Langweilige Wahlprogramme?

17. Mai: „Hendrik Wüst – plötzlich Kronprinz der CDU. Der Wahlsieger aus Nordrhein-Westfalen rückt in der Partei in die erste Reihe auf. Eine spätere Kanzlerkandidatur ist nicht ausgeschlossen

Politiker neigen nach Wahlen dazu, die Ergebnisse in ihrem Sinne zu interpretieren. So auch Herr Wüst, der sich als klaren Wahlgewinner sieht. Sieht man einmal davon ab, dass die CDU nur in Prozenten zugelegt hat, nicht aber in absoluten Stimmen, so hat sie ja in den letzten fünf Jahren mit der FDP eine Regierung gebildet. Und dieses Bündnis hat 3,9 Prozentpunkte gegenüber 2017 eingebüßt. Rot-Grün dagegen hat 7,2 Prozentpunkte hinzugewonnen. Das als klaren Regierungsauftrag für die CDU zu bewerten, halte ich für verwegen. Da es für Rot-Grün nicht ganz gereicht hat, wäre jetzt eine Ampelkoalition die logische Folge. Und die einzige Chance der FDP weiter mitzuregieren, liegt ja auch in dieser Konstellation. Ob man das Ergebnis insgesamt bei einer Wahlbeteiligung von 55,5 Prozent hingegen als repräsentativ betrachten kann, ist ebenfalls fraglich. Offenbar empfanden die Wähler die teilweise austauschbaren Wahlprogramme als zu langweilig, um sich für eines davon zu entscheiden.

Peter Westendorf

Vortreten, wer es besser kann

17. Mai: „Olaf Scholz: Führung versprochen – aber auch geliefert?“

Warum hacken eigentlich alle ständig auf dem Bundeskanzler Olaf Scholz rum? Nach 16 Jahren Merkel-Regierung mussten und müssen die Bürger, und die neue Regierung erstmal umdenken und sich zusammen- und zurechtfinden. Corona ist noch nicht ausgestanden, Russlands Angriffskrieg mit all seinen Folgen bringt uns alle unvorbereitet in ganz neue, bisher unvorstellbare, persönliche Situationen. Olaf Scholz arbeitet, nicht nur qua Eid zum „Wohle des deutschen Volkes“. Er ist durch seine Art überzeugend und er macht seinen Job gut. Überlegt, abwägend und nicht so öffentlich wie andere Regierungsmitglieder, aber letztendlich effektiv und erfolgreich. Wer es besser kann, bitte vortreten, Verantwortung übernehmen und nicht nur kritisieren. Peter Stüve-Bernklau

FDP sollte Aufbruch mittragen

17. Mai: „Lindners Regierungstrauma. Nach dem Absturz bei der NRW-Wahl will sich die FDP stärker profilieren. In der Ampel droht Koalitionskrach“

Die FDP wäre gut beraten, sich nicht mit den anderen Koalitionären zu streiten und ihren Parteikurs durchzusetzen, wie schon seit Beginn der Koalition, sondern den Aufbruch und die Transformation mitzutragen und zwar auch handwerklich in den einzelnen Ministerien, die bislang im Koma zu sein scheinen. Da kämpft Habeck gegen seine Überzeugung für das Wohl des Volkes in einem totalitären Staat, um etwas Gas und Öl zu bekommen, und die FDP beharrt weiter auf „freie Fahrt für freie Bürger“ statt zu begreifen, dass da nur Lindners Porschetraum Platz hat und nicht der Bürger auf dem Lande.

Manfred Stöckling

Opfer der Stadtverwaltung

17. Mai: „Fast wie neu: Der älteste Paternoster der Welt. Ein Kunsthistoriker entdeckt zufällig den vergessenen Fahrstuhl im Flüggerhaus am Rödingsmarkt – bald kann er wieder genutzt werden“

Als ehemaliger Miteigentümer des historischen Sudanhauses in der Großen Bäckerstraße 13, freue ich mich sehr über die vollzogene „Denkwende“ zum Thema Paternoster. In den 1970er-Jahren musste mein Vater einen Kredit aufnehmen um (nach ewigem Streit mit dem Amt für Arbeitssicherheit) in das wunderschöne, historische Treppenhaus einen passgenauen Fahrstuhl für sechs Etagen einzubauen. Der Paternoster ging verloren. Nur einer von vielen, der den vollkommen überzogenen Sicherheitsvorkehrungen der Stadtverwaltung zum Opfer fiel. Nebenbei konnten wir Kinder unseren Freunden keine Gruselgeschichten mehr erzählen, wenn man oben oder unten an der letzten Etage nicht ausstieg (und dann im Kopfstand auf der anderen Seite wieder auftauchte), nein, es gingen auch noch etliche Arbeitsstunden, wartend vor dem neuen Fahrstuhl, verloren. Insgesamt ein Trauerspiel.

Peter Wolff

Senat lebt auf Kosten anderer

16. Mai: „Beamte erzürnt über 230-Millionen-Angebot. Gewerkschaften kritisieren Entwurf des Senats für angemessene Bezahlung von Polizisten, Lehrern und Feuerwehrleuten – und stellen Forderungen“

Was erwartet eigentlich eine Gewerkschaft, die bei Gehaltsverhandlungen schon immer für strukturelle Verbesserungen, sprich Beförderungen für einige Wenige, auf wertvolle und nachhaltige Prozentpunkte ihrer Gehaltsforderungen verzichtet hat, von einem angeblich sozialdemokratischen Senat, der sich selbst eine 15-prozentige Gehaltserhöhung gönnt (natürlich, weil er weit unterhalb der Armutsgrenze dahinvegetiert) und auch nach Eingeständnis und gerichtlich festgestellter Verletzung seiner Alimentationspflicht schon wieder den alten Weg einer nicht nachhaltigen Einmalzahlung gehen möchte? Dieser Senat spart, wie immer, auf Kosten seines Personals. Und in letzter Zeit am liebsten bei den Ruheständlern, denn die können sich kaum wehren, weil ihnen die Zeit davon läuft. Aber mit Glück schlägt denen der Ärger ja auf die Gesundheit und verkürzt so die Zahllast an diese nicht systemrelevante aber kostenträchtige Personengruppe.

Jürgen Klaucke

Die Kluft wird immer größer

Ich kann es nicht mehr hören und mag es nicht mehr lesen, dass es dem Berufsbeamtentum so schlecht gehen soll. Die DGB-Gewerkschaften setzen sich auf der einen Seite für das Berufsbeamtentum ein und verschweigen auf der anderen Seite, dass sie das Absenken des Gehaltsniveaus bei den Tarifbeschäftigten um ein Viertel (manche sprechen auch von einem Drittel) selbst mit herbeigeführt haben. Mit dem Wechsel vom „Bundesangestellten-Tarifvertrag“ (BAT) zum „Tarifvertrag der Länder“ (TV-L) Ende 2005 wurde allen Tarifbeschäftigten bis dahin gezahlte Zulagen gestrichen. Versprochen war ein Ausgleich durch sogenannte „Leistungszulagen“, die bis heute nicht eingeführt worden sind. Da von den Gehaltskürzungen nur neu eingestellte Tarifbeschäftigte betroffen waren und sind, blieb hier der große Aufschrei aus. Dafür wird die Kluft zwischen den Tarifbeschäftigten und dem Berufsbeamtentum immer sichtbarer. Gerade in den technischen Berufen ist der Fachkräftemangel auch auf diese Tarifpolitik zurückzuführen. Alles mit Wissen und Wollen der DGB-Gewerkschaften.

Dr. Jan Hendrik Kolberg

Fünf Millionen Euro sparen

16. Mai: „#EmiliaFester: ,Dann opfer’ doch deine Jugend‘. Die Hamburger Grüne ist die jüngste Bundestagsabgeordnete. Eine Äußerung macht deutlich: Sie ist noch zu unreif für den Job“

Für die Wahlen zum Deutschen Bundestag bestehen derzeit 298 Wahlkreise. Demzufolge dürfte es nur 298 Abgeordnete geben, denn die Wahl ist laut Art. 38 GG eine direkte („unmittelbare“). Der Bundestag 2021 zählt aber 736 Abgeordnete, was ihn zum größten Parlament weltweit macht. Zu der Zahl der direkt gewählten Abgeordneten übersteigenden Parlamentarier – es sind 500 – gehört auch die überforderte Frau Fester. Sie sind über die sogenannte Zweitstimme, d. h. die von den Parteien aufgestellten Landeslisten ins Parlament gelangt und mithin nicht direkt gewählt. Ja, aber wir haben doch das Verhältniswahlrecht? Dem ließe sich mühelos und zudem kostengünstig dadurch Rechnung tragen, dass man die Anzahl der Zweitstimmen nicht personifiziert, sondern, vergleichbar der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, als schiere Zahl dem Fraktionsführer der jeweiligen Partei zur Verfügung stellt. Fünf Millionen Euro gespart!

Hans-Otto Schulze