Auch Polizisten werden Opfer

17. Oktober: „Derby hat ein Nachspiel. Ermittlungen gegen Bundespolizisten, der einen am Boden liegenden St.-Pauli-Anhänger geschlagen haben soll“

Mit dem Titelbild der heutigen Ausgabe hat sich das Hamburger Abendblatt auf das Niveau der Bildzeitung begeben. Ohne Zweifel ist die Aktion des Polizisten zu verurteilen, und ein Disziplinarverfahren wurde ja auch bereits eingeleitet. Viel öfter aber werden Polizisten Opfer von Gewalt. Diese traurige Tendenz verstärkt sich leider immer weiter. Durch die einseitige Darstellung in dem Leitartikel gerät dieser Umstand jedoch aus dem Blickfeld. Die in Gewahrsam genommenen Personen hatten ganz offensichtlich vor Gewalt auszuüben, und sind gegenüber den Polizisten alles andere als friedlich gestimmt. Dann müssen sie auch damit rechnen, selbst hart angegangen zu werden, wobei selbstverständlich die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben sollte, was hier offenbar nicht der Fall war. Aber wenn wir immer nur den bösen Polizisten vorführen, dann dürfen wir uns nicht wundern, dass diesen Beruf irgendwann keiner mehr ausüben möchte. Und warum muss die Polizei in Hamburg eigentlich in so großer Zahl private Veranstaltungen von Fußballclubs schützen? Es ist doch deren Aufgabe, selber für Ordnung zu sorgen, wenn ihre Fans gewalttätig werden und randalieren.

Peter Westendorf

Man muss beide Seiten sehen

17. Oktober: Leitartikel: „Eine Schande. Bundespolizist schlägt auf am Boden liegenden St. Pauli-Anhänger ein“

Ich war selber zwar nicht vor Ort, kenne aber die Materie aus früheren Berufsjahren. Dass die Stimmung zwischen den sog. Fans schon immer sehr aufgeheizt war und ist, brauche ich nicht weiter zu betonen. Dass es aber Fans gibt, die das Spiel eigentlich gar nicht sehen wollen, sondern sich nur gewalttätig mit der gegnerischen Fangruppe (die ebenfalls gewaltbereite Fans haben) auseinandersetzen wollen, ist dem Schreiber des Leitartikels hoffentlich bekannt. Dass diese Menschen sich auch extrem gewalttätig gegenüber einschreitenden Polizeibeamten verhalten, dürfte auch bekannt sein. Deshalb halte ich es für sehr einseitig, von Schande zu sprechen ohne dabei gewesen zu sein. Ich habe auch das Handyvideo gesehen und kann mir sehr gut vorstellen, dass die am Boden liegende Person sich massiv der vorläufigen Festnahme/Ingewahrsamnahme verweigert hat. Wie im Video zu erkennen ist, verweigert die am Boden liegende Person offensichtlich, die Arme auf den Rücken zu nehmen. Das ist aber zwingend erforderlich, wenn eine Person nach der Ingewahrsamnahme abgeführt werden soll. Außerdem darf bezweifelt werden, dass die Person wehrlos war. Hätte sie sich an die Anordnungen der Polizei gehalten und wäre nicht mit Gewalt auf die gegnerischen Fans losgegangen, wäre es sicher nicht zu der erforderlichen Festsetzung gekommen. Man muss auf alle Fälle beide Seiten sehen.

Amandus Backhaus

Wie kann man Gewalt stoppen?

Wenn fast 1500 Polizisten ein hochbrisantes Fußballspiel beschützen, haben sie bei der für sie extrem langen Vorlaufzeit unser aller Achtung verdient. Auch Polizisten sind Menschen und wenn sich extrem gewaltbereite Hooligans – egal vom HSV oder St. Pauli – so gewalttätig verhalten, müssen sie mit Konsequenzen, auch körperlichen, rechnen. Wenn sich ein Hooligan auch am Boden noch zutiefst aggressiv verhält, was soll ihn dann stoppen? Gespräche?

