Groteske Maßnahmen

1./2. April: „Ausgangssperre in Hamburg. Um die dritte Corona-Welle zu brechen, sollen die Bürger von 21 bis 5 Uhr zu Hause bleiben. Kitas schließen. Testpflicht für Schüler und Maskenpflicht am Arbeitsplatz kommen

Es mutet schon grotesk an, dass wir einerseits nächtliche Ausgangssperren und damit schwerste grundgesetzliche Freiheitsrechte in Kauf nehmen müssen, andererseits aber das Virus in den Schulen durch halbherzige Teststrategien in die Familien getragen wird, und die Politik auch weiterhin kein Problem darin sieht, Kirchen offen zu halten. Für mich kann eine solche Politik nur bedeuteten, dass die Lage dann doch nicht so schlimm sein kann, aber keine besseren Maßnahmen zur Hand waren. Wen wundert es nach zehn Monaten Politikversagen, bei dem außer Lockdowns keine überzeugenden Strategien zur Virusbekämpfung entwickelt und umgesetzt wurden? Die nächtlichen Ausgangssperren sind da nur der Höhepunkt, aber wenn man das seit Monaten andauernde Bund- und Länder-Regierungschaos nüchtern betrachtet, letztlich keine Überraschung.

Martin Weinmann

Ausgangssperre: Viel zu spät!

1./2. April: „Tschentscher führt. Der Bürgermeister wird in der Krise seiner Verantwortung gerecht. Andere müssen folgen“

Ausnahmsweise muss ich Herrn Haider widersprechen. Viel zu spät und viel zu zögerlich handelt endlich der Hamburger Bürgermeister. Man muss Herrn Dr. Tschentscher nicht für etwas loben, das schon längst, nämlich vor Wochen, hätte passieren müssen. Viel zu sehr hat sich Herr Dr. Tschentscher verleiten lassen, stets mit ernstem Gesicht lieber andauernde, ermüdende Warnungen zu verkünden als zu handeln. Auch wenn ich zu denen gehöre, die zwischen 21 und fünf Uhr sowieso zu Hause sind und deshalb vielleicht leicht reden kann, finde ich es bedauerlich, wie lahm dieser Hamburger Senat stets auf die ernste Corona-Bedrohung reagiert hat. Die Bundeskanzlerin selbst hat gesagt, dass sie den Bundesländern keine Vorschriften machen darf. Also hätte eine Hamburger Ausgangssperre vor etlichen Wochen kommen können, ja müssen. Den Bürgermeister nun als Vorreiter zu bezeichnen, ist übertrieben. Zumal jede Hamburger Bürgerin und jeder Hamburger Bürger die teilweise seltsamen Öffnungs- bzw. Schließungsschritte der Hamburger Corona-Verordnung der letzten Wochen doch gut kennt. Nie war eine so wichtige Ausgangssperre dabei. Diese hätte uns vielleicht schon vor Wochen niedrigere Inzidenzen gebracht. Ein Lob ist in meinen Augen leider das falsche Signal.

Detlef Riedel

Macht es Schweden besser?

30. März: „Der Todesstoß für den Mittelstand. Jurist Gerhard Strate fordert in der Corona-Krise ein Einschwenken auf den schwedischen Weg“

Rechtsanwalt Gerhard Strate fürchtet zu Recht den Todesstoß für den Mittelstand. Für viele kleine und mittelständische Unternehmen sowie Selbstständige reichen die staatlichen Unterstützungen nicht aus bzw. kommen bei ihnen nicht an. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht ist nichts anderes als Sand in die Augen zu streuen. Sobald die gesetzlichen Regeln wieder gelten und bei Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung zwingend ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht, werden die Insolvenzfälle in die Höhe schnellen. Dies ist nicht nur für die betroffenen Unternehmen eine Katastrophe, sondern auch für deren Gläubiger, von denen dann manch einer mit in den Abgrund gerissen wird. Nicht zu vergessen die vielen Menschen, die im Zuge der Insolvenzen ihren Arbeitsplatz verlieren. Dann geht es um Arbeitslose und nicht nur um Kurzarbeiter. Inzwischen zeigt sich, dass das schwedische Modell im Vergleich mit anderen europäischen Staaten keineswegs am schlechtesten abschneidet. Was die Todeszahlen bezogen auf eine Million Menschen betrifft, ist Deutschland nicht viel besser dran als Schweden. Sowohl in Schweden als auch in Deutschland hat es die meisten Todesfälle in den Alten- und Pflegeheimen gegeben. Diese Menschen nicht ausreichend geschützt zu haben, ist das größte Versäumnis beider Staaten. Aktuell läuft es in Schweden besser als bei uns. Und abgerechnet wird nach Ende der Pandemie. Da ist allerdings zu befürchten, dass die wirtschaftlichen und sozialen Schäden in Deutschland um ein Vielfaches größer sein werden als in Schweden. Wenn schon im Jahr 2023 die schwarze Null wieder stehen soll, ist dies nur mit weitreichenden Einsparungen zu schaffen. Aber wie wollen wir dann die dringenden Investitionen in Bildung, Digitalisierung und in die Infrastruktur schaffen?

Gerhard Hölzel

Bedenken sind nicht hilfreich

1./2. April: Diverse Leserbriefe zum Thema „Corona“

Da sitze ich am Frühstückstisch, und mir fällt die Kinnlade herunter. Die veröffentlichten Leserbriefe zum Thema „Corona“ machen mich sprachlos. Meinungen, die fast alle Extreme abbilden. Glauben Sie, dass es jetzt hilfreich ist, diese extremen Meinungen so in den Vordergrund zu stellen, Meinungen, die aus persönlichen Ängsten oder Bedenken erwachsen mögen, aber letztlich nicht zielführend sind? Das finde ich verantwortungslos, denn viele Leser werden das Eine oder Andere nun zumindest nicht als völlig abwegig bewerten. Dabei kommt es jetzt doch vor allem darauf an, nicht nur an den eigenen Ängsten und Bedenken zu hängen, sondern sich so schnell wie möglich impfen zu lassen, egal womit, zum eigenen Nutzen (mit minimalstem Risiko wie bei jeder Impfung), aber vor allem zum Nutzen der ganzen Gesellschaft. Zur Solidarität gehört auch ein bisschen Mut, und mit Angst besiegt man keinen mächtigen Gegner! Und noch etwas: Wenn es in Deutschland wirklich als „Impfdesaster“ gilt, dass nicht zuerst die Einwohner des eigenen Landes vor allen anderen geimpft werden, ist es ja wohl nicht weit her mit der Brüderlichkeit, von der immer geredet und gesungen wird, einmal ganz abgesehen von der Tatsache, dass sich zukünftige Mutanten des Virus nicht wirklich für nationale Befindlichkeiten interessieren werden.

Robert Löcken

Falsche Richtung!

31. März: „Lemonaid soll vor weniger Zucker warnen“

Es ist unfassbar, da läuft doch etwas komplett in die falsche Richtung! Wie kann es möglich sein, dass dem Hamburger Getränkehersteller Lemonaid aufgezwungen werden soll, seine Limonade mit einem Warnhinweis zu versehen, um auf den niedrigeren Zuckergehalt hinzuweisen? Und warum wird für Limonaden überhaupt ein siebenprozentiger Zuckeranteil vorgeschrieben? Das bedarf bei den heutigen Ernährungskenntnissen und dem Übergewicht schon bei Kindern dringend einer Umkehr.

Heidi Holtgreve-Grez

Danksagung für einen Toten

Anfang März ist mein Mann, Christian Rieß, im Alter von 51 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben. Er war mit Herz und Seele Krankenpfleger auf der Intensivstation und war oft noch zu Hause im Geiste bei seinen Patienten. Er starb weder an noch mit Corona, sondern an einem Herzinfarkt. Ich möchte allen Menschen, die meinem Mann zur Seite standen und sich jeden Tag aufs Neue bemühen, dieser Corona-Pandemie ein menschliches Gesicht zu geben, meinen Dank sagen. Danke, an die warmherzigen, trauernden Kollegen, die weiter auf Station kämpfen, an die so freundlichen, jungen, gut ausgebildeten Rettungskräfte, an die jungen, hilfsbereiten, aufmerksamen Hamburger Polizisten, an unseren Hausarzt, der, wie viele seiner Kollegen, nicht gezögert hat zu kommen und immer freundlich war, und nicht zuletzt an unsere unermüdlichen freundlichen Bäckerei-Verkäuferinnen, die uns jeden Tag mit dem frischem Brot versorgen, das mein Mann so geliebt hat. Wir sollten mal innehalten, unseren Hut ziehen vor den Menschen, die trotz Überstunden, Beschimpfungen und sonstigen Überlastungen unserer Stadt Hamburg ein menschliches Gesicht verleihen. Ich schreibe das in eine Zukunft hinein, denke an Kinder und Enkelkinder... Es liegt doch an uns, welches Gesicht wir unserer Freien und Hansestadt Hamburg geben.

Karina Schröder-Rieß