Nutzer in Ketten gelegt

6. Oktober: „Die gefährliche Macht von Whatsapp und Co. Stundenlang waren die Facebook-Dienste ausgefallen. Wie sehr der Konzern das alltägliche Leben prägt – und warum das problematisch ist“

Pflichtbewusste junge Leute schicken vielleicht jeden Sonntag ein Foto, das sie lächelnd im Fitnessstudio oder bei anderen Freizeitbeschäftigungen zeigt, an alle Verwandten, die sich bereits in den angesagten sozialen Netzwerken tummeln und haben damit ihre Schuldigkeit in Sachen Pflege der Familienkontakte getan. Den Rest der Woche beschäftigen sie sich lieber mit den Nachrichten anderer Menschen, von denen sie knapp eine Handvoll persönlich kennen. Die Alten, um nicht ganz vorsintflutlich zu erscheinen, passen sich dieser Oberflächlichkeit an. Im Corona-Lockdown mag solches Handeln hilfreich gewesen sein, um nicht in Einsamkeit zu ertrinken und es wurde zu einer Entschuldigung für das Ausbleiben wahrhaftiger menschlicher Zuwendung. Nun legte ein technischer Fehler die Nutzer in Ketten, zwang sie, Alternativen zur Kontaktpflege zu suchen. Es bleibt zu hoffen, dass deswegen wenigstens einige über die sinnvolle Nutzung sozialer Netzwerke nachdenken. Das Leben kann auch ohne Computer sehr lebenswert sein.

Christiane Mielck-Retzdorff

Schneller als meine Kollegen

5. Oktober: „E-Scooterfahren – aber sicher. Mit einem Übungsparcours in der City wollen Verleiher über Verkehrsregeln aufklären. Was die neue Fußpatrouille der Anbieter bisher gebracht hat“

Ich bin 58 Jahre alt und habe vor einigen Jahren mein Auto abgeschafft. Seither bewege ich mich virtuos mit HVV, E -Share-Autos und E-Scootern durch die Stadt. Ich bin immer schneller als meine Kollegen und Freunde mit ihren Autos! Meine Kinder haben mir gezeigt wie es geht, und am Anfang muss man mit sehr großer Aufmerksamkeit ein wenig üben. Ich vermisse mein Auto kein bisschen!

Christiane Möller, Aumühle

„Grüne Idee“ ausgeblendet

4. Oktober: Studie: „U-5-Bau gefährdet Hamburgs Klimaziele. Kritiker des Projekts haben ein Gutachten zur Schadstoffbilanz erstellt – mit ernüchternden Resultaten. Verkehrssenator: Es gibt keine Alternative“

Wenn Verkehrssenator Tjarks eine unterirdisch geführte U 5 für alternativlos erklärt, setzt er sich bewusst in Widerspruch zu seiner eigenen Partei. Denn die Grünen haben uns Hamburgern immer wieder die Vorteile einer Stadtbahn gegenüber einer teuren U-Bahn aufgezählt, übrigens wie auch die SPD vor Scholz. Mit einem Netz von Linien kann die Stadtbahn für den Bruchteil der U-5-Kosten hohe Beförderungskapazitäten erreichen – und ohne lange Umsteigewege. Gerade hier weist die U 5 zahlreiche Schwächen auf. Auch wenn die Gesamtkosten für das Projekt noch nicht annähernd feststehen, lässt Herr Tjarks Baurecht bereits umsetzen. Die grüne Idee ausblendend wurde am Wochenende in Alsterdorf entlang der U 1 für die U 5 ein Waldgebiet teilweise abgeholzt. Wohl zur Beruhigung seiner Kritiker gedacht, hofft der Senator darauf, dass der Bund die U 5 weitgehend finanziert. Auch dann handelt es sich um unser Steuergeld. Wir Bürger haben den Anspruch, dass Steuern sparsam und effektiv investiert werden. Bei der U 5 ist das nicht zu erwarten.

Lutz Achilles

Setzt sich die Vernunft durch?

