Nick Heidfeld wurde im BMW- Sauber Zehnter, Nico Rosberg im Williams Zwölfter und Adrian Sutil im Force India 16.