Den Gurt wollte auch keiner

13. Januar: "Heftiger Streit um Corona-Impfpflicht"

In der Aufregung der Pandemie sind vielen Menschen zwei Tugenden abhanden gekommen: Einerseits das Vertrauen in die Wissenschaft und die Kraft zur Risikoabwägung (keine Entscheidung ist ohne Risiko), und andererseits der Sinn eines Einsatzes für die Gesellschaft („Mein Beitrag zur Herdenimmunität“). Deswegen diskutieren wir grob pauschal über die Impfpflicht als Krücke. Erinnert sich noch jemand an den heftigen Streit um die Anschnallpflicht im Auto um 1976? Viele fanden den Gurt unbequem, wollten sich nicht zwingen lassen, ernstere Argument betrafen die körperliche Unversehrtheit, denn in sehr seltenen Fällen kann der Gurt die Befreiung aus dem Auto lebensbedrohlich erschweren. Im Sinne einer Güterabwägung (in fast allen Fällen rettet der Gurt, erspart Leid und gesellschaftliche Kosten) wurde die Gurtpflicht eingeführt, hat seither viele Leben gerettet und ist akzeptiert.
Reinhard Behrens, Hamburg

Zweite Generation qualifizieren

13. Januar: "'Wir brauchen Millionen Arbeitskräfte aus dem Ausland'. Entscheider treffen Haider - heute mit Detlef Scheele, dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit"

Dass der deutsche Arbeitsmarkt in bestimmten Bereichen (z.B. in der Pflege) auch zukünftig auf Zuwanderung angewiesen sein wird, steht außer Frage. Bevor aber die Zuwanderung von "Millionen Arbeitskräften aus dem Ausland" bemüht wird, wäre es nicht naheliegend, das inländische Erwerbspotenzial von Personen mit Migrationshintergrund stärker auszuschöpfen? Laut Daten des Statistischen Bundeamtes hatten Angehörige der zweiten Generation im Jahr 2017 eine über 20 Prozent geringere Beschäftigungsquote als Personen ohne Migrationshintergrund. Wäre es daher nicht ein Gebot der Stunde eine Qualifizierungsoffensive für Menschen zu starten, die schon im Inland sind und mit dem deutschen (Aus-)Bildungssystem vertraut sind?
Dr. Torben Krings, Hamburg

​Luxusmiete für Azubis

13. Januar: "Direkt am Wasser: 174 Apartments für junge Leute. "Smartments" für Studenten und Azubis bieten im Harburger Binnenhafen bezahlbares Wohnen auf kleinstem Raum mit Küche und Bad"

"Smartments" für Studenten und Azubis bieten bezahlbares Wohnen. Habe ich da irgendetwas nicht verstanden? 18 bis 20 Quadratmeter für 515 Euro inklusive aller Nebenkosten ist doch kein bezahlbares Wohnen. Das sind über 20 Euro pro Quadratmeter als Kaltmiete. Wer kann sich diese Luxusmiete denn leisten? Studenten und Azubis jedenfalls garantiert nicht. Auch wenn 23 Wohnungen staatlich gefördert und zu günstigeren Konditionen durch das Hamburger Studierendenwerk vermietet werden oder 15 weitere Wohnungen durch gemeinnützige Organisationen günstiger werden, bleibt der Eindruck, dass an diesem so gelobten Projekt sich irgendjemand wieder eine goldene Nase verdient. Und dafür gibt es noch staatliche Förderungen. Das darf nicht wahr sein. Bezahlbares Wohnen sieht anders aus.
​Dietmar Johnen-Kluge

Mehr Kreativität, bitte!