Antje Netz, Hamburg

Ein absoluter Wahnsinn

17. Oktober: „Reeperbahn wird zur Fahrradmeile. Für die Radler werden eigene Streifen eingerichtet. Zwei Spuren für Auto fallen weg“

Der Fahrradwahnsinn hat einen Namen: Anjes Tjarks. Ausgerechnet auf der Reeperbahn eine Fahrradspur zu planen, ist der absolute Wahnsinn: Die Straße mit Fußgängerbereich wurde vor gar nicht langer Zeit für viel Geld neu gestaltet. Bessere Luft für die Anwohner? Mitnichten: Wenn die Autos im Stau stehen, wird die Luft erheblich verpestet. Und mehr Sicherheit für Touristen und Nachtschwärmer dürfte eine Illusion bleiben, wenn torkelnde Besucher auf rasende Radler treffen – das ist vorsätzlich geplante Körperverletzung. Die jetzige breite Flaniermeile kann ohne Probleme schmaler werden, um den wenigen Radfahrern eine Spur zu geben, wenn es denn sein muss. Tempo 30 für Autos bietet viel Sicherheit auf der Reeperbahn – da lachen doch die Radler, die jetzt schon bei Rot über die Kreuzung brettern.

Dietmar Johnen-Kluge

Spitze des Eisbergs

13. Oktober: „Koffer gestrandet – und nun? Geht Fluggepäck verloren oder kommt zu spät, ist das Urlaubsgefühl dahin. Doch Reisende können mit Umsicht vorbeugen“

Der Bericht über das Chaos am Hamburger Flughafen zeigt die Spitze eines Eisbergs. Im Hintergrund steht ein selbst geschaffenes Konstrukt aus Zuständigkeiten der Flughafenverwaltung, ihres (faktisch unerreichbaren) Subunternehmers AHS (zuständig für verlorenes Gepäck) und Zollverwaltung. Im Ergebnis: Man schiebt sich die definierten Zuständigkeiten gegenseitig zu mit der Folge, dass selbst Gepäckstücke, deren Existenz und räumliche Lagerung von Passagieren nachgewiesen werden können, nicht ausgehändigt werden. Zudem können einzelne Gepäckstücke aus dem berüchtigten Terminal Tango entnommen werden, ohne dass dies konsequent kontrolliert werden kann. (Der Autor war Augenzeuge!) Erschwert wird dies alles dadurch, dass in Hamburg Flugzeuge starten und landen können, deren Betreiber in Deutschland keine rechtliche Repräsentanz besetzen und somit gegen Schadenersatz-Forderungen (etwa bei Gepäck Verlusten) faktisch immun sind. Eine nicht funktionsfähigen Recherche-Software des Gepäckermittlers AHS krönt das Chaos.

Prof. Dr. Ekkehard Bechler

Das ist sozialer Sprengstoff

11. Oktober: „So soll die Gaspreisbremse funktionieren. Expertenkommission stellt Zwei-Stufen-Modell vor. Staat soll Kunden die Dezember-Rechnung zahlen“

Sozial unausgewogener hätte die Empfehlung des Gremiums für die erste Stufe der Soforthilfe wohl nicht ausfallen können. Der Begriff der „Gießkanne“, wie von einigen Beisitzern der Kommission in der Öffentlichkeit platziert, ist in diesem Zusammenhang schlicht eine Nebelkerze. Es entspricht eben nicht dem Prinzip der Gießkanne, diejenigen Haushalte am stärksten zu entlasten, welche entweder am wenigsten Energie einsparen oder denen überdurchschnittlich viel Wohnfläche pro Kopf zur Verfügung steht. Das Argument, dass in der Kürze der Zeit eine andere Lösung nicht möglich wäre, darf nicht gelten. Warum nicht eine „echte“ unbürokratische Gießkanne, welche diesen Namen auch verdient? Eine Einmalzahlung errechnet aus, dem durchschnittlichen Gasverbrauch eines Zwei-Personen Haushaltes für die Monate Oktober bis März, multipliziert mit dem durchschnittlichen Gaspreis für Haushaltsendkunden, Stand September 2022. Diese feste Summe wird im Dezember 2022 von den Versorgern pro Anschluss von der Abschlagszahlung subtrahiert und ggf. von der Hausverwaltung an die Mieter weitergereicht. Der Staat erstattet die Kosten direkt an die Versorger. Haushalte mit dem geringsten Einkommen, Vermögen oder Wohnfläche werden anteilig betrachtet am stärksten entlastet. Auch die Versorger hätten damit weniger Verwaltungsaufwand, sprich Kosten. Dafür braucht es keine sogenannte Expertenkommission, sondern fünf Minuten, einen Bierdeckel und wohl vor allem den Willen, den ärmsten Teil der Bevölkerung am stärksten zu unterstützen. Sollte die Regierung den Vorschlägen des Gremiums eins-zu-eins folgen, dann nährt sie genau den sozialen Sprengstoff weiter, welchen sie doch angeblich zu entschärfen versucht.

Carsten Gross

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