Damit hat sich also die Hoffnung auf eine letztendliche Durchsetzung von Vernunft und Sachkunde sowie die Anwendung von internationalen Standards bei der Planung (Alternativen, qualifizierte Nutzen-Kosten-Untersuchungen anstelle von „Bewertungshokuspokus“ etc.) in der betreffenden Angelegenheit vorerst erledigt. Sollte es dabei bleiben, wird es auf Jahrzehnte hinaus in der ohnehin bereits über die Maßen von Staus geplagten Stadt zu massiven zusätzlichen Verkehrsbehinderungen und Umweltstörungen kommen. Die durch die Baumaßnahmen erzeugten Umweltschäden werden aller Voraussicht erst im nächsten Jahrhundert kompensiert sein. Die Realisierungskosten werden erfahrungsgemäß um Milliarden Euro höher liegen als bisher „geschätzt“; diese werden dann nicht aus dem Fördertopf des Bundes gedeckt, sondern müssen vom Hamburger Steuerzahler und/oder ÖPNV-Nutzer getragen werden. Bei Verzicht auf das U-Bahn-Projekt zu Gunsten einer viel sachgerechteren, nur einen Bruchteil so teuren und wesentlich kundenfreundlicheren modernen Stadtbahn könnten aus dem limitierten Fördertopf des Bundes andernorts mehrere wichtige Projekte ermöglicht werden; zudem wären die Betriebskosten erheblich geringer. Im Übrigen wäre dann die Zugänglichkeit gerade auch für bewegungseingeschränkte Fahrgäste, deren Anteil in der alternden Gesellschaft massiv zunehmen wird, deutlich besser. Vor diesem Hintergrund wäre es sehr zu wünschen, wenn sich in diesem Fall die Vernunft doch noch durchsetzen sollte.

Dr.-Ing. Andreas Kossak, Hamburg

Impfen lassen aus Solidarität

4. Oktober: „,Man hat keine echte Wahl mehr‘. Immer mehr Impfangebote an ungewöhnlichen Orten. Warum sich die bisher Zögerlichen nun doch piksen lassen“

Die im Artikel beschriebenen „spektakulären Impfaktionen“ werden mich als Nicht-Geimpfte leider nicht überzeugen. Ich finde es traurig und arm, dass bisher „Impfunwillige“ sich für eine Pizza oder einen Gutschein nun doch impfen lassen. Tut mir leid, aber solche Menschen sind für mich unglaubwürdig. Ich finde, wenn man sich impfen lässt, dann bitte für die Sache („Ich schütze mich und andere“), aus echter Solidarität. Aber nicht, um endlich Ruhe zu haben und um endlich wieder „am Leben teilnehmen zu können“.

Stephanie Haddenga

Zurück zur Normalität

1. Oktober: „Wenn die Polizei plötzlich stresst und nervt. Während der Pandemie hatten die Beamten verstärkt mit der Mitte der Gesellschaft zu tun – Polizeipräsident Ralf Martin Meyer über die Folgen“

Es ist ja schon einmal gut, wenn der Polizeipräsident die Lage erkennt, in die seine Leute wegen der Durchsetzung der Corona-Verordnungen gekommen sind. Immer wieder gab es vollkommen überzogene Maßnahmen. Kinderspielplätze oder Ausflugsgebiete zu sperren, Zweitwohnungsbesitzer und Spaziergänger zu jagen und den Ausflug an die frische Luft mit Maske zu erzwingen waren sicher keine Sternstunden guter Regierungsarbeit – vor dem Hintergrund, was im beruflichen und privaten Umfeld eben alles noch erlaubt war oder einfach gemacht wurde. Noch besser wäre, jetzt nicht so tun, als ginge es schon um die Vergangenheitsbewältigung. Denn nun steht an, die Impfverweigerer und -schwänzer gegen die große Masse eigentlich vernünftig handelnder Menschen zu schützen, die nach einer vollständigen Impfung nicht mehr einsehen, sich und andere zu schützen, sondern zu Recht in die alte Normalität vor 2020 zurückwollen. Und noch nie ist es einen Rechtsstaat gelungen, Regeln durchzusetzen, die die breite Mehrheit schlicht nicht mehr ernst nimmt – schon alleine, weil seine Ressourcen dafür nicht ausreichen.

Dr. Frank Bokelmann, Sparrieshoop

Abschreckung hilft nicht

5. Oktober: „40 Euro Bußgeld für Wegwerfen von Zigarettenkippen“

Vor der Wahl zeigten sich die Grünen kuschelweich zu allen Seiten. Kaum eine Woche nach der Wahl geht es zurück in das alte Muster der Verbote und Bestrafungen. Natürlich sind weggeworfene Zigaretten ein Ärgernis. Aber darauf nur mit Verboten und erhöhten Bußgeldern zu reagieren, ist genauso einfaltlos wie ineffektiv. Was bringen höhere Bußgelder, wenn in ganz Hamburg kaum Verstöße geahndet werden? Nichts. Die Grünen irren, wenn sie hier mal wieder auf die reine Abschreckung von Verboten setzten. Was wir brauchen sind mehr Kontrollen und Mülleimer.

Antje Dudersen