Patienten sind die Verlierer

13. Januar: „,Krankrechnen‘ als illegale Masche? AOK-Chefs im Verdacht, Ärzte zu schwereren Diagnosen aufgerufen zu haben.“

Ich habe Zweifel, dass es hier wirklich zu einer Verurteilung kommen wird. In jedem Fall ist das „Upcoding“, zu dem die AOK die Ärzte drängen wollte, nur die Spitze des Eisbergs. Allerdings hat dieses Vorgehen uns Ärzte damals sehr empört. Die Damen von der AOK, die an der Rezeption unserer Praxis darum baten, mit mir darüber zu sprechen, habe ich gar nicht erst in die Praxis gelassen. Der eigentliche Skandal besteht darin, dass die Politik künstlich einen Wettbewerb der Krankenkassen inszeniert hat. Dafür gibt es keinen guten Grund, da alle Kassen die gleichen Leistungen anbieten – mit Ausnahme derjenigen, die als „Marketing“ verbucht werden. Gleichzeitig gibt es einen Risikostrukturausgleich, in dem die Folgen des vorher mühsam eingerichteten Wettbewerbs wieder eingedämmt werden sollen. Aus diesem Risikostrukturausgleich erhalten Kassen, die wie die AOK zu den Verlierern gehören, Zuschüsse. So werden sie nachträglich doch wieder zu Gewinnern. Das Ganze hat dabei sehr negative Auswirkungen auf die Arbeit der Ärzte und die Behandlung der Patienten. Denn Krankenkassen konkurrieren vor allem um zwei Dinge: Möglichst viele gesunde und junge Patienten zu haben und von den Kranken möglichst nur die mit den richtigen „Codes“. Das hat zur Folge, dass für den Unfug eines künstlich eingerichteten Wettbewerbs Ärzte einen wesentlichen Teil ihrer Zeit mit dem „Codieren“ von Diagnosen verbringen müssen. Pro Patient gehen dabei ein bis zwei Minuten drauf. Wenn ein Arzt 60 Patienten am Tag behandelt, sind das ein bis zwei Stunden. Diese Zeit fehlt in der Patientenversorgung. Jeder Patient leidet daher unter dem Wahn des „Codierens“. Leider kann die Staatsanwaltschaft dagegen nichts unternehmen. Darum müssten wir uns schon als Bürger kümmern.

Dr. med. Matthias Soyka

Dann müssten viele zahlen

13. Januar: „Leserbrief von Dieter Buchholz ,Ungeimpfte zur Kasse bitten‘“

„Ungeimpfte können davon ausgehen…, dass ihnen über unser Gesundheitssystem die nötige Hilfe zuteil wird.“ (Zitat Ende) Genau so sieht es in unserem solidarisch geprägten Gesundheitssystem aus: Diese hält auch Hilfen für adipöse (fettleibige) Menschen, Suchtpatienten, HIV-Patienten, Skiunfallopfer vor. Bei all diesen Personen könnte man davon ausgehen, dass sie selbst Verantwortung für ihre Erkrankung tragen (der Skifahrer könnte auf das Skifahren verzichten, da er eventuell verunfallt und zum jahrelangen Komapatienten wird, der Adipöse könnte sich einer Therapie unterziehen, bevor er durch seine Folgeerkrankungen das Gesundheitssystem schädigt usw.) – tut man aber nicht. Eine „erhebliche Selbstbeteiligung“ wird vom Leserbriefschreiber gefordert? Dann bitte auch für Adipöse, Süchtige und Skifahrer! Und dann bitte auch eine Selbstbeteiligung der Patienten, die durch das Rauchen an einem Lungenkarzinom erkranken… (ironisch gemeint).

Ulrike Schadow-Jäger, Ärztin

Endlich Klartext

Endlich wird das Kind beim Namen genannt. Viel zu lange wurden die Ungeimpften mit anderen Erkrankten, die dringend einen OP-Termin zum Überleben brauchten und brauchen, gleichgesetzt oder sogar wegen der Dringlichkeit bevorzugt behandelt

Horst Raczkowski

Erstaunliche Auswüchse

12. Januar: „Geschlechtergerechtigkeit durch Gendern? Bürger*innenschaft oder Bürger*innenmeister*inwahl – wohin das neue Sprechen führen könnte“

Der Gender-Wahn macht wieder einmal deutlich, dass es einer Minderheit gelingt, ihr Anliegen einer Mehrheit aufzuzwingen. Die Auswüchse dieser Tendenz sind täglich in den Medien zu erleben. Dabei schoss das Magazin inkultur der Volksbühne diesmal den Vogel ab :„Nessi Tausendschön, eine echte Platzhirschin und regelmäßige Gästin....“ War die Assoziation Platzhirschkuh vom Verfasser gewollt? Das kann ich nur mit schallendem Lachen quittieren.

