Unreflektierte Reaktion

17. Mai: „,Raketenhagel‘ auf Tel Aviv: Israel beschießt Haus des Hamas-Chefs

Der Angriff der Hamas auf israelisches Staatsgebiet rechtfertigt Israels Reaktion, die Gegenwehr, nicht aber unbedingt das Ausmaß, das allem Anschein nach mehr Menschenleben fordert, als der Angriff selbst. Daher ist die Reaktion hiesiger Politiker zugunsten Israels bedenklich, kurzsichtig, zweifelhaft. Zwölf Jahre deutscher Geschichte führen zu reflexartiger, aber unreflektierter Reaktion, eine Schwarz-Weiß-Malerei, die auf ausgewogene Betrachtung und Bewertung verzichtet. So wird der Blick auf die Realitäten verstellt, also auch auf die Ursachen, die völlig missachtet werden, zum Beispiel die Tatsache der Landnahme zugunsten des Errichtens des israelischen Staates oder auch, neueren Datums, die Fakten schaffende Besiedlung des Westjordanlandes durch israelische Siedler. Das ist ein beschämendes Zeugnis deutscher Politiker und es dokumentiert zudem deren Unfähigkeit und den fehlenden Mut, aus dem Schatten der eigenen Vergangenheit zu treten.

Detlef Lange, Hamburg

Israel darf nicht alles...

17. Mai: „Judenhass bedroht uns alle. Warum man jedem Anzeichen von Antisemitismus entgegentreten muss“

Ohne Frage, Antisemitismus ist nicht akzeptabel. Aber genauso wenig akzeptabel ist es, jede Kritik an der israelischen Politik mit dem Kampfbegriff Antisemitismus mundtot machen zu wollen. Die israelische Regierung betreibt eine völkerrechtswidrige Enteignung und Vertreibung des palästinensischen Volkes und erzeugt damit den Hass, über den sich jetzt alle empören. Die Lehre aus dem Holocaust kann aber nicht sein, dass Israel alles darf, sondern dass Unterdrückung, Vertreibung und Diskriminierung immer zu bekämpfen sind, egal wer sie begeht. Wenn man das in Deutschland nicht mehr sagen darf und es von Politik und Presse nicht mehr angesprochen wird, dann muss man sich um die Meinungsfreiheit wirklich Sorgen machen. Michael Nieselt

Sprachwandel von unten

15./16. Mai: „Sprache im Wandel: Der Kampf um den Genderstern“

Ein verbreitetes Argument der Befürworter des gendersensiblen Sprachgebrauchs lautet: Sprache sei nun mal im Wandel, daher würden sich die Gegner diesem natürlichen Prozess verweigern. Aber wir haben es mit keiner Sprach-Evolution zu tun, sonst würden die meisten im deutschsprachigen Raum bereits mit diesem Glottisschlag für den Genderstern/-gap sprechen. Sprachwandel geschieht von „unten“ und allmählich. Die gendergerechte Sprache wird hingegen von einigen Medien, Firmen und Institutionen zu einem bestimmten Zeitpunkt formalisiert und festgelegt, um so in die Breite hinein eine Veränderung herbeizuführen. Vielleicht sollte man beim Gendern-Disput die Verwendung weiblicher Formen und die des Gendersterns/-gap einfach voneinander trennen. Etwa 80.000 non-binäre Menschen bleiben, auch wenn jeder einzelne Mensch zählt, eine „Mikrokultur“ von 0,1 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung, deren Repräsentation durch einen Genderstern/-gap die Fragen aufwirft: Warum erhält ausgerechnet diese Minderheit eine so deutliche Sichtbarkeit? Warum nicht auch andere, womöglich sogar zahlenmäßig umfassendere „Mikrokulturen“? Diskriminiert es womöglich andere, weniger sichtbare Minderheiten, wenn eine besonders sichtbar ist?

Birte Baldauf

Gendern ist kontraproduktiv

Ja, es ist so, dass man bei den Begriffen Professor, Ingenieur und Automechaniker automatisch männliche Personen vor Augen hat. Aber doch nur deshalb, weil Frauen in diesen Gruppen tatsächlich deutlich seltener vertreten sind. Dies ist eine gesellschaftliche Realität und sie wird sich auch nicht ändern, indem man Gendersternchen setzt, sondern nur, indem Frauen in diese Berufsgruppen vorstoßen. Wer hindert eine Frau, ein Ingenieurstudium zu absolvieren oder sich zu habilitieren? Die Vorstellung, Gleichstellung ließe sich durch Sprachregelungen erreichen, ist naiv, und der Einfluss einer willkürlich gesetzten weiblichen Form wird überschätzt. Viele Sprachen kennen überhaupt keine weibliche/männliche Form, bewegen sich aber in puncto Diversität und Gleichstellung der Frau auf sehr unterschiedlichem Niveau (Türkei, Ungarn, England, USA). Gendern ist gut gemeint, aber letztendlich kontraproduktiv, weil es die schöne Neutralität des generischen Maskulinums aufhebt und stattdessen den Fokus gerade auf das Geschlecht legt und somit Trennung statt Inklusion bewirkt. Das immer wieder vorgebrachte Argument, Sprache verändere sich nun mal, ist zweifellos richtig. Aber doch nicht als Eingriff von oben! Eine solche Sprachlenkung sollte für eine freie, demokratische Gesellschaft ein absolutes No-Go sein. So haben Umfragen ja auch immer wieder ergeben, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung das Gendern ablehnt. Wie anmaßend, wenn die Minderheit der Befürworter für sich in Anspruch nehmen möchte, die in ihren Augen offenbar unwissende Mehrheit umerziehen zu wollen. Mal ganz abgesehen von den genannten Aspekten: Durch Gendern wird die Sprache komplett verhunzt. Schon eine simple Anrede wie Liebe*r Kund*in ist mit Genderstern grammatikalisch korrekt nicht umsetzbar – oder heißt die männliche Anrede etwa Lieber Kund? Zudem würde durch einen Zwang zum Gendern bildungsferneren Schichten und Zuwanderern das Deutschlernen noch schwerer gemacht.

Ilsabe Fürstenhoff-Rüß

Udo-Fan Goethe?

15./16. Mai: „,Udo ist ein Sprachgenie wie Goethe‘“

Es ist ebenso leicht wie einsehbar, kompatible Größen wie Gerd Müller und Robert Lewandowski miteinander zu vergleichen. Ihre Erfolge sind zählbar. Es ist ebenso schwierig wie komplex, Größen wie Johann W. Goethe und Udo Lindenberg miteinander vergleichen zu wollen. Sie sind letztlich inkompatible Phänomene, den Einfluss des einen und den des anderen auf die deutsche Sprache zu bestimmen, das erfordert lange, mühselige und redliche Arbeit. Der enthusiastische Ausruf eines Freundes reicht da nicht aus. Aber der Meinung von Freunden sind ja kaum Grenzen gesetzt. „Bob Dylan und Shakespeare“ – warum nicht? Es wäre interessant und sicherlich amüsant, Wolfgang und Udo aus Lindenbergs nimmermüder Feder im fiktiven Dialog serviert zu bekommen. Da sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Und Goethe, aufgeschlossen, wie er bis zu seinem Tode blieb, wäre vielleicht zu einem Udo-Fan geworden. Wie sagte er, als schon 73-Jähriger, also noch zwei Jahre jünger als unser Jubilar? „ ... denn es ist nun einmal nicht anders, dass man, sobald man fertig ist, gleich wieder was Neues im Sinn haben muss.“ Wie weit sein Verständnis für Rock und Panik gegangen wäre, bleibt natürlich für immer im Dunklen.

Gerhard Nöthlich, Ehemaliger Vorsitzender der Ortsvereinigung Hamburg der Goethe-Gesellschaft in Weimar

Warum versagt der HSV?

17. Mai: „Die Unaufsteigbaren. Auch Hrubesch kann den HSV nicht retten. Nach dem 2:3 in Osnabrück gehen die Hamburger in ein viertes Jahr Zweite Liga“

Nun hat es der „große HSV“ wieder geschafft, den Aufstieg in die 1. Bundesliga zu verpassen. Erneut hat er es versäumt, die Hoffnungen und Erwartungen seiner großen Schar von unerschütterlichen Anhängern zu befriedigen. Wie kommt das? Sportdirektor Boldt erklärt, die Mannschaft habe gegen Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte zu viele Punkte liegen gelassen. Welch großartige Erkenntnis! Das habe ich als uralter HSV-Fan auch ohne die Expertise von Herrn Boldt gewusst. Aber was ich, sehr geehrter Herr Boldt, gern wüsste: Warum hat der HSV die Punkte liegen gelassen? Wir beobachten doch alle immer wieder, dass der HSV, wenn es darauf ankommt durchzuhalten, kläglich versagt. Wo sind die Ursachen? Tatsachen feststellen kann ich auch. Aber die Ursachen erkennen und sie abstellen ist Ihre Aufgabe, Herr Boldt. Und dabei haben Sie versagt. Hoffentlich kann der HSV in der nächsten Saison die Klasse halten – und in der 2. Liga bleiben. Der 1. FC Kaiserslautern und München 1860 sollten als warnende Beispiele im Blickfeld bleiben.

Dr. Arnold Sieveking