Wir durften in Frieden leben

26. Februar: „Herausgerissen aus allen Träumen. Der Angriff auf die Ukraine zeigt, wie weltentrückt wir Deutschen es uns im Wolkenkuckucksheim gemütlich gemacht haben“

Wolkenkuckucksheim? Weltabgewandtheit? Nein, ich kann nicht bestätigen, dass ich in diesem Bewusstsein gelebt habe. Ich habe ganz normal als Nachkriegskind nach den Möglichkeiten und Gegebenheiten unseres Landes gelebt. Ich war, wie so viele, politisch nicht aktiv, bin aber stets wählen gegangen, und habe in gewisser Weise vorausgesetzt, dass die hoch bezahlten Politiker nebst Beratern und Geheimdienst die Lage der Nation in Bezug auf mögliche Friedensgefährdungen im Griff haben. Viele Jahrzehnte hat das ja auch funktioniert, ich durfte also an Frieden glauben. Nun beginnt plötzlich ein scheinbar Verrückter einen anscheinend völlig unerwarteten Krieg mitten in Europa, und wir werden aus einem Traum gerissen? Ich wurde nicht aus einem Traum gerissen, sondern in der Demut über mein gutes und sicheres Leben darauf aufmerksam gemacht, dass unsere Politiker offensichtlich arrogant und ignorant, möglicherweise sogar weltfern gehandelt haben. Wie konnten sie mit all ihren Kenntnissen Putin und seine Interessen nicht längst ernst genug nehmen?

Doris Wolff

Kultur und Werte

25. Februar: „Ukraine-Krieg. Wie geht Hamburgs Kultur jetzt mit russischen Künstlern um?“

„Alle Menschen werden Brüder, wo Dein sanfter Flügel weilt!“ So erklingt es in der Neunten Sinfonie von Beethoven. Wenn ein Mensch, der mit einem Diktator paktiert, solches als Künstler aufführt, empfinde ich das als ausgesprochen zynisch, als unglaublich „die menschliche Seele beschmutzend“. „Brüderlichkeit?“, entdeckt Frau Netrebko bei ihrem Freund Putin wohl einen „Hauch von Brüderlichkeit“? „Sanfter Flügel?“ Wie passt „Krieg“ zu „sanft“? Putin ist exakt das Gegenteil von all diesen Dingen, die in sehr vielen Werken erklingen! Singt man solche Worte wohl als Hülle? Es lässt mich geradezu jetzt erschaudern! Und wir tragen so etwas gerade im Kulturbereich mit? Es ist wohlgemerkt kein wirtschaftliches Problem, mir geht es auch nicht um Politik - es geht um die Besudelung unserer Kultur, unserer Werte, um Ethik, um das, was den Menschen ausmacht! Kann man Kunst wirklich nachspüren, wenn der Künstler im Privaten die Werte nicht so ernst nimmt? Und wir schieben dies weg, weil solche Stars Häuser und Kassen füllen? Beschämend! Auch Schweigen ist eine Zustimmung, Frau Netrebko! Sie waren sehr politisch, als Sie mit Fahne 2014 dem Separatistenführer die Vorgehensweise Putins goutierten. Jetzt zu tun, als ob man „unpolitisch sei“, ist eine billige Ausrede. Wenn die Eliten Abstand nähmen, die Putin für seinen Glanz benutzt, dann wäre auch schon sehr viel gewonnen: für das ukrainische Volk eine kleine Solidaritätsbekundung.

Mette Larsen

Zeichen setzen!

Es wäre schon ein deutliches Zeichen aller Kulturschaffenden, Putin-freundlichen Kollegen die Tür zu weisen. Es sei denn, sie gäben Benefizkonzerte zugunsten der schuldlos leidenden ukrainischen Bevölkerung. Auch eine Netrebko, ein Gergiev und Co. sind ersetzbar durch wunderbare andere Künstler aus der demokratischen Welt, wir brauchen solche Leute nicht! Und niemand ist so einmalig, dass alles entschuldigt werden sollte.

Maria Leykum - Geuer

Blauäugige Energiepolitik

24. Februar: „Unsere Energiepolitik ist unrealistisch. Ausstieg aus der Kohle, Ausbau der Windkraft, Abkoppelung vom Erdgas – so einfach ist das alles nicht.“

Herr Lahnstein hat mit seiner Kritik an der deutschen Energiepolitik recht, nur sind die Einsichten schon lange vorhanden. Fachleute haben schon lange vor der in unserem Lande blauäugig betriebenen Energiepolitik gewarnt. Der Krieg in der Ukraine verdeutlicht das Problem nur und rückt es stärker ins Bewusstsein weiter Bevölkerungskreise. Wir haben über die Jahre unsere „Unabhängigkeit“ in der Energiepolitik aufgegeben. Dem Ziel, das Klima zu retten wurde in einem letzten Schritt alles untergeordnet. Kein politisch Verantwortlicher hat sich getraut, die drohenden Konsequenzen, aus Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen, auszusprechen. Wir schalten planmäßig eine grundlastfähige Anlage (egal ob Kern- oder Kohlekraftwerk) nach der anderen ab, ohne dafür rechtzeitig einen gleichwertigen Ersatz zu installieren – was hieße, die alten Anlagen gingen erst vom Netz, wenn die neuen gleichwertigen Anlagen zur Verfügung stünden. Wir gehen aber den umgekehrten Weg. Es wird schon mal abgeschaltet in der Hoffnung, dass neue Technologien rechtzeitig (wann auch immer das sein wird) zur Verfügung stehen. In der Zwischenzeit beziehen wir Kernstrom aus Frankreich und Kohlestrom aus Polen. In der jetzigen Situation auch nur einen grundlastfähigen Block vom Netz zu nehmen ist nicht nur blauäugig sondern verantwortungslos. Wenn sich die Situation in der Ukraine nicht schnell „entspannt“, laufen wir in eine Energieknappheit hinein. Unsere europäischen Partnerländer werden ihre Energie selber brauchen. Ob für uns da noch etwas übrig bleibt?

Werner Berndt