Was kommt danach?

1. März: „Wie gefährlich ist Putins Atomdrohung? Der Befehl, die russischen ,Abschreckungskräfte‘ in Alarmbereitschaft zu versetzen, hat im Westen Nervosität ausgelöst. Experten warnen vor Panik“

Dass die russische Armee ihre Eroberungsziele erreichen wird, steht wohl fest, angesichts der gewaltigen Übermacht und der aktuellen Verstärkung der Offensive. Aber was kommt danach? Mir ist schleierhaft, wie Putin sich die Ordnung in der Ukraine nach dem Waffengang vorstellt. Glaubt er, dass sich die Verwaltung oder die Polizeikräfte einem von Moskau installierten Regime fügen werden? Das hatten sie bereits in der Vergangenheit erfolgreich verhindert. Und für eine dauerhafte Besetzung des Landes reichen die Mittel der Russen nicht aus. Auch die Sanktionen werden ja so lange beibehalten werden, bis der Zustand wie vor dem Krieg wieder hergestellt ist. Die Folge wird also ein langer und verlustreicher Partisanenkrieg sein. Ob die russische Bevölkerung das gleichgültig lässt, darf bezweifelt werden. Und angesichts der sich verschlechternden ökonomischen Situation in Russland und der weitgehenden Isolation wird auch die Unzufriedenheit wachsen. Ich habe den Eindruck, dass Herr Putin sich gewaltig verzockt hat, daher ja auch die unverhohlene Drohung mit Atomwaffen.

Peter Westendorf, Hamburg

Frieden schaffen ohne Waffen

1. März: Leitartikel: „Russland – mehr als Putin. Binnen weniger Tage ist viel Vertrauen zerstört worden. Wir müssen Kontakt halten“

Dank an Matthias Iken, der wieder einmal zu Besonnenheit und Deeskalation aufruft. Ja, Putin ist alleinverantwortlich für diesen Angriffskrieg. Aber der Westen trägt eine Mitschuld, dass diese zugespitzte Situation erst eingetreten ist. Warum hat sich die Nato im vergangenen Jahr keinen Millimeter auf die Gegenseite zubewegt und über eine Neutralität der Ukraine als Ausgangspunkt für eine gesamteuropäische Friedensordnung verhandelt, wie es nach 1990 alle Staaten in Europa angestrebt hatten? Die Nato hat die Grunderkenntnis ignoriert, dass „Frieden in Europa nur mit Russland und nicht gegen Russland“ möglich ist. Dagegen hat die Nato in den vergangenen Jahren wiederholt versucht, sich über die Mitgliedschaft der Ukraine und damit erneute „Osterweiterung“ bis an die russische Grenze auszudehnen. Zum Glück hatten sich Deutschland und Frankreich dem bisher widersetzt. Wo ist diese Vernunft in den letzten Monaten geblieben? Warum schlägt man jetzt nicht vor, über eine Neutralität der Ukraine zu verhandeln, wenn Putin sofort die Truppen zurückzieht? Das wäre der schnellste Weg, damit die Waffen schweigen und das Leid der Menschen enden würde. Stattdessen liefert der Westen noch mehr Waffen, was nach allen Erfahrungen noch länger Krieg und noch mehr Leid der Bevölkerung bedeutet. Wie kann man in dieser Situation 100 Milliarden Euro für noch mehr Rüstung und Angriffswaffen ausgeben, anstatt diese Gelder für den zivilen Aufbau und gegen die drohende Klimakatastrophe zu nutzen? Wo ist der uralte Grundsatz der Friedensbewegung geblieben „Frieden schaffen ohne Waffen“?

Albert Scherer, Hamburg

Wer gehört zu den Verlierern?

Im Deutsch-Russischen Forum bauen die Ehrenamtlichen seit einem Vierteljahrhundert segensreiche und tragfähige Brücken gen Russland. Vor genau 30 Jahren lief die Solidaritätsaktion für Russland – die Amerikaner starteten eine Luftbrücke. Wir in Billstedt werden im Mai 2023 eine Schulpatenschaft mit Sankt Petersburg beginnen. Wer wird denn am Ende dieses unseligen Kriegs mit zu den Verlierern gehören? Unsere russischen Schwestern und Brüder, die auch weiß Gott gern eine andere Nachrichtenlage erleben würden; die vielen Schülerinnen und Schüler in Russland, die gewiss auch ein Anrecht darauf haben, dass ihnen unsere Welt offensteht; die Kleinbäuerin im fernen Osten Russlands, die in ihrer täglichen Armut kaum etwas mitbekommt von den Ereignissen an der russischen Westgrenze. Gerade jetzt ist jedes tägliche Bemühen um deutsch-russische Freundschaft vonnöten. In meinen Augen erschließen sich deshalb manche Sanktionen nicht, auch nicht diejenigen der FIFA: Es werden jetzt kollektiv „alle Russen“ dafür bestraft, dass ein Präsident Krieg führt? Stattdessen sollten doch alle Kräfte in Russland gestärkt werden, damit die dortige Demokratiebewegung nicht erlahmt! Und was kaum jemand benennt: Es ist ja auch Vertrauen zerstört worden. Wann werden wir wieder dem ehrlichen Dialog Glauben schenken können?

