Ist das gerecht?

29. Oktober: „,Wer weiß, was aus meinem Kind wird?‘ Wissenschaft trifft Wirklichkeit: Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider spricht mit Uni-Präsident Dieter Lenzen“

Super Tipp, Kinder auf „einfachen“ Schulen zum guten Notenschnitt zu verhelfen. Unser Kind hat an einer „schweren“ Schule im Speckgürtel Hamburgs – schon Schleswig-Holstein – einen für diese Schule sehr guten Abi-Schnitt erarbeitet, nur es nützt eben nichts. Die Klassenkameraden, die in der Oberstufe nach Hamburg gewechselt sind, sind im Schnitt eine Note besser als in Schleswig-Holstein und haben damit eine bessere Chance auf einen Studienplatz! Ist das die gesellschaftliche Gerechtigkeit? Die Verteilung der Studienplätze geht nach Abi-Schnitt, nicht nach Schule oder Bundesland. Glück hat der, der zum Beispiel eine Oma mit Meldeadresse in Hamburg hat, um den Traumstudienplatz leichter zu bekommen. Die anderen haben eben Pech gehabt oder brauchen reiche Eltern zur Finanzierung des Studiums an einer Privat-Uni.

Carina Bode

Eine spaltende Haltung

Was Uni-Chef Lenzen den Eltern von Schulkindern rät, ist polemisch und nicht zielführend. Laut Herrn Lenzen soll ein Kind, das nur mittelmäßig begabt ist, auf eine „normale“ Schule gehen, nämlich auf eine Stadtteilschule, vor allem, weil es dort bessere Noten erhält. Im Umkehrschluss bedeutet dies, Gymnasien sind per se nicht normal und zu einer Stadtteilschule sollte man nur gehen, wenn man nicht so begabt ist. Nun bin ich selber Schulleiter eines Gymnasiums und würde unsere Schule als eine gute, aber ganz normale Schule bezeichnen. Es kommen Kinder zu uns, die schneller Wissen und Kompetenzen erwerben als an einer Stadtteilschule. Studierfähigkeit ist eines unserer wesentlichen Ziele. Die alleinige Fokussierung auf den Numerus clausus durch Herrn Lenzen ist inakzeptabel. Für ihn sind in der Oberstufe erworbene Kompetenzen offensichtlich komplett irrelevant. Fachliches Know-how, aber auch Durchhaltevermögen, Anstrengungsbereitschaft und eine gewisse Frustrationstoleranz sind wesentliche Gelingensbedingungen, die wir den Kindern mitgeben, damit sie das Studium dann auch durchhalten. Herr Lenzen zeichnet ein Bild von Schule, das zum Glück von anderen Universitäten, wie der mit uns kooperierenden TU Harburg nicht so geteilt wird. Aber auch für die Stadtteilschulen ist die Aussage polemisch. Denn laut Herrn Lenzen ist das Abitur an dieser Schulform weniger wert, da gute Noten deutlich einfacher zu erhaschen sind und sowieso nur die Mittelbegabten hingehen sollten. Mit dieser Aussage spaltet der Uni-Präsident eher, als dass er konstruktiv das Zweisäulenmodell voranbringt. Ich rate allen Eltern, die Laufbahnempfehlung der Grundschulen als eine wichtige Orientierung zu nehmen, und darauf zu achten, ob das Kind sehr gerne lernt und bereit ist, sich anzustrengen. Wenn Sie unsicher sind, lassen Sie sich beraten. Fast alle Schulen bieten auf Wunsch individuelle Beratungstermine an.

Dr. Martin Widmann

Man sollte es nicht übertreiben

29. Oktober: „ADAC warnt vor ,Verkehrschaos mit Ansage‘. Kieler Straße soll einspurig werden. Senator kündigt Staus über viele Jahre hinweg an“

