Das Recht auf eigene Meinung

5. April: Leitartikel: „Wo Rabe recht hat. Medien müssen sich Fehlern in der Corona-Berichterstattung stellen“

Sicher hat Herr Rabe sich nicht besonders geschickt ausgedrückt. Aber darum geht es im Grunde doch gar nicht. Es geht darum, jemanden zu verunglimpfen und in die rechte Ecke zu stoßen. Das ist zurzeit überall so und auch so schön einfach, braucht man sich doch nicht selbst zu hinterfragen. Wenn man nicht mit der Mainstream-Welle schwimmt, ist man eben rechts und vollkommen unerträglich. Dabei geht es gar nicht um rechts oder links, sondern hauptsächlich um gesunden Menschenverstand und natürlich auch um das Recht einer eigenen Meinung.

Doris Schulze

Angst vor Aggressionen

Die Medien müssen sich nicht nur Fehlern in der Corona-Berichterstattung stellen. Die Feststellung Rabes, dass alle immer die gleiche Meinung haben, trifft eben nicht nur auf die Pandemie-Berichterstattung zu. Betrachtet man die veröffentlichte Meinung in den sogenannten Leitmedien und im öffentlich-rechtlichen Programm, müssen Bedenken über eine oftmals auftretende Gleichförmigkeit in der Berichterstattung bedauerlicherweise auch auf andere wichtige Politikfelder ausgeweitet werden. Die Berichterstattung über Waffenlieferungen in die Ukraine lief ähnlich ab. Über Prominente (z.B. Sahra Wagenknecht, Alice Schwarzer und Erich Vad) wurde medial hergefallen, als sie sich in einer Friedensinitiative, um eine Eskalation zu vermeiden, gegen Waffenlieferungen positionierten. Aggressiv wurden sie von den meisten Medien und Politikern abgekanzelt. Laut Umfragen hatten seinerzeit nahezu die Hälfte der Bevölkerung eine ähnliche Meinung, wie die Initiatorinnen des Friedensappells. Verfolgte man jedoch die Berichterstattung darüber in den Medien, konnte man den Eindruck gewinnen, es sei nur eine verschwindend geringe Anzahl von Menschen. Auch das von Herrn Iken im Leitartikel beschriebene, oft verwendete Totschlagargument, Kritiker in die Nähe von Rechtspopulisten zu rücken, konnte dabei beobachtet werden. So insbesondere bei der Berichterstattung über die von Schwarzer und Wagenknecht initiierte Demonstration für den Frieden. Es ist nicht nur die von Rabe benannte Gleichförmigkeit in der veröffentlichten Meinung, die besorgniserregend ist, sondern vielmehr auch die zu beobachtenden aggressiven Reaktionen auf andere Meinungen. Das fördert eine Atmosphäre der Angst und schränkt dadurch die Meinungsvielfalt ein. Bedenklich für jede Demokratie.

Reiner Gorning, Hamburg

Vertrauen ist unverzichtbar

5. April: „Hamburger Ärzte sollen Deutschland digitaler machen“

Fortschrittliche Digitalisierung im Gesundheitswesen ist unverzichtbar. Dass Hamburger Ärzte hier die Initiative ergreifen, ist vorbildlich. Vertrauen in die zukünftigen Systeme ist jedoch ebenso unverzichtbar. Der Artikel lässt nicht erkennen, ob und welche kritischen Vertreter und Vertreterinnen aus der Nicht-medizinischen-, Nicht-IT-Zivilgesellschaft in die Entwicklung der Prozesse mit einbezogen sind. Das testweise Hacken der Systeme ist nur ein Teil der nötigen Sicherheits- und Kontrollmaßnahmen, die ein vertrauenswürdiges System benötigt. Es wäre schade, wenn nur medizinische und „IT-Techies“ eine Lösung erarbeiten, die am Ende wegen mangelnden Vertrauens in der Tonne landet.

Helena Peltonen, Hamburg

Was wurde aus Max?