Felix Evers, Hamburg

Sprachcolts bitte einstecken!

Schon lange geht mir die öffentlich geäußerte Doppelmoral und wohlmeinende Hetze in unserem noch christlich geprägten Land einfach zu weit. Mit diesem PC-Verhalten, das einige „Super-Moralisten“ aufzeigen, wird unserer eigener gesetzlich geschützter Anspruch auf freiheitliche Meinungsäußerung zunehmend unterminiert. Das moralinsaure, arrogant daherkommende Fingerzeigen auf Andere, ist einfach schäbig. Viele in unserer Gesellschaft schaffen ein Weiterkommen auch nur mit Unterstützung einflussreicher Leute. So läuft die Welt! Das ist in einer Autokratie respektive Diktatur, wie sie sich in Russland ausbildet, nicht anders. Haben wir vergessen, wie viele unserer Landsleute in der vergangenen DDR sich ähnlich verhalten mussten, um weiterzukommen? Diese selbst ernannten „Moral-Sheriffs“ sollten ihre „Sprachcolts“ ganz schnell einstecken. Sie könnten zum eigenen Bumerang werden.

Dorothee Kortmann

Fehler innerhalb der Politik

Krieg, egal mit und von wem auch immer ist zu verurteilen. Jedoch sei die Frage erlaubt, was westliche und deutsche Politiker unterlassen oder falsch gemacht haben, um den Frieden zu erhalten. Denn: Es gab ein Leben vor der Eskalation. Und weiter: Der Einsatz von Waffen hat bisher keinen Frieden geschaffen. Vielmehr gab es Tote, auch in der Zivilbevölkerung. Dies sollten alle bedenken, die schärfere Maßnahmen – gegen wen auch immer – fordern.

Dirk Sturmfels

Mehr Anerkennung verdient

26./27. Februar: „So ,blank‘ ist die Bundeswehr wirklich. Deutschland will die Nato-Ostflanke verstärken. Doch bei der Armee ist an allen Ecken und Enden Reformbedarf. Mit Geld allein ist es nicht getan“

Die überfällige Diskussion um die Erhöhung des Wehretats ist wichtig, aber sie ist nicht ausreichend. Dabei steht es außer Frage, dass Waffen, Munition und Ausrüstung der Bundeswehr deutlich verbessert und verstärkt werden müssen. Mindestens ebenso bedeutsam ist aber eine Klärung der Frage, ob die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland bereit ist, das Land und seine Werte ernsthaft zu verteidigen. Zweifel sind leider angebracht. Die Soldaten der Bundeswehr werden nur dann gelobt, wenn sie Aufgaben erfüllen, die nicht zu ihrem Kernauftrag gehören, wie Deiche schützen oder wie jüngst bei der Corona-Pandemie helfen. Der Dank aber für gefährliche Kampfeinsätze wie in Afghanistan oder Mali, in die sie Regierung und Parlament geschickt haben, wirkt oftmals wie eine Pflichtübung und die gesellschaftliche Anteilnahme ist gering. Öffentliche Vereidigungen werden als Militarisierung der Gesellschaft bezeichnet und Soldaten scheuen sich oftmals, Uniform in der Öffentlichkeit zu tragen, weil sie beschimpft oder verspottet werden. Die Erklärung für dieses Verhalten mit der deutschen Geschichte ist 77 Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges auch nicht zwingend. Der Beruf des Soldaten soll nicht wie im Kaiserreich zum ersten Stand im Staate erhoben werden, aber mehr Anerkennung haben unsere Soldatinnen und Soldaten verdient. Denn sie üben ihren gefährlichen Beruf ganz überwiegend mit großem Engagement aus. Sie dienen Deutschland, wie das Motto der Bundeswehr zutreffend heißt. Ohne diese gesellschaftliche Akzeptanz und Unterstützung genügt auch eine bessere Ausrüstung nichts.

Reinhard Wagner, Hamburg