Möglichkeiten und Grenzen

19. Mai: „Was wird aus Hamburg? Nur Schönes ist wirklich nachhaltig. Die Art-Invest Real Estate hat viele alte Gebäude revitalisiert. COO Ferdinand Spies sieht enorme Möglichkeiten beim Bauen im Bestand“

Das differenziert geführte Gespräch mit Ferdinand Spies habe ich aufmerksam und mit großem Interesse gelesen. Zu Recht weist Herr Spies auf die Möglichkeiten und Grenzen von Bauen im Bestand hin. Abrisse können nach präziser Prüfung durchaus ökologisch sinnvoll sein und eine nachhaltigere Stadtreparatur ermöglichen. Heute erwiesene Fehlplanungen in den Nachkriegsjahren – u.a. der Bau der autogerechten Stadt plus raumgreifende Tankstellen und Parkhäuser in der Kernstadt – zwingend erhalten zu wollen, ist meines Erachtens ein Fehler und verhindert das Erreichen gewünschten Ziele.

Katrinka Delattre

Muss alles der Staat leisten?

19. Mai: „Kirsten Boie über Lese-Fiasko: ,Bin wütend‘. ein Viertel der Viertklässler kann nicht lesen. Weil der Staat seiner Aufgabe nicht nachkommt – sagt eine, die es wissen muss“

Als ehemalige Lehrerin bin ich wie Kirsten Boie entsetzt und wütend über die Tatsache, dass jedes vierte Kind in Deutschland nicht über eine ausreichende Lesefähigkeit verfügt. Viele Hinweise auf mögliche Ursachen werden in dem Artikel gegeben. Einen Aspekt jedoch vermisse ich: Der Stundenanteil für das reine Üben von Lesen, Schreiben und Rechnen in der Grundschule wurde schon zu meiner aktiven Zeit immer mehr reduziert. Ist es aber angesichts der IGLU-Ergebnisse nicht angebracht, auch die Stundentafel auf den Prüfstand zu stellen und die Einübung der grundlegenden Kulturtechniken (Lesen und Schreiben) wieder stärker zu betonen? Ist dies nicht gerade in der heutigen Familien- und Schulsituation nötiger denn je? Und was kann die Schule in Eigeninitiative tun, ohne nach dem Staat zu rufen? Zu meiner Zeit gab es zum Beispiel sogenannte Lesemütter (-väter), die mit besonders leseschwachen Schülerinnen und Schülern gesondert geübt haben, ehrenamtlich selbstverständlich. Ich selbst hatte mich nach meiner Pensionierung an meine örtliche Grundschule gewandt und zusätzliche Übungsstunden für Schülerinnen und Schüler mit Lernrückständen angeboten. Die Schule bedankte sich zwar für die Bereitschaft, aber mein Angebot wurde dennoch unverständlicherweise nicht angenommen. Vielleicht handelte es sich hier um einen Einzelfall. Aber es stellt sich mir die Frage: Muss denn immer alles der Staat leisten? Warum werden gerade in Zeiten des Lehrermangels Initiativen von Elternseite nicht als zusätzliche Hilfe in den Unterricht mit einbezogen? Und warum erhalten Schülerinnen und Schüler, die kaum richtig Deutsch sprechen, geschweige denn lesen und schreiben können, zusätzlich auch noch Englischunterricht? Wären hier diese Stunden nicht sinnvoller eingesetzt, wenn sie zum Üben der Kulturtechniken genutzt werden könnten?

Rosemarie Arendt

Ehrenamtlich ohne Dank

17./18. Mai: „Notruf: Es qualmt bei der Feuerwehr! Immer mehr Einsätze, schlechte Stimmung bei Rettern, Führungsspitze krank. Doch Senator Grote sieht keine Probleme“

Herrn Grote bringt nichts aus der Ruhe – er hält ja auch nicht jeden Tag seine Knochen hin. Mein Sohn ist seit über zehn Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr, macht alle Fortbildungen, Gesundheitschecks, über 100 Einsätze im Jahr und alles in seiner Freizeit ohne Entgelt und ohne Dank. Dafür kann er sich bei den Einsätzen noch beschimpfen und bespucken lassen. Ja, Herr Grote, da würde ich an ihrer Stelle mal in Ruhe darüber nachdenken, diesen Hunderten von Ehrenamtlichen vielleicht eine Aufwandsentschädigung oder Rentenpunkte zukommen zu lassen, wie es in anderen Bundesländern gehandhabt wird.

Christa Seiss

Noteinsatz oder Lappalie?

