Über den Tellerrand denken

Fr., 22. Januar: Kolumne: „Lasst die Tassen und die Nazikeule im Schrank“

Zum wiederholten Male unternimmt Matthias Iken an dieser Stelle den löblichen Versuch, den Protagonisten der sich gegenüberstehenden Lager einen Spiegel vorzuhalten, um ihnen ihr hirnloses, ja fast neurotisch zwanghaftes Agitieren deutlich zu machen. Der Erfolg bleibt aus, im Gegenteil, man hat den Eindruck, dass weite Teile der veröffentlichten Meinung und der Politik diese Spaltung mit Genuss befeuern, um darauf ihr eigenes Narrativ weiter zu festigen. Analysiert man diesen Zustand völlig emotionslos, so stellt sich die Frage, ob Demokratie mit diesen Zeitgenossen noch eine Zukunft hat und die zeitgemäße Staatsform darstellt! Wer nicht mehr selbstständig denken kann oder will - Leerdenker -, wer nicht mehr streiten will oder andere Meinungen anerkennt, sondern stattdessen nur mit Schablonen im Hirn unterwegs ist, der wird schnell zum Totengräber der Demokratie; dabei postulieren doch unisono die Vertreter beider Seiten lupenreine Demokraten zu sein. Vielleicht einfach mal über den eigenen Tellerrand hinausdenken - wenn es denn noch geht und man nicht total aus der Übung gekommen ist.

Michael Wiedemann

Zeichen der Zeit erkennen

22. Januar: „Bauprojekte Hamburg. Schon wieder eine große Fällaktion im Bezirk Altona“

30 Bäume auf dem Alsenplatz sollen günstigem Wohnraum für Haspa-Azubis weichen (kann man den nicht woanders schaffen?), mehrere Bäume am Neuen Pferdemarkt einem Bürogebäude (wer braucht die noch?), und für den Schulcampus an der Struenseestraße wurden 100 Bäume gefällt, die nicht ersetzt werden müssen (könnte man ja auch freiwillig tun). Folgen: Wertvolle grüne Oasen mitten in der Stadt gehen verloren - die Lebensräume für zahlreiche Kleintiere sind, Abkühlung gegen die auch bei uns zunehmende Hitze schaffen, Flächen für Versickerung von Niederschlagswasser bieten und die Lebensqualität in der eh schon viel zu grauen Stadt erhöhen. Ich frage mich: Haben die Investoren und Politiker (rot-grün!), die diese Projekte umsetzen wollen und abgesegnet haben, eigentlich immer noch nicht begriffen, was die Stunde geschlagen hat - oder ist es ihnen schlichtweg egal?

Elisabeth Meyer

Protest an falscher Stelle?

Ohne eine Abkehr vom Leitbild der autogerechten Stadt der Nachkriegsjahre sind die ökologischen Ziele, ist der Klimaschutz nicht umsetzbar. Der Protest der Baumschützer ist für mich daher nur bedingt nachvollziehbar. Insbesondere am Alsenplatz verstehe ich den Widerstand nicht. Langfristig wird mit dem Neubau eine Autoschneise wieder zu einer Stadtstraße für Menschen. Die wenigen Bäume, die weichen müssen, werden an anderer Stelle ersetzt. Hier teile ich die Meinung der grünen Bezirksamtsleiterin. Was mich aktuell bewegt ist, warum die Aktivisten die Tunnel-Pläne der Deutschen Bahn nicht öffentlich thematisieren. Dieses Projekt könnte die Qualität des ÖPNVs in Hamburg deutlich verschlechtern. Wie viele Bäume gefällt und Häuser abgebrochen werden müssen, um die ICE-Schnellstraße durch die Hamburger Kernstadt führen zu können, ist derzeit unklar. Wo bleibt da der Protest?

Markus Erich-Delattre

So entsteht kein Mehrwert

21. Januar: „Stadt bekommt neuen S-Bahn-Tunnel.“

Senat und Bahn scheinen sich schon für den Verbindungsbahn-Entlastungstunnel (VET) entschieden zu haben, obwohl es eine Alternative gibt, die das Problem besser löst: eine zweite, westliche Elbquerung für die Bahn. Die Fernbahnstrecke zwischen Harburg und Holstenstraße ist voller Engpässe. Der VET löst einen wichtigen Teil davon, bringt jedoch allein wenig Mehrwert, solange die anderen Engpässe bestehen. Zudem wird Hamburgs Abhängigkeit vom Hauptbahnhof dadurch noch verstärkt. Eine westliche Elbquerung für S-Bahn und Fern-/Regiobahn umfährt diese Engpässe und schafft nicht nur mehr Kapazitäten, sondern neue Verbindungen. Sie schafft eine wichtige Rückfallebene zu der immer noch einzigen Bahnelbquerung bei den Elbbrücken. Senat und Bahn dürfen sich nicht auf einen Gewinner festlegen, sondern müssen ergebnisoffen alle Varianten prüfen.

Arturo Alfonso

Ist schon Karneval?

22. Januar: „Hamburg nutzt Luca-App nicht mehr.“

Dieser Dilettantismus der Behörden und der Politik ist unbegreiflich. Unfähig zu kommunizieren, unfähig, funktionierende Werkzeuge zur Verfügung zu stellen (Luca ist ja offensichtlich nicht funktionsfähig). Einsetzung einer 2G+ Regel, obwohl die Testkapazitäten am Anschlag sind. Entzug des Impfstatus für Johnson&Johnson Geimpfte, ohne diese zu informieren. Und die Polizei geht gegen vermeintliche Verstöße gegen die nicht funktionierende Luca-App vor. Man möchte meinen, es sei schon Karneval.

Jörg Ökonomou