Ausgangssperre noch dazu?

2. März: „Einzelhändler wollen am 8. März wieder öffnen“ und „Tim Mälzer fordert Öffnungskonzept für die Gastronomie“

Ist es denn so schwer zu verstehen? Die Zahl der Neuinfektionen und Sieben-Tage-Inzidenz steigt wieder. Gleichzeitig fordern der Einzelhandel und die Gastronomie, dass sie schnell wieder öffnen können. Der ständige Verweis auf die jeweiligen Hygienekonzepte ist aber grundfalsch. Tagsüber Homeoffice, nachmittags shoppen gehen und abends dann ins Restaurant? Das passt vorne und hinten nicht zusammen. Die unmissverständliche Ansage der Politik heißt: Bleiben Sie zu Hause und treffen Sie sich möglichst mit niemandem. Wollen wir denn wirklich, dass wir auch in Hamburg eine Ausgangssperre bekommen zwischen neun Uhr abends und fünf Uhr morgens? Mit jeder Lockerung laufen wir unwillkürlich in genau diese Richtung.

Bernd Glodek

Sinnvolle Regeln verstehen

1. März: „Ohne Maß und Mitte. Der rot-grüne Senat setzt in Corona-Zeiten auf einen immer strengeren Sonderweg“

Ich finde die neuen Regelungen durchaus sinnvoll, man muss sie nur verstehen. Im Moment vermehrt sich die britische Mutante, und die Inzidenz-Zahlen gehen langsam in die Höhe. So lange sich das langsam weiterbewegt, ist das kein Problem, aber natürlich hat der Senat Angst vor dem exponentiellen Anstieg. Erinnern wir uns: Die Höchstzahlen in Großbritannien lagen bei 60.000 Neuinfektionen pro Tag. Das möchte man hier nicht erleben. Wir wissen ja mittlerweile, wie schnell das gehen kann. Und wir wissen auch, dass die Mutante wesentlich ansteckender ist. Es stimmt nur also nur bedingt, dass man sich im Freien nicht anstecken kann. Letzte Woche war ich nachmittags auf dem Harburger Rathausmarkt, auf dem viele Menschen nebeneinander ohne gebührenden Abstand und ohne Masken nebeneinander saßen. Wenn sie sich dann auch noch unterhalten, gibt es sehr wohl eine Ansteckungsgefahr. Nach den Demonstrationen in Berlin, bei denen keine Masken getragen wurden, hat man durchaus einen Anstieg der Infektionen bemerkt. Also, ist es unter bestimmten Bedingungen sinnvoll, draußen Masken zu tragen. Und ich finde es auch richtig und wichtig, dadurch ein Zeichen zu setzen, wie ernst die Lage ist. Wir möchten Lockerungen, also müssen wir an anderer Stelle mehr machen.

Margret Sauer

Besser Staus vermeiden

1. März: „Umstrittener Umbau der Esplanade beginnt. Geschützte Radstreifen und breitere Gehwege werden gebaut“

Die Grünen wollen Hamburg zur Fahrradstadt machen. Ist das zielführend für eine Industrie-und Hafenstadt wie unsere? Ist es vor allem zielführend, Hauptverkehrsstraßen zu Gunsten des Fahrradverkehrs zu verengen oder gar ganz wegfallen zu lassen? Ich habe da meine Zweifel. Besser wäre es, den Verkehr „fließend“ zu machen, d. h. zum Beispiel via Induktionsschleifen Ampelschaltungen zu verknüpfen bzw. miteinander abzustimmen, sodass es automatisch zu weniger Staus kommt. Denn Bremsen bedeutet auch immer Feinstaub via Abrieb vom Reifen. Ob den Grünen bewusst ist, dass Sie ganzheitlich denken sollten, was die Gesamtbilanz Ihrer Aktivitäten angeht statt nur auf eine einseitige Klientelpolitik zu setzen? Und ich gestehe: Mir wäre ein Verkehrssenator Westhagemann lieber, als grüne „Symbolpolitik“, die den Bezug zur Wirtschaft gefühlt vermissen lässt. Denn: Was gut gemeint ist, muss nicht zwangsläufig auch in der Folgewirkung gut sein.