Es wäre schön, wenn das Abendblatt einmal mit den Menschen aus der Praxis gesprochen hätte. Dann wäre die wahre Ursache des Problems sofort offensichtlich: Ein sehr hoher Prozentsatz insbesondere der medizinischen „Not“-Einsätze erweist sich, nachdem die Notfallsanitäter mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen werden, am Einsatzort als absolute Lappalie. Und hoch qualifiziertes medizinisches Personal wird damit zum Taxifahrer ins Krankenhaus degradiert. Warum geben Sie dem Senator die Möglichkeit, die üblichen Politiker-Sprechblasen abzusondern, anstatt diesen mit der Realität zu konfrontieren? (...) Dabei liegt die Lösung auf der Hand: Die Mitarbeiter brauchen endlich mehr Entscheidungskompetenz, und dabei volle Rückendeckung durch den Dienstherrn.

Wolfgang Malota

Eine Verschlimmbesserung

17./18. Mai: „S-Bahn streicht Linien – und führt neue ein. Keine S 31 mehr, aus der S 21 wird die S 2 – fast. Was Fahrgäste in Hamburg wissen müssen, wer besonders profitiert“

Die Linie von Stade nach Pinneberg (künftig S 5) soll jetzt über Dammtor geführt werden. Die Linie von Poppenbüttel/Airport (S 1) nach Wedel unverändert durch den Citytunnel. Den Reisenden vom Norden Hamburgs zum Süden über die Elbe, bleibt nur die Möglichkeit sich ins Gewühl des Hauptbahnhofs zu stürzen. Die Umsteigezeiten werden länger. Der schnelle und bequeme Umstieg am Jungfernstieg (nur andere Bahnsteigsseite) ist nicht mehr möglich. Die Halbierung der Taktzeit von zehn auf fünf Minuten, wird sich als Illusion herausstellen. Tatsächlich ist es ein Zweieinhalb-Minutentakt, denn jeweils zwei Züge müssen vom selben Bahnsteig abgefertigt werden. Schon jetzt gibt es regelmäßig einen Stau der S-Bahnen vor dem Hauptbahnhof. Ähnliche Verschlimmbesserung hat der HVV am Barmbeker Bahnhof realisiert. Die Haltestellen der Buslinien 7 und 172 fuhren von gleichen Haltepunkt auf der Nordseite des Bahnhofs ab. Jetzt wurde der Haltepunkt der Linie 172 auf die Südseite verlegt. Die Fahrgäste, die bisher wahlweise mit einer der beiden Linien bis zu Hebebrandstraße im Fünf-Minutentakt fahren konnten, müssen jetzt im Zehn-Minutentakt fahren, denn niemand weiß welcher der beiden Busse zuerst fährt.

Bernhard Murra

Klimaschutz nicht zum Nulltarif

16. Mai: Kommentar: „Das grüne Dilemma. Wenn Reformen wehtun, wenden sich Wähler ab“

Mit schneller Tinte versucht Herr Iken erstmalige deutliche Stimmenverluste der Grünen bei der Bremer Bürgerschaftswahl zu erklären. Klimaschutz zum Nulltarif ist wohl nicht zu haben. Er wird Schmerzen verursachen, die Schmerzen und Schnitte aber werden derzeit sehr ungleich verteilt. Bei entsprechend überhitzten Vorgaben ohne Machbarkeitsrealistik trifft es die Kellerkinder der Gesellschaft ungleich härter als eine (noch) solvente Mittelschicht, Herkunft der grünen Elite. Der Lebensstil, die Möglichkeiten, kurz das Leben der anderen ist denen in den lichtdurchfluteten oberen Etagen anscheinend nicht sehr bekannt. Die Grünen sind für sozialpolitische Schwerpunktsetzungen keine besonders gute Adresse. Das wird bei parallel verlaufender Inflation ohne sichere Prognose über deren Verlauf immer deutlicher. Und so nimmt es nicht Wunder, dass bezüglich überstürzter und immer hoch geschraubterer Zielsetzungen in der Folge Entzauberung einsetzt, Angst, überfordert zu werden. Die sollten die Grünen und werden sie ernster nehmen (müssen). Klimaschutz unbedingt, aber nicht ohne soziale Gerechtigkeit. Nach dem Motto: „...und man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht“ werden die Grünen weitere Einbußen in Kauf nehmen müssen und damit der Klimapolitik eher schaden. Erste Warnsignale sind gesendet, sie erreichen hoffentlich die Berliner Blase.

Norbert Richter

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