Ministeramt neu besetzen
28./29. Januar: „Aufregung um Baerbock-Äußerung. Mit ihrer Aussage ,Krieg gegen Russland‘ befeuert Ministerin russische Propaganda – nicht ihre einzige Panne“
Die sprachlichen Entgleisungen der Außenministerin zeigen eine erstaunliche Parallele zu der gescheiterten Verteidigungsministerin und kommen keineswegs überraschend. So ist es eben, wenn bei der Besetzung von Ministerposten Geschlechter- und Parteienproporz wichtiger sind, als die so dringend benötigte Qualifikation und Erfahrung für einen gerade jetzt so wichtigen Regierungsposten. Auf dem Glatteis der Diplomatie und im Kreis international erfahrener Stelleninhaber anderer Regierungen reicht es einfach nicht, Empörungsreden im Stil einer aufgeregten Klassensprecherin zu halten. Baerbock ist keineswegs eine „Chefdiplomatin“ wie Sie schreiben, sondern nach den bisherigen Auftritten eher eine Praktikantin, was unserem Land und ihrem eigenen Ansehen massiv schadet. Eine Neubesetzung an der Spitze des Außenministeriums ist überfällig, bevor weiteres Porzellan zerschlagen wird.
Michael Deil, Bargteheide
Mangel an Distanz
Wie auch immer Frau Baerbocks Äußerung am Dienstag im Europarat, „Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander“, gemeint war: Sie zeugt von Naivität, hier insbesondere einem Mangel an Distanz und Einfühlung in eine in offener Entwicklung sich befindlichen Kriegs- und Krisensituation, einem Mangel an Geschick, sich in die Perspektive anderer einzudenken. Diese Äußerung ist nun in der Welt. Die Staatsmedien Russlands schlachten sie propagandistisch genüsslich aus, bis hin zu der Lüge, Deutschland habe Russland damit den Krieg erklärt. Wasser auf die Mühlen Putins, der das Narrativ füttert, die Nato führe Krieg gegen Russland. Idealerweise verfügen Diplomatinnen und Diplomaten über einen Abschluss in Rechts-, Politik- oder Wirtschaftswissenschaften. Ihre Aufgabe ist die Vertretung der Interessen ihres Landes und die Pflege von Beziehungen zur Staatenwelt. Sie spielen eine entscheidende Rolle, wenn in Konflikten Lösungen erreicht werden sollen. Von einer „Chefdiplomatin“ sind einschlägige Qualifikationen in besonderer Ausprägung zu erwarten. Die Außenministerin wird zunächst einmal lernen müssen, ihre Zunge diplomatisch einzuhegen und politisch wasserdichte Aussagen zu treffen. Das Beispiel ist hochgradig riskant und diplomatisch mehr als eine „Panne“.
Norbert Richter
Fehlentscheidung der Justiz
28/29. Januar: „Warum bekam Ibrahim A. Methadon? Hinweise auf Schizophrenie beim Messerstecher von Brokstedt. Sein Anwalt erhebt im Abendblatt schwere Vorwürfe“
Wieder einmal hat sich gezeigt, welche entscheidende Rolle dem Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen in einem Strafprozess zukommt. Dass der Gutachter in dem Prozess vor dem Amtsgericht St. Georg trotz der Aussage des Angeklagten, er „höre Stimmen “, nicht auf diesen Hinweis eingegangen ist, erscheint unverständlich. Denn das Hören von Stimmen ist ein klassisches Anzeichen für das Vorliegen einer Schizophrenie, die eine Schuldfähigkeit ausschließt. In dieser Fehleinschätzung liegt der entscheidende Schlüssel für die Frage, ob für den Angeklagten eine Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung der Psychiatrie angezeigt gewesen wäre. Das Amtsgericht St. Georg ist dem Gutachten des Sachverständigen gefolgt und hat damit eine schicksalhafte Weichenstellung getroffen, die sich in fataler Weise auswirkte. Die jetzigen Taten des Ibrahim A. wären zweifellos nicht begangen worden, wäre es nicht zu einer Fehleinschätzung durch den psychiatrischen Sachverständigen gekommen. Denn Ibrahim A. wäre in einer geschlossenen Abteilung untergebracht worden, die zuständigkeitshalber vom Landgericht entschieden worden wäre.