4. April: „,Ich kann damit nicht leben‘. Junger Russe begeht Selbstmord, weil er nicht in den Krieg ziehen will“

Dieser Artikel hat mich sehr berührt und daran erinnert, dass ein junger, sensibler, mutiger russischer Soldat meinem Vater einmal das Leben gerettet hat. Kurz: Mein Vater wurde nach seiner Entnazifizierung für zwei Jahre zur Zwangsarbeit bei einer russischen Einheit verurteilt. Diese Einheit arbeitete in der damaligen russischen Zone 1948, um Fabriken zu demontieren und die Teile nach Russland zu verladen. Mein Vater wurde als Lastwagenfahrer eingestellt und als Beifahrer wurde ihm ein 18-jähriger, russischer Soldat zugeteilt. Der Junge hatte großes Heimweg und erzählte viel (mit Händen und Füßen) von seinem Dorf und den Eltern. Die beiden „verurteilten“ Kumpel wurden Freunde, und mein Vater, genannt Fritz, wurde zum Vaterersatz für Max. Die beiden fuhren nicht nur Demontagebausätze, sondern mussten auch Schnaps für den Kommandanten besorgen. Einmal hatte diese Besorgung nicht geklappt. Der vollkommen besoffene Kommandant geriet in rasende Wut und wollte meinen Vater sofort auf dem Kasernenhof erschießen, spannte sogleich die Pistole. Doch der junge, mutige Soldat schlug ihm die Pistole aus der Hand und schrie ihn an. Andere Soldaten kamen aus der Kaserne gelaufen und brachten den Vorgesetzten ins Haus. Am nächsten Tag wurde meinem Vater ein anderer Beifahrer zur Seite gestellt. Er hat nie erfahren, was aus Max wurde.

Gisela Piehl-Tasbulat, Maschen

Eigentum verpflichtet

31. März: „Denkmalschützer und Eigentümer geraten aneinander. Bewohner der Siedlung Hamburg Bau ‘78 fühlen sich von der Behörde ausgebootet. Bei einer Infoveranstaltung gibt es viele Buhrufe“

Die Kultiviertheit von uns Zeitgenossen zeigt sich nicht zuletzt im Umgang mit der gebauten Umwelt und unserem baulichen Erbe. Wie in Musik, Literatur und bildender Kunst hat jede Epoche die für sie typischen Zeitdokumente hervorgebracht. Sie sind Teil unserer Geschichte und zu bewahren, auch wenn sie nicht jedermanns Sache sind. In der Architektur ist es ähnlich: Bauliche Zeitzeugen, egal welchen Stils, sind Teil unserer Geschichte. Sie für nachfolgende Generationen zu bewahren, ist Aufgabe und Pflicht der Bürger, vertreten durch den Denkmalschutz. Wir sind glücklicherweise längst darüber hinaus, nur als zeitgeistig „schön“ empfundene Bauten zu bewahren, denn auch Brücken, Bunker und Fabriken sind wichtige Zeitzeugen. Kriterien für die Auswahl sind Einzigartigkeit, historische Bedeutung, gestalterische und städtebauliche Qualität. Wer würde der Hamburg Bau von 1978 ihre Besonderheit und gestalterische Qualität absprechen? Barock, Jugendstil und Expressionismus haben es dank meist reicher Ornamentik leicht, sogar die Klassische Moderne ist üblicherweise akzeptiert. Warum nun wird ausgerechnet die Unterschutzstellung der „Hamburg Bau“, einer bemerkenswerten Ausstellung mit sozialem Hintergrund, kritisiert? Warum sollen qualitätvolle und einfache wie schöne Häuser, die 1978 dem „Normalbürger“ den Weg zum bezahlbaren Eigenheim zeigten, die im Übrigen durch staatliche Förderung von der Allgemeinheit mitfinanziert wurden, nicht auch als bauliche Zeitzeugen eben für diese Allgemeinheit erhalten werden? Eigentum verpflichtet eben auch. Ich wohne selbst in einem Denkmal und bin stolz darauf, dazu beizutragen, dass die Stadt nicht nur durch den Blick in zukünftige, sondern auch in vergangene Epochen ihre Vielfalt und Kultiviertheit zeigen kann.

Fredo Wiescholek

Zahnloser Tiger Denkmalschutz

Wir wissen doch alle, dass die Denkmalschutzbehörde in Hamburg ein zahnloser Tiger ist. Wenn man zurückdenkt, wie viele Gebäude unter Schutz gestanden haben und dann trotzdem dem Boden gleichgemacht, also abgerissen wurden, obwohl Denkmalschutz bestand. Es brauchen die Bewohner der Siedlung Hamburg Bau ‘78 gar keine Angst oder Bedenken zu haben... Allein in letzter Zeit wurde abgerissen, was das Zeug hält (ich denke z.B. an die City-Hochhäuser in der Stadt). Alles weg und durch ein gesichtsloses Zweckgebäude ersetzt. Also, liebe Hamburg Bau ‘78-Bewohner, „keep cool“, das wird nicht so heiß gegessen, wie es im Moment gekocht wird.

Curt Dabbert

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