Überzogene Formulierung

3. November: „Stefan Gwildis schreibt an Angela Merkel. Der Hamburger Sänger warnt in einem offenen Brief vor den Folgen des Kultur-Lockdowns

Das Herr Gwildis die Maßnahmen als „Sargnagel für unsere Demokratie“ bezeichnet, halte ich doch für stark überzogen. Mit solchen (veröffentlichten) Briefen werden sich einige „Corona-Müde“ von den Richtlinien abwenden. Wir brauchen aber jeden einzelnen Menschen, sich und andere zu schützen.

Jutta Winter

Schmerzhaft, aber notwendig

Wenig hilfreich ist die Feststellung von Herrn Gwildis, die Maßnahmen seien „ein Sargnagel für unsere Demokratie“, weil den „Populisten Tür und Tor geöffnet“ werden. Im Gegenteil, solch maßlose Kritik an notwendigen, wenn auch schmerzhaften Maßnahmen, die immerhin durch umfangreiche staatliche Hilfen abgemildert werden, ist kaum weniger schädlich als die der Corona-Leugner. Und wenn Herr Gwildis Unterhaltungswirtschaft und Gastronomie als „erste große Corona-Opfer“ bezeichnet, dann bezeugt das seine eingeschränkte Sicht auf das breite Spektrum der bisherigen Pandemieopfer.

Ulrich Reppenhagen

Mehr Abstand im Gottesdienst

2. November: Gastbeitrag: „,Gaststätten werden aus offensichtlicher Willkür geschlossen‘. Für den renommierten Hamburger Rechtsanwalt Gerhard Strate sind die Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern unverhältnismäßig“

So sehr ich selbst die Schließung der diversen Kultureinrichtungen bedaure und hoffe, dass bald in Sachen Ansteckungsgefahr besser differenziert werden kann: Die Gleichsetzung der Gefahren von Besuchen in Restaurants mit dem Gottesdienst kann ich nicht stehen lassen. Bei Restaurantbesuchen mit guten Hygienekonzepten ist trotzdem die Nähe der Gäste an einem Tisch gegeben. Im Restaurant setzen wir die Masken ab, es wird sich unterhalten, vielleicht sogar gelacht. Dies fand auch in vielen modernen Formen des Gottesdienstes statt – der „Klassiker“, den wir nach unserem Hygienekonzept feiern, ergibt folgenden Unterschied zum Restaurant: Unsere Teilnehmenden sitzen mit Abstand von 1,50 Meter rundum (ausgenommen zwei Plätze nebeneinander für Menschen aus einem Haushalt). Sie sitzen hintereinander und nicht gegenüber oder über Eck. Sie behalten ihren Mund-Nasenschutz während des gesamten Gottesdienstes auf und singen nicht, höchstens wird hinter der Maske gemurmelt. Die Deckenhöhe der Kirche bietet mehr Raumluftvolumen für die Aerosole als die meisten Gaststätten. Nach maximal 45 Minuten ist der Gottesdienst beendet und die Besucher verlassen ohne Begegnung im „Einbahnprinzip“ die Kirche. Traurig genug, dass wir auf wesentliche Elemente der gewohnten Gottesdienste verzichten: Sie wären länger, beinhalteten Begegnung, Gesang und Berührung, mit anschließendem regen Austausch. Trotz dieser Einschränkungen sind unsere Gottesdienste auffallend gut besucht bis zum maximal Zulässigen – freudlos erschien mir da niemand. Wenn Herr Strate einen Vergleich ziehen möchte, dann wohl eher mit der Sitzordnung und Verhaltensweise im Theater, Konzert und Kino. Und wir wären sicher dankbar, wenn wir nach dem Kirchgang ein gemütliches Beisammensein beim Essen genießen könnten. Die Zeiten der Angst vor dem strafenden Gott sind in unserer Kirche lange vorbei – Frau Merkel, aus einer protestantischen Familie stammend, wird daran auch nicht glauben.

Rosi Kiel, stellv. Vorsitzende Ev.-Luth. Kirchengemeinde Schnelsen

Die Maßnahmen sind sinnvoll

Nein! Es ist keine offensichtliche Willkür, dass neben anderen Einrichtungen auch Gaststätten geschlossen werden. Auch wenn Gaststätten möglicherweise nicht zu den Treibern des pandemischen Geschehens gehören, geht es doch darum, verzichtbare Kontakte zu reduzieren. Das Ziel dieser Maßnahmen besteht darin, ein Infektionsgeschehen zu erreichen, bei dem die Gesundheitsämter wieder die Möglichkeit haben, Infektionsketten nachvollziehen zu können. Man könnte jetzt alle Bereiche beleuchten, die von diesen Maßnahmen betroffen sind, um dann festzustellen, dass sie alