Leserbriefe

Briefe an die Redaktion: 5. April 2023

| Lesedauer: 8 Minuten

Gefährlicher Drahtseilakt

4. April: Leitartikel: „Die Vermögensillusion. Die fetten Jahre haben Deutschland satt und träge gemacht“

Nicht nur Deutschland, auch Deutschlands Bürger sind fett und träge geworden! Schließlich lief es doch bei den meisten von ihnen in den vergangenen Jahrzehnten rund. Dass aber dieser Wohlstand und das Ansehen in der Welt, dieses „made in Germany“ mit vollstem Einsatz Einzelner fürs große Ganze hart erarbeitet wurde, scheinen viele vergessen oder verdrängt zu haben. Es gibt keinen Garant dafür, dass das bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auch so bleibt. Mehr denn je gilt es heutzutage, sich hundertprozentig für eine Sache einzusetzen und an einem Strang zu ziehen, damit es in naher Zukunft mit Deutschland nicht zu spät ist. Firmen, die hier gebraucht werden und die aus wirtschaftlichen Gründen ins Ausland abwandern, handeln kontraproduktiv, was die Entwicklung Deutschlands betrifft – auch wenn der Abgang für sie sinnvoll erscheint. Eines dürfte jedoch klar sein: Mannigfaltige Verbote haben null Motivation im Gepäck, sind also ein gefährlicher Drahtseilakt. Die Schere zwischen Arm und Reich ist brisanter denn je zuvor, weckt bei vielen Unmut und hängt als Damoklesschwert bedenklich tief. Der Hamburger Hafen ist ein Paradebeispiel für den Abstieg der deutschen Wirtschaft: Vor Jahren noch mit zu den Besten gehörend, rangiert er heute unter „ferner liefen“, da ihm andere Häfen den Rang ablaufen. Auch wenn die alte Generation von den jungen Satten, die das Aufwachsen im Wohlstand als selbstverständlich ansehen, belächelt wird: Von den Alten, die dieses Land aufgebaut haben, kann man immer noch lernen! Wie lautete so treffend der musikalische Slogan der „Neuen Deutschen Welle“ vor 30 Jahren?„Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt...“ Packen wir es an, damit der deutsche Wohlstand keine endgültige Illusion wird.

Silvia Böker

Drei Liter Wasser am Tag

3. April: „Wie Essen den Gelenken schaden kann“

Doc Riedl sagt, wie es wirklich ist. Wer meint, bei der Ernährung ein Leben lang Vollgas in eine Richtung geben zu können, der irrt. Das körpereigene Immunsystem ist irgendwann ermüdet, ja überlastet und reagiert mit Entzündungen, die einem zunächst völlig fremd erscheinen, z.B. an der Hand und/oder am Ellenbogen. Wohl dem, der Zugang zu einer der permanent überlaufenen rheumatologischen Praxen gefunden hat. Medikamente sind das eine, nur sprechen ganz wenige Ärzte das Hauptproblem, nämlich eine notwendige Ernährungsumstellung, an. Neben den aufgeführten Ernährungsbestandteilen sollte auf Salz, Butter, rotes Fleisch, Schweinefleisch sowie Süßigkeiten komplett verzichtet werden. Hingegen wichtig, da wirkungsvoll im täglichen Ablauf: Gemüse, Obst, Vollkornbrot, Müsli, ab und zu Fisch und/oder Geflügel, zwei bis drei Liter Wasser am Tag. Daneben schadet Intervallfasten und Bewegung nicht, und ganz wichtig: alles in Maßen!

Joachim Lamm

Motivieren statt verbieten

30. März: Leitartikel: „Das Ausweichmanöver. Die Ergebnisse der Koalition machen Klimaschutz nun schwieriger“

Die absolute Mehrheit der Gesellschaft (einschließlich der gern gebashten FDP) ist für Energiewende und Umweltschutz. Eine wünschenswerte und erfolgreiche Wende zu mehr Klimaschutz bestünde in erster Linie darin, technologieoffen die Rahmenbedingungen zu verbessern. Die Mehrheit der Gesellschaft will doch freiwillig Energie sparen, bzw. Umweltschutz betreiben. In jedem Kindergarten und in jedem Managementtraining kann man lernen, dass Motivation mehr als Verbote bringt. Rahmenbedingungen bedeuten: Ideen zulassen und Gesetze und Verordnungen entschlacken, damit Wandel überhaupt möglich ist. Idealzustände per Gesetz mögen aus einer Sicht wünschenswert sein, behindern aber das große Ganze. Im Kompromiss liegt die Lösung. Wir brauchen ein neues Zusammenstehen der Gesellschaft, um die prioritären Aufgaben der Zeit so zu lösen, dass unsere Kinder und Enkel eine gute Zukunft haben können. Dazu wünschte ich mir eine „Ruckrede“ von Herrn Steinmeier. Frieden in der Gesellschaft braucht demokratische, nicht moralisierende Auseinandersetzungen und das Abwägen und Finden von Prioritäten. Das dann von allen zu tragen, ist Anstand und gelebte Demokratie. Reflexartig gegen alles zu klagen, hilft weder der Natur noch den Menschen.