Maren Müller-Wisch

Ideologie statt Argumente?

11. Januar: „Hamburger Hochbahn. Verschleppt der Senat den Bau der neuen U5?“

Jedes Mal, wenn ich im Abendblatt über die U5 lese, bekomme ich schlechte Laune. Warum? Weil ich mich darüber ärgere, wie die Politik aus ideologischen Gründen mit unseren Steuergeldern umgeht. Die U-Bahn hat nur Nachteile im Vergleich mit einer Stadtbahn. Sie ist acht- bis zehnmal so teuer, sie ist klimaschädlich durch den immensen Betonverbrauch, sie ist für den Fahrgast nicht schneller, da er die teilweise tiefgelegenen Tunnelhaltestellen erstmal erreichen muss. Es ergeben sich höhere Folgekosten durch den Betrieb der Tunnelhaltestellen, die Fertigstellung erfolgt realistischerweise erst in 20 Jahren. Dazu kommt, dass eine Stadtbahn die anvisierten Fahrgastzahlen (150.000) problemlos bewältigen kann.

Matthias Christen

Duzen nur nach Absprache

10. Januar: „Mein Morgen-Land: Siezen oder Duzen? Wie mich ein Grüner aufregte“

Grundsätzlich gilt unter Erwachsenen das Siezen. Duzen nur in Absprache oder ganz besonderen Situationen. Ich musste schon vor etwa 30 Jahren einem gleichaltrigen Vorgesetzten das Duzen abschlagen mit den Worten: „Man sagt schneller du Idiot als Sie Idiot.“

Ludwig Müller

Mentoring zum Berufsende?

16. Dezember: Podcast mit Dieter Lenzen: „Was soll das eigentlich mit dem Ruhestand?“ und Artikel vom 13. Januar: “Mit 77 Jahren: Älteste Lehrerin hört auf“

Ich möchte mich ganz herzlich für diese Folge des Podcasts „Wie jetzt? Der Dialog mit Dieter“ bedanken. Ich befinde mich genau in der beschriebenen Situation. Ich bin Schulleiter des Gymnasiums Süderelbe in Neugraben-Fischbek, mache diese Arbeit seit knapp 20 Jahren. Ich brenne leidenschaftlich für Schule und insbesondere für mein Gymnasium, aber am 31.01.2022 ist Schluss, ich habe die Altersgrenze erreicht. Ich hätte in anderen Berufen schon im September gehen müssen, nur wegen der Sonderregelung, dass Schulbedienstete das Halbjahr noch zu Ende arbeiten, darf ich bis zum 31.01.22 dabei bleiben. Jahrelang hatte ich mich vor diesem Tag gefürchtet und überlegt, was denn danach für mich sein sollte. Ich fange tatsächlich als Lehrbeauftragter an einem anderem Gymnasium mit halber Stelle an. Zum Glück habe ich die Fächer Mathematik und Physik und da ist Mangel an vielen Schulen, so dass man auch als Pensionär noch eine Chance auf eine Kette von befristeten Lehraufträgen hat. Aber in der Tat: Es ist eine enorme Herausforderung einen solchen Wechsel hinzubekommen und ich hatte wirklich Angst davor, krank zu werden - besonders seelisch. Jetzt, da ich die Zusage meines künftigen Chefs habe, dass ich mit halber Stelle an einem Gymnasium in der Nähe meines Wohnorts als Mathelehrer eingesetzt werde, bin ich enorm erleichtert. Es gibt aber keine Rahmenbedingung, die solche Übergänge regelt, dabei geht es ja einerseits um die Gesunderhaltung des Menschen, der gerne arbeitet und andererseits um die Kompetenz, die der Gesellschaft gegeben werden kann. Jeder angehende Rentner/Pensionär muss sich selbst seinen Weg suchen. Am anderen Ende der Berufstätigkeit gibt es diverse Mentoringprogramme, Programme zur Berufseinführung, dass am anderen Ende auch Programme stehen könnten, das hat die Gesellschaft noch nicht im institutionalisierten Angebot. Der heutige Abendblattartikel über die 77-jährige Lehrerin Henriette Raden hat das Thema ja ganz gut aufgegriffen, auch diese Kollegin hat gemeinsam mit ihrem Schulleiter einen Weg gefunden, der für sie und offensichtlich auch für ihre Schule ein geeigneter war. Vielleicht greifen das Politiker ja auf - es wäre ein lohnendes Thema für einen parteiübergreifenden Diskurs.

Thomas Fritsche