Der ADAC hat völlig recht mit seiner Einschätzung. Das gilt aus meiner Sicht nicht nur für die Kieler Straße, sondern auch für viele andere geplante Maßnahmen. Eine Mobilitätswende finde ich im Grundsatz gut und richtig, aber man sollte sie nicht übertreiben. Genau das aber tut Herr Tjarks in vielen Punkten. Autoarme Innenstadt ja, autofreie Innenstadt nein, autofreier Jungfernstieg nein. Dort ist genug Platz für Fußgänger und Fahrradfahrer, auch wenn es eine Fahrspur pro Richtung für die Autos gibt. Stattdessen sollte man lieber die Großen Bleichen und den Neuen Wall autofrei gestalten. Die Mönckebergstraße ist ja schon weitgehen autofrei, Busse und Taxis sollte man dort belassen und damit nicht noch zusätzlich die Steinstraße belasten. Die Einspurigkeit an der Kieler Straße ist aus den im Artikel genannten Gründen völlig daneben. Das gilt auch für die geplante Einspurigkeit im Verlauf der B 73. Die Radwege müssen nicht drei Meter breit sein, es reichen auch zwei Meter oder zweieinhalb Meter. Herr Tjarks sollte sich zur Zeit mehr um die vielen Baustellen kümmern, die offensichtlich sehr schlecht koordiniert werden. Die großen Baustellen an Hauptstraßen sollten im Mehrschichtbetrieb zügig vorangetrieben werden. Davon kann aber keine Rede sein, einige gibt es schon jahrelang. Deutlich mehr Praxisnähe und Ausgewogenheit ist in der Verkehrspolitik dringend erforderlich und nicht die ideologisch verbohrte autofeindliche Vorgehensweise.

Reinhard Kappelhoff, Buchholz

Das ist Greenwashing

27. Oktober: „Kieler Straße in Eidelstedt nur noch einspurig. SPD und Grüne wollen den Autoverkehr um mindestens 20 Prozent reduzieren“

Ich finde es immer wieder erstaunlich, mit welchen Argumenten in Hamburg Verkehrspolitik gemacht wird. Jetzt wird also die Kieler Straße einspurig, was sie eigentlich immer war. Die breite Spur resultiert daraus, dass bis in die 70er die Straßenbahn in der Mitte der Straße verlegt war. Seit 2012 wird an dem Autobahndeckel gewerkelt. Brücken werden gesperrt, Straßen abgeschnitten und Verkehr von der Autobahn weggeleitet. Wo fahren die Autos denn hin, wenn die Autobahn gebaut wird? Durch die angrenzenden Stadtteile. In diesen neun Jahren ist trotz Rot-Grünen Senats, trotz Busbeschleunigung und Suizidradwegen der Verkehr nicht geringer, sondern mehr geworden. Wenn man die Wege enger macht, erhöht man den Stau an dieser Stelle und zusätzlich auch an anderen Stellen. Wenn es an einer Stelle enger wird, fährt man woanders lang. Eidelstedt ist dafür seit neun Jahren ein gutes Beispiel. Auch dafür, dass die Hamburger Verkehrspolitik die Mobilitätswende nicht schafft, indem man den Autofahrern das Leben vermiest. Eine Mobilitätswende kann man nur in Zusammenarbeit mit den Nachbarbundesländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen erreichen. Wenn man Pendler zum Umsteigen bringen will, muss der Zugang zum öffentlichen Personennahverkehr verbessert werden. Stattdessen sind Park & Ride-Parkplätze kostenpflichtig, das Angebot an Bussen und Bahnen im Hamburger Umland wird nicht zügig ausgebaut und das ÖPNV-Ticket ist eines der teuersten in ganz Deutschland. Um wirklich dafür zu sorgen, dass der Pendlerverkehr aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen auf den öffentlichen Personennahverkehr umsteigt, müsste der Hamburger Speckgürtel erheblich besser daran angebunden werden und der HVV signifikant günstiger werden. Dazu ist Hamburg nicht bereit. Der Grund ist mal wieder nur das Geld, denn gut angeschlossene Nachbarschaft erhöht das Risiko, dass noch mehr Hamburger Steuerzahler in den Speckgürtel ziehen. Besonders dann, wenn man merkt, dass selbst in einer Krise die Preise für Wohnraum in Hamburg nicht günstiger werden. Um weitere Argumente gegen ein attraktives und familienfreundlicheres Leben in einer grüneren Umwelt zu liefern, werden Straßen teuer umgebaut. Um das den Hamburgern zu verkaufen, nennt es der Senat Mobilitätswende zu Gunsten der Umwelt. Ich kenne das unter dem Begriff Greenwashing!

Jan-Henrik Alt, Halstenbek

CO2-Ausstoß beachten

28. Oktober: „Das erste Bio-Mineralwasser aus einem Nationalpark“

Bio-Mineralwasser und Klimaschutz sind ein Widerspruch in sich. Der CO2-Ausstoß beim Genuss von Wasser aus Flaschen ist 200-fach höher, als der unseres Leitungswassers. Unser Leitungswasser ist streng kontrolliert sauber, günstig und kommt zuhause frisch aus dem Hahn, ganz ohne Schleppen. Ein Mineralwasser mit der Bezeichnung „Bio“ auf den Markt zu bringen, empfinde ich als einen Widerspruch in sich. Bestimmt hat das Wasser das Prädikat „Bio“ verdient, die Abfüllung und die Vermarktung meines Erachtens nicht.

Susanne Hibinger