Gerd Scheunemann

Frei von Pietätsduselei

1./2. April: „Und dann, bumm: Krebs! Der Autor Arno Luik kämpft gegen seine Krankheit. Und beobachtet sich selbst dabei. Ein Gespräch über das Leben nach der Diagnose“

Das Wissen um unsere Vergänglichkeit konfrontiert uns mit existenziellen, individuellen und globalen Fragen. Bei schwerer Krankheit, Tod und Sterben neigen wir zur Verdrängung, Sprachlosigkeit stellt sich ein, Unsicherheit angesichts des Ungeheuerlichen. Umso überraschender und hilfreicher für uns alle ist es zu erleben, wie Frau Schiller und Herr Luik frei von jeglicher Pietätsduselei in einer Sprache offenherziger Schonungslosigkeit Zugang zu dieser extremen existenziellen Situation finden: offen-mutiges Fragen, unverstelltes, von jeglichem Selbstmitleid befreites Antworten. Ihnen beiden Dank für diesen Beweis, dass wir auch in Zeiten äußerster Not nicht zur Sprachlosigkeit verdammt sind.

Norbert Richter

Wegschauen hilft nicht mehr

28. März: „Wie krank ist Deutschlands Wirtschaft? Immer mehr Experten fürchten die Deindustrialisierung – Panikmache oder Fakt?“

Wegschauen oder beschwichtigen hilft nicht mehr. Die im Artikel servierten Fakten sind die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Kaum zu ertragen, weil offensichtlich große Teile unserer Bevölkerung bis hinein in die Politik nicht in der Lage sind zu erkennen, wie groß die Schieflage des Dampfers „Deutschlands“ bereits ist. Leute wie Günther Oettinger, Ex-Ministerpräsident vom BW, Boris Palmer, Bürgermeister von Tübingen, Folker Hellmeyer, Wirtschaftsanalyst und auch der wegen seiner Nähe zur realen wirtschaftlichen Welt heute nicht mehr gern gehörte Ökonom Hans-Werner Sinn müssten zumindest als Lotsen mit auf der politischen Kommandobrücke stehen. Das Wort „Wirtschaft“ in der Überschrift könnte allerdings entfallen. Denn die Krankheit Deutschlands ist umfassend, liegt offensichtlich wesentlich tiefer als nur im Wirtschaftsgeschehen.

Jan Troje

Crashkurs statt Kuschelkurs

25./26. März: „Zwei Welten auf Kuschelkurs. Auto- und Fahrradbranche zeigen seit Jahren, dass man gemeinsam wachsen kann“

Der Artikel hätte eine passendere Überschrift verdient: „Crashkurs“ anstelle von „Kuschelkurs“. Der Biohybrid von Schaeffler, ein Mini-Auto mit Hometrainer wurde z.B. ausdrücklich mit dem Slogan beworben, dass man damit auf Fahrradwegen am Stau vorbeifahren könne. Aber wer möchte schon täglich auf Baumwurzelpfaden durch Parkplätze und Spielplätze zur Arbeit hüpfen? Eine 45 km/h schnelle Variante für die Straße war nicht geplant. Warum soll eine Branche sich auch selbst Konkurrenz machen? In die Liste hätte auch der gescheiterte Toyota i-Road gepasst. Obwohl er von allen Seiten überschwänglich gelobt wurde, und alle ihn sofort haben wollten, wurde das Projekt eingestampft. Leichtfahrzeuge und 45er-Pedelcs würden den Verkehr im öffentlichen Raum zwar flüssiger und sicherer sowie menschen- und umweltfreundlicher machen. Nur widerspricht das dem Interesse einer Industrie, deren Gewinnmarge beim Verkauf von rollenden Rüstungen vom Grad der Bedrohung auf den Straßen abhängt.

Stephan Dzialas

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