Dr. Claus Rabe
Service hat sich verschlechtert
28./29. Januar: „Haspa will erste Adresse für Reiche werden. Wohlhabende Kunden sind für Banken ein lukratives Geschäft. Die Sparkasse stockt dafür das Personal kräftig auf“
Nun ist es also endlich öffentlich. Auch die Haspa, die früher als das Geldinstitut für die Normalbevölkerung galt und sich selbst gehörte, d. h. nicht rein gewinnorientiert war, will weg davon und möglichst viele gut situierte Kunden. Der Service für uns andere hat sich in den letzten Jahren massiv verschlechtert. Auch die Beratung von Wertpapierkunden hat oft zu wünschen übrig gelassen und verdient hat letztlich die Haspa. Es ist nicht lange her, dass stolz über gestiegenen Gewinn berichtet wurde und weitere Steigerungen geplant seien. Dafür sind die Gebühren gerade eben mal wieder kräftig, um mindestens 25 Prozent, gestiegen. Weiter so! Die Normalbevölkerung kann und sollte sich ein anderes Geldinstitut suchen. Nur welches? Vielleicht eines, das die gestiegenen Guthabenzinsen wenigstens auch weitergibt, nicht nur die Kosten. Das gilt insbesondere dann, wenn man wegen einer gerade mal wieder geschlossenen Filiale auf Online-Banking wechseln muss, auch wenn man es trotz Möglichkeit aus persönlichen Gründen nicht möchte.
Waltraud Schulenburg, Hamburg
Wohnungstausch lässt hoffen
27. Januar: „Senatorin ruft Hamburger zum Wohnungstausch auf. Karen Pein (SPD) regt Programm für Familien und Singles an – und kann sich vorstellen, künftig höher zu bauen“
Es stimmt hoffnungsvoll, dass die neue Senatorin der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen gleich in ihrem ersten großen Interview zum Wohnungstausch aufruft, einer Wohnflächenreserve, die seit Jahren praktisch kaum genutzt wurde. Den Wohnungstausch zu einem breiten wohnungspolitischen Instrument zu entwickeln, ist sicher keine einfache Aufgabe, muss aber vor dem Hintergrund der Klimafrage und den rasant steigenden Heizkosten, die zu einem sparsamen Umgang mit Wohnraum zwingen, unbedingt angegangen werden. Bei einer Fluktuationsrate von zurzeit ca. fünf Prozent würden hamburgweit theoretisch jährlich ca. 30.000 Wohnungen zum Tausch zur Verfügung stehen. Im Rahmen eines neuen „Bündnis für das Wohnen im Bestand“, in dem die tauschbereite Nachfrageseite systematisch erfasst wird, und die Anbieter von freiem Wohnraum sich verpflichten, einen gewissen Prozentsatz ihrer frei werdenden Wohnungen erst einmal für den Tausch bereit zu stellen und die sicher schwierigen Tauschvorgänge konstruktiv zu begleiten. Zusätzlich sollten die oft älteren alleinstehenden Menschen angesprochen und aktiv aufgesucht werden, um Hilfestellung bei der Suche nach einer passenden Wohnung und den Verhandlungen mit den Vermietern zu leisten. In diesem Zusammenhang anfallende Kosten und unter Umständen auch Prämien dürften deutlich weniger kosten als die erheblichen Subventionen für den Wohnungsneubau.
Helgo Klatt
Kleine Wohnungen zu teuer
Der an sich sinnvolle Vorschlag der neuen Senatorin ist nicht unbedingt neu und wird teilweise auch schon praktiziert. Er scheitert aber im Wesentlichen daran, dass es sich um überwiegend ältere, mittlerweile häufig verwitwete, langjährige Mieter (40 bis 50 Jahre sind keine Seltenheit) handelt. Diese sind durchaus bereit, sich zu verkleinern und „nach unten“ zu ziehen. Sie können sich die neuen, kleineren Wohnungen schlichtweg aber nicht leisten. Gerade die Genossenschaften und Wohnungsgesellschaften hätten durchaus Potenzial, diesen Wohnungstausch zu forcieren: Große, unrenovierte Wohnung gegen kleine, renovierte Wohnung zur gleichen Miete tauschen, dann die große Wohnung sanieren und zu aktuellen Konditionen vermieten, das Paket sollte sich auch für den Eigentümer rechnen. Bei der HANSA Baugenossenschaft soll das funktionieren.
Thomas Mann
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