13. Januar: "Hinter den Kulissen des Impfzentrums"

Meine Frau und ich sind 82 und 83 Jahre alt und möchten uns gerne gegen Corona impfen lassen. Seit mehreren Tagen versuchen wir über die Nummer 116 117 einen Impftermin zu bekommen. Wir sind geduldig und ausdauernd, klicken uns brav gemäß der Ansage weiter durch. Wählen oft vier, fünf Stunden lang die Nummer. Ohne Erfolg. Meistens ist besetzt. Glückgefühle kommen auf, wenn wir in die Warteschleife mit Musik vordringen. Ein besonderes Aha-Erlebnis haben wir dann, wenn sich tatsächlich jemand am anderen Ende der Leitung meldet. Doch immer die gleiche Auskunft: Heute sind leider alle Termine vergeben. Nun haben wir aber Post bekommen, von Sozialsenatorin Dr. Melanie Leonhard. Sie lädt uns zur Corona-Schutzimpfung ein. Große Hoffnung kommt auf, vielleicht gibt es für über 80-Jährige jetzt eine zusätzliche Nummer. Nein, leider nicht. Sie empfiehlt uns das, was wir seit Tagen bereits machen: Immer wieder neu wählen oder es per Internet versuchen. Es ist eine Zumutung, alte Leute am Ende ihres Lebensweges einer derartigen Nervenbelastung auszusetzen. Gibt es wirklich keine andere Lösung? Vielleicht eine zusätzliche Nummer, nur für die über 80-Jährigen? Wir hätten uns auch vorstellen können, wenn in dem Einladungsschreiben durch eine Art Berechtigungsnummer das langwierige Prozedere für die alten Leute verkürzt worden wäre. Oder ganz einfach: Eine frühzeitige Information über Rundfunk, Fernsehen oder Internet, dass es heute keine Termine mehr gibt. Frau Senatorin, wir hätten von Ihrem Team mehr Kreativität erwartet.
Margret und Jürgen Bungert

Vorbild Dänemark

12. Januar: "Grenzregionen haben ein erhöhtes Pandemie-Risiko"

Da werden Hotels, Restaurants und Einzelhandelsgeschäfte mit erstklassigen Hygienekonzepten zwangsweise geschlossen. Es werden Kontaktbeschränkungen beschlossen mit dem Hinweis, dass die Bürger nach Möglichkeit zuhause bleiben sollen. Nur die Grenzübergänge können grundsätzlich weiterhin ohne Kontrollen für Jedermann genutzt werden, obwohl bekannt ist, dass strenge Kontrollen zu reduzierten Infektionszahlen geführt haben. Dies ist mir unverständlich.
Andere Länder wie Dänemark machen uns das vor, nur wir sind der Meinung darauf verzichten zu können. Interessant ist auch, dass die Landesfürsten, die am lautesten wegen hoher Infektionszahlen in ihren Ländern nach härteren Lockdown-Maßnahmen rufen die sind, die nach wie vor für freien Grenzverkehr sind. Ich glaube, solange "Corona" noch nicht nachhaltig im Griff ist, muss sich auch unsere Bundeskanzlerin in ihren letzten Monaten daran gewöhnen, dass strenge Grenzkontrollen mit zu den wesentlich Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Infektionen gehören müssen.
Takis Petersen​

Pädagogik vor Technik

12. Januar: "Priens Schulkurs sorgt im Norden für Ärger"

Alles, was derzeit diskutiert wird, steht unter einem Gebot: die Eindämmung der Corona-Pandemie. Die Grundlage hierfür ist der Vorrang der Gesundheit. Wer die eingeleiteten Maßnahmen anzweifelt, macht sich verdächtig. Unabhängig davon, ob das eine richtig, das andere falsch ist, die virologische Sichtweise über alles andere zu stellen, wirkt fatal. Denn zur körperlichen Gesundheit gehört auch die der Psyche und das Soziale. Schon die speziell an Schulen ergriffenen Hygienemaßnahmen konterkarieren dies, sagt Professor Klaus Zierer von der Universität Augsburg, Herausgeber der berühmten Hattie-Studie in Deutschland. Aus pädagogischer Sicht seien sie kontraproduktiv. Das sei all denjenigen gesagt, die massiv die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien bedrängen, den Präsenz-Unterricht komplett einzustellen. Bildung ist nicht nur Lernen. Wer immer wieder sozial isoliert wird und auf längere Sicht nur noch allein lernt, kann sich nicht bilden. Auch das ständige Pochen auf einen Digitalisierungsschub wird hier nicht helfen: Der Mensch braucht den Menschen im Hier und Jetzt – und eben nicht virtuell synchron oder asynchron. Die anderes proklamieren, werden ihrer Verantwortung als sogenannter Bildungsgewerkschaft oder Elternvertretung nicht gerecht. Und wenn mancherorts behauptet wird, alle Schulleiter kritisieren das Bildungsministerium, so halten wir dagegen: Wir als Schulleiter der Leibniz Privatschule in Elmshorn und Kaltenkirchen nicht. Wir unterstützen die Forderung nach Präsenzunterricht in allen Schulstufen. Distanzunterricht kann nur im äußersten Notfall ein – schlechter – Ersatz sein. Es gilt: Pädagogik vor Technik.
Barbara Manke-Boesten, Egon Boesten, Schulleiter und Geschäftsführer der Leibniz Privatschule Elmshorn & Kaltenkirchen

Wer übernimmt Verantwortung?

12. Januar: Leserbrief: "An Feiertagen frei?" und 6. Januar: "Lockdown länger und schärfer - Jeder Haushalt darf nur eine Person treffen"

Herr Block ist ein unverbesserlicher Ignorant. Dass es im Detail berechtigte Kritik gibt, ist unbestritten. Aber Herr Block übersieht die täglichen Infektionszahlen zwischen 12 bis 30.000 und die täglichen Todesfälle zwischen 300 und 1.000. Bei allem Verständnis für die prekäre wirtschaftliche Lage vieler geschlossener Geschäfte, wer übernimmt dafür die Verantwortung? Herr Block offensichtlich nicht.
Otto Obes

Mobil mit der Tram

9./10. Januar: "Wie die Stadt der Autos ihr Antlitz wandelt. Die Mobilitätswende wird Hamburg verändern, Radfahrer und Fußgänger sollen verlorene Räume zurückbekommen"

Ich möchte ihnen für ihren großen Artikel zum Thema Mobilität in Hamburg danken. Sehr interessant! Könnte fortgesetzt werden, denn es fehlen doch zeitnahe Vergleiche, bzw. die vielleicht entscheidenden Umbrüche in Hamburg.
Zum Beispiel beim Thema Straßenbahn. Leider hat ja schon 1958 die damalige SPD beschlossen, die Straßenbahn einzustellen. Hamburg hatte das größte Straßenbahnnetz in Deutschland. 1960 gab es 19 Linien, eine Netzlänge von 186,7 Kilometern mit 366 Kilometern Gleisen und 347 Haltestellen. Als Schienenfreund in Hamburg kann ich mir immer noch nicht vorstellen, dass das einfach abgeschafft wurde. Es gab alle 500 Meter eine Haltestelle. Ich konnte von Harburg bis zum Hochkamp fahren, vom Hohenzollernring nach Hamm.
Hamburg neu denken und mit weniger Autos heißt für mich, die Schiene stärken und die Tram-Schiene wieder auf die Straße bringen. Ist zehnmal billiger als eine U-Bahn. Für die sechs Milliarden Euro Baukosten für die U5 könnten wahrscheinlich 50 Kilometer Straßenbahn gebaut werden. Würde für viele Menschen auch mit dem Fahrrad eine wirkliche Alternative sein, es gibt Straßenbahnen mit speziellen Fahrradwaggons. Eine erste Linie könnte ich mir vom jetzigen Bahnhof Altona raus nach Osdorf vorstellen. Der grüne Senator könnte dazu in Bremen in die "Lehre" gehen, in Nürnberg oder in Paris.
Andreas Müller-Goldenstedt​