Sven Jösting

Vieles bleibt auf der Strecke

Für Verkehrssenator Anjes Tjarks gibt es kein Halten mehr. Mit Hochdruck werden die Ausbaupläne für die Fahrradinfrastruktur vorangetrieben, auch wenn es bei verschiedenen Maßnahmen Gegenstimmen gibt. Geld ist anscheinend ausreichend vorhanden. Dafür bleiben andere Politikbereiche auf der Strecke. Wenn nur annähernd so viel Geld für die Aufrüstung der Schulen und Kitas aufgewandt würde, dann würden unsere Kinder und Jugendlichen ein zeitgemäßes Arbeitsumfeld vorfinden. So dürfen sie weiter auf die Digitalisierung warten und hinken dem Fortschritt hinterher. Wo bleibt hier die Prioritätensetzung der Grünen, die die Bildung in ihren Politikprogrammen ganz weit oben ansetzen?

Günter Dorigoni

Fachleute in die Behörden

1. März: „,Wir können von den Briten lernen‘. Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD) empfiehlt AstraZeneca-Impfstoff für alle – und ist für Ostern optimistisch“

Als ich das Interview mit Melanie Leonhard las, dachte ich an Herrn Plassmann, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, der sich in einer Pressemitteilung so äußerte: „Wir müssen aufpassen, dass Gesundheitsthemen nicht zum fünften Rad am Sozialwagen werden. Gerade das Krisenmanagement der vergangenen Monate zeigt uns, dass nur die Zugehörigkeit zu einer regierenden Partei keine Legitimation zur Übernahme eines wichtigen Ressorts, wie die Gesundheitsbehörde sein darf.“ Ich sehe als Ärztin viele schwer krebskranke Menschen mit Metastasen, Tumoranämie und einem geschwächten Immunsystem, die seit Wochen auf eine Impfung warten, die zum Teil nicht weiter therapiert werden können, weil sie noch nicht geimpft sind. Diese Menschen sind aber noch nicht geimpft trotz ihres Bemühens, trotz ihrer Appelle an die Gesundheitsbehörde, weil sie zum Beispiel 79 und nicht 80 Jahre alt sind. Diese Behörde hat bis heute für diese Menschen keine adäquate Lösung gefunden. Wäre ein Arzt oder eine Ärztin an der Spitze der Gesundheitsbehörde, jemand der mehr Fachkompetenz hat, hätten vielleicht diese Menschen mehr Chancen im Kampf gegen Corona und ihre schwere Erkrankung.

Dr. Dr. Benecke-Diedrichsen

Inakzeptable Nachlässigkeit

26. Februar: „Steinmeier: Vorbehalte gegen AstraZeneca ,Luxusproblem‘“

Hier gibt es nicht nur ein Luxusproblem, sondern auch eine völlig inakzeptable Nachlässigkeit bei verantwortlichen Politikern und nationalen Prüfbehörden. Es ist ohnehin nicht zu verstehen, dass in Deutschland die über 65-Jährigen von der Impfung mit AstraZeneca ausgeschlossen sind. Hochangesehene Experten halten das für eine Fehlentscheidung. Dieses Vakzin ist nicht nur in Großbritannien bei Älteren inzwischen millionenfach geimpft und hat sich als hochwirksam bewährt. Ich halte es für fahrlässig, wenn verantwortliche Entscheider AstraZeneca nicht unverzüglich auch über 70-jährigen Risikopatienten mit Vorerkrankungen in der Risikogruppe 2 auf freiwilliger Basis anbieten.

Volker Deising

Für mich eine fatale Situation

Ist dem Präsidenten bekannt, dass zu dem schlechten Ruf die „eigene“ Impfkommission beigetragen hat? Diese hat nämlich auf einem deutschen Sonderweg bestanden und im Gegensatz zur europäischen Impfkommission (EMA) die Zulassung mit schwacher Begründung auf bis 65-Jährige beschränkt. Das führt übrigens für mich mit meinen 80 Jahren zu einer fatalen Situation: AstraZeneca zur Verfügung, nicht erlaubt. Biontec und Moderna erlaubt, aber nicht zur Verfügung.

Jochim Trede

Plausible Maßnahmen

26. Februar: Leitartikel: „Es geht um Gerechtigkeit“

Natürlich ist das Absenken der Kontakte wichtig, allerdings müssen dann auch die Maßnahmen plausibel sein. Vor dem Hintergrund des Staatsversagens – Masken nein, weil man keine hatte, dann ja, weil sie da waren, fehlende Digitalisierung der Gesundheitsämter und der Schulen, unbrauchbare Corona-App, viel zu späte Bestellung des Impfstoffs, viel zu langsame Testungen, viel zu späte Auszahlungen der Hilfen – fiel den Regierenden nur der Lockdown ein. Es ist ja einfacher, auf die Bevölkerung zu zeigen, die Regeln nicht einhält, als selber seinen Aufgaben nachzukommen.

Hans-Volker Domjahn