Raus aus der Drohspirale

6. Februar: Merkwürdige Zeiten: „Ich lass im Wintersturm Drachen steigen, denn …“

Auch ich bin froh so alt zu sein, 70 dieses Jahr, aber meine zwei Söhne, ihre Frauen und vier Enkeltöchter haben noch ihr Leben vor sich. Ich beneide sie nicht. Die Welt ist außer Rand und Band und auch mir macht das Kriegsgeschrei Angst, und die Drohspirale dreht sich immer weiter. Ja, der momentan schlimmste Aggressor ist Putin, keine Frage, unentschuldbar. Aber wollen wir wegen Putin unsere Welt über kurz oder lang in die Steinzeit bomben? Raus aus der Spirale, und die ganze Energie daran setzen, den Krieg in der Ukraine zu beenden, nicht sagen es geht nicht, weiter denken und sprechen. Bin ich naiv? Vielleicht ein wenig, gepaart mit der Hoffnung doch noch ein paar Jahre auf dieser Welt zu leben. Die Hoffnung stirbt zuletzt, sie ist ja nicht aus Fleisch und Blut.

Arno Blach

Wir arbeiten zu wenig

4./5. Februar: Hamburger KRITIken: „Politik muss sich mal unbeliebt machen“

Deutschland ist seit mehr als 20 Jahren zu einer Spaß- und Partygesellschaft verkommen. Arbeit ist nicht mehr als ein notwendiges Übel, und das Wissen darüber, woher unser Wohlstand kommt, ist inzwischen weitestgehend verschüttet. Die Aufzählung der angeblichen Wohltaten, die die Bundesregierung, hier Arbeitsminister Heil, über die Bevölkerung ausschüttet, ließe sich beliebig fortsetzen. Der Begriff Work-Life-Balance ist für viele eine Einladung, den Schwerpunkt auf Life zu setzen. Aber damit lässt sich eben das Leben nur so gut gestalten, dass es gerade so geht – dann muss eben die Grundsicherung herhalten. Die Regeln zum Homeoffice sind so lasch, dass eine wirkliche Kontrolle durch die Arbeitgeber nicht vollständig möglich ist. Was wir brauchen, ist mehr Umstellung von Halbtagsarbeit zur Vollzeit, ein Renteneintrittsalter von 67 Jahren und einen neuen Begriff: die Work-Work-Balance.

Bernd Glodek

Kaum Praktika für Schüler

4./5. Februar: „Geht uns die Arbeit aus? Oder sind es die Arbeiter?“

Überall wird laut nach Fachkräften gerufen, die in allen möglichen Bereichen fehlen. Gleichzeitig gibt es kaum Firmen, die Schülern zur Berufsorientierung die Möglichkeit eines Praktikums einräumen. In der Höheren Handelsschule, die unser Sohn ab August besuchen möchte, werden vier Blockpraktika zu je fünf Wochen gefordert, die im kaufmännischen Bereich absolviert werden sollen. Nach über 70 Bewerbungen bei diversen Hamburger Firmen können wir im Namen unseres Sohnes berichten, dass es kaum Rückmeldungen gibt. Und wenn, sind dies Absagen. „Leider können wir keine Praktikanten betreuen“, „leider bieten wir nur Praktika für Werkstudenten mit mindestens sechs Monaten an“, „leider können wir keine Praktika anbieten“. Wie stellt sich die Wirtschaft hier eine berufliche Orientierung der jungen Leute vor? Wenn man laut nach Nachwuchs schreit, muss man auch bereit sein, dafür im Vorwege zu investieren. Was kann einer Firma besseres passieren, als seinen vielleicht zukünftigen Azubi bereits vorab für fünf Wochen testen und in der Praxis erleben zu können? Für uns ist dieses Verhalten der Wirtschaft einfach nur unverständlich, und das Problem des Fachkräftemangels in vielen Branchen hausgemacht.

Familie Krüger, Oldenfelde

Wenig Ruhm für Innenpolitik

4./5. Februar: „Nach tödlichem Messerangriff: So soll Bahnfahren sicherer werden. Kieler Regierung fordert Videoüberwachung in Zügen und prüft Waffenverbotszonen im Bahnhofsumfeld“

Ich finde es ja immer wieder interessant, wie schnell die Politik und die Medien nach einer Tat wie in Brokstedt einen Katalog an Maßnahmen herbeirufen und sich gegenseitig die Schuld an den Versäumnissen geben. „So soll Bahnfahren sicherer werden“, so die Überschrift im Abendblatt. Auffallend ist, dass die meisten Punkte schon jahrelang bekannt sind, zumindest erinnere ich mich gut an Aussagen wie: „Die Behörden müssen länder- und ressortübergreifend besser zusammenarbeiten“ oder „beschleunigte Strafverfahren für straffällige Flüchtlinge“. Für die Eltern der getöteten Jugendlichen müssen diese Aussagen wie Hohn klingen, denn für sie kommen die Erkenntnisse zu spät. Die Aufarbeitung solcher Katastrophen endet meist in gegenseitigen Vorwürfen und eben in „Papiertiger-zehn-Punkte-Programmen“. Als Bürgerin hat man das Gefühl, dass sich nichts ändert. Die Politik traut sich nicht die Wahrheit zu sagen, aus Angst Wählerinnen und Wähler zu verlieren oder der Partei zu schaden. Leider hat sie noch nicht begriffen, dass genau diese Feigheit dazu führt, dass die Wählerinnen und Wähler kein Vertrauen mehr in die Politik haben und sich daran nicht mehr beteiligen. Vielleicht wäre es einmal an der Zeit, dass sich Deutschland mehr um innenpolitische Themen wie Digitalisierung, Sicherheit, Bildungssystem und Klimaschutz ernsthaft und mit voller Kraft kümmert, als ständig kleine Samen im großen Weltgeschehen zu säen. Aber, Innenpolitik ist halt weit weniger geeignet, um Ruhm zu ernten. Da wird das Wischen vor der eigenen Haustüre einfach mal vergessen.

Isabelle Ziegler

Modellbahn verschlafen?

4./5. Februar: „Eigentümer wollen gegen Denkmalschutz klagen. Gero von Tuttlewski vertritt Bewohner der Siedlung Hamburg Bau ‘78 in Poppenbüttel. Auch CDU will Ensembleschutz aufheben lassen“

Anstatt ganze Siedlungen wie jetzt „Hamburg Bau ‘78“ unter Schutz zu stellen (einzelne Häuser hätten auch gereicht), sollte sich der Denkmalschutz mal seiner Verantwortung bewusst werden und auch andere Kulturgüter bewahren. Dazu zählt vor allem die seit 72 Jahren bestehende Modelleisenbahnanlage im Museum für Hamburgische Geschichte. Im Hintergrund der Modellbahn befindet sich die einmalig gestaltete Kulisse von Harburg des Kunstmalers Hans-Günther Baass (1909 bis 1991), der auch andere Keramikbilder in Hamburg gestaltet hat. Dessen Werk an der gemauerten Hintergrundwand der Modellbahn wird mit dem Abriss der Modelleisenbahn auch endgültig vernichtet. Was hat das Denkmalschutzamt denn hier verschlafen?

Ewald Hauck

Tjarks in der Sackgasse

3. Februar: „Klimabeirat rügt Planung der U 5. Gremium spricht von Versäumnissen und zweifelt Umweltbilanz des Mega-Baus an“

Senator Tjarks räumt ein, dass der Bau der U 5 über lange Zeit zu gewaltigen Baustellen führt. Hatte der heutige Bundeskanzler Scholz in seiner Zeit als Bürgermeister nicht verkündet, dass der Bau der U 5 nur zu einem minimalinvasiven Eingriff in den Straßenraum führt, im Gegensatz zu einer Stadtbahn? Dass das – zurückhaltend ausgedrückt – Unsinn ist, war Fachkundigen sofort klar. Aber es genügte, eine nun über fast zehn Jahre währende Diskussion über die Verkehrswende auszulösen. Mit dem Ergebnis, dass die Probleme im ÖPNV wachsen, der Pkw-Verkehr in Hamburg weiter zunimmt. Und die Grünen unter Tjarks haben sich unkritisch auf die U 5 eingelassen – auch im Punkt Umweltverträglichkeit. Wenn nun der Senator selbstherrlich dem Klimabeirat jedwede Fachkompetenz dazu abspricht, zeigt es mir, dass er die Erkenntnis verdrängt, in einer verkehrspolitischen Sackgasse zu sein. Einen gesichtswahrenden Weg daraus für ihn und die Grünen blocken der Bürgermeister und die SPD ab, in ihrer Verbundenheit zu Scholz. Die Folge ist, dass Herr Tjarks versucht uns Steuerzahler zu verpflichten, mit zig Milliarden Euro für die fragwürdige U 5 die Stahl- und Baustoffindustrie in Richtung vermeintliche Klimafreundlichkeit zu sponsern. Wo bleibt da der Rechnungshof?

Lutz Achilles

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