Armutszeugnis der Diplomatie

5./6. März: Hamburger KRITIken: „Die verlorene Ehre des Gerhard Schröder. Der Altkanzler schweigt verstockt und wird zum Problem – dabei könnte er in diesem Krieg vielleicht noch vermitteln

Unwichtig ist, was unser Altkanzler tut bzw. nicht tut. Auch Frau Merkel ist Geschichte, über deren Ehre oder Versagen wird die Nachwelt befinden. Was jetzt im wahrsten Wortsinne überlebensnotwendig ist, sind Lösungen, die es einem Putin und einer Nuklearmacht wie Russland ermöglichen, ohne totalen Gesichtsverlust aus der von ihm angezettelten Katastrophe in der Ukraine herauszukommen – nicht weil man ihm verzeihen möchte, sondern um die Menschheit vor einem drohenden Nuklearschlag zu bewahren. Befeuernde westliche Rhetorik, sowie menschlich verständliche Forderungen aus der Ukraine als auch Sanktionen gegen die gesamte, unschuldige russische Bevölkerung münden unweigerlich in eine unkalkulierbare Pokerpartie und sind damit ein erschreckendes Armutszeugnis jeglicher diplomatischen Intelligenz. Druck erzeugt unweigerlich Gegendruck. Wir werden mit Moskau einen Modus Vivendi finden müssen, je eher, umso mehr Menschenleben werden gerettet. Sanktion ersetzt keine Diplomatie – hat denn unsere in den letzten Jahren so friedensbewegte Gesellschaft in der letzten Woche alles vergessen, was bis zum 24. Februar galt und uns viele Jahrzehnte Frieden beschert hat? Es gilt nicht nur der Appell an Putin, den Krieg zu beenden, es gilt diese Forderung auch genauso an unsere Entscheidungsträger verbal abzurüsten und bei aller Wut und Trauer lösungsorientiert zu denken und zu handeln. Verbale Kraftmeierei mag gut ankommen und auch gut tun, ist aber nie zielführend, und schon gar nicht bei einem angezählten Despoten. Dafür ist das Risiko zu groß.

Michael Wiedemann

Nur Kritik üben, ist zu simpel

Matthias Iken hat heute im Abendblatt praktisch wortgleich meine Gedanken zu Papier gebracht: Merkel und Schröder könnten vermitteln und so vielleicht etwas bewegen bei Herrn Putin, da man ja an ihn nur sehr schwer heranzukommen scheint. Dies ist doch einen Versuch wert inklusive Imageaufbesserung, weil beide ja zurzeit gerade hart kritisiert werden. Nur dieses Bashing zu betreiben, ist mir zu simpel und wird der Gefahrensituation nicht gerecht. Danke für Ihren Beitrag!

Lothar Borck

Jede Möglichkeit ausschöpfen

Weder von Scholz, Macron, Biden noch Erdogan lässt sich Putin beeinflussen. Auch Schröder würde diesen Despoten nicht erreichen. In einer Situation, in der durch unsinnigen Krieg Menschen, für alle sichtbar, vernichtet werden, muss jede Möglichkeit zu einer Beendigung ausgeschöpft werden. Tagelang und unabhängig voneinander, haben meine Frau und ich an Merkel gedacht. Wenn zwei das gleiche denken, kann es doch gar nicht so abwegig sein. Scholz sollte Merkel einschalten, weil er Angela Merkel respektiert hat. Scholz würde in die Geschichte eingehen, weil er mit diesem Schritt, ganz gegen parteiliche Erwägungen, zum Frieden beigetragen hat. Nicht seine Regierungsgewalt, sondern seine Weisheit würde in die Geschichtsbücher eingehen. Sogar eine Wiederwahl wäre ihm, zum Leidwesen der Union, gesichert. Aber für den Weltfrieden muss uns jeder Weg Wert sein.

Ludwig Bohn, Glinde

Freiheit durch Unabhängigkeit

4. März: Leitartikel: „Europa steht zusammen. Die sonst in der Flüchtlingspolitik zerstrittene EU zeigt sich endlich solidarisch“

Der Krieg in der Ukraine, und die damit verbundene Explosion unser Energiepreise hat uns deutlich gemacht, wie gefährlich es für unsere Freiheit und unseren Wohlstand ist, wenn man sich von autokratisch geführten Ländern abhängig macht. Den gleichen Fehler begehen wir übrigens gerade mit dem ebenfalls autokratisch geführten China. Hier besteht eine große ökonomische Abhängigkeit, die uns über kurz oder lang ebenfalls auf die Füße fallen wird. Es ist wirklich höchste Zeit, dass wir die Schlüsselindustrien zurückholen, außerdem den Know-how-Transfer nach China stoppen und somit aufhören, China stark zu machen. Sonst werden wir auch das bald schon bereuen.

Kai Schmidt, Norderstedt

Ich schäme mich

Es ist traurig, dass bestimmte europäische Länder, ausgehend von 27 Staaten der EU, solche Unterschiede machen, welche Flüchtlinge sie aufnehmen. Das soll mir sagen, Flüchtlinge, die aus meiner Nähe kommen, haben ein ähnliches Aussehen und eine ähnliche Sprache. Flüchtlinge die aus Gebieten wie Syrien, Afghanistan, Eritrea usw. sind uns suspekt aufgrund ihres Glaubens und ihres Aussehens, die können wir ruhig ausgrenzen, außerdem sind ja Länder da, die uns die „Arbeit“ abnehmen. Fazit: Ich schäme mich weiter als Bürgerin von Europa eines solchen Verhaltens der Flüchtlingsaufnahme.

Beate Hardenack, Glinde

Was für eine Doppelmoral

Ich begrüße den Leitartikel von Christian Unger. Die Ereignisse in der Ukraine sind grausam, wir, die im Krieg geborene Generation, können nachvollziehen, welches Leid dort in der Bevölkerung durch die Machenschaften von Putin entsteht und entstehen wird. Das willkürliche Besetzen der Ukraine zeigt aber andererseits auch die Ohnmacht des Westens, sich gegen den Diktator Putin zu wehren. Die Anteilnahme der östlichen, europäischen Länder, die Aufnahmeprogramme von Flüchtlingen, zeugen von viel Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft. Wodurch ist das begründet? Vehement haben diese Länder Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan abgelehnt. Wir haben Migranten an den Grenzen von Polen und am Mittelmeer zurückgedrängt, ohne jegliche Anteilnahme am Schicksal dieser Menschen. In Belarus waren vor der polnischen Grenze 2500 Menschen, sind vielleicht immer noch dort, denen der Eintritt verwehrt wird. Was ist das für eine Doppelmoral? Begründet sie sich darin, dass diese Staaten nunmehr zur Aufnahme bereit sind, weil sie ebenfalls einen Einmarsch der russischen Truppen befürchten? Aber auch die Medien verpassen es, immer wieder auf die furchtbaren Zustände auf den griechischen Inseln hinzuweisen, auf die gewalttätigen Rückführungen aufs Mittelmeer, auf die Situation in Nord-Syrien und die elendige Situation durch die Taliban-Herrschaft in Afghanistan. Herr Unger hat so Recht, es gibt nicht Flüchtlinge erster und zweiter Klasse. Ich hoffe, dass wir auch diese Menschen nicht im Stich lassen, und dass Europa sich endgültig auch um diese Menschen kümmert.

Gerhard Ahrens, Bad Oldesloe

Falsche Anreize

3. März: „Hamburgs Schuler dürfen heute gegen Krieg protestieren. Senator ruft Schulen auf, die Teilnahme zu ermöglichen. Tausende zu Demos erwartet“

Der Hamburger Schulsenator Rabe hat heute allen Schüler, die gegen die russische Invasion demonstrieren, schulfrei gegeben. Grundsätzlich ist das ein gutes Ansinnen, aufzustehen und ein Zeichen gegen den Krieg zu setzen, laut und vielstimmig gegen den russischen Friedensbruch auf die Straße zu gehen. Aber die Bevölkerung mit Anreizen hierzu aufzufordern, Meinungen zu äußeren, ist genauso wie Meinungen zu unterbinden, die wir nicht hören wollen, indem wir diese Personen, wie den in München entlassenen Chefdirigenten Waleri Gergijew aus unserem öffentlichen Leben entfernen. Dieses sind Vorgänge, die wir in totalitären Systemen anprangern und im eigenen Land Gott sei Dank hinter uns gelassen haben. Wir sollten klug genug sein, nicht die eigenen moralischen Grenzen zu verschieben oder gar zu überschreiten, die wir uns selbst gesetzt haben. Auch nicht angesichts dieser abscheulichen und infamen Feindseligkeit. Denn das ist Teil unserer Demokratie, die wir hier und heute zu Recht verteidigen.

Hans-Jürgen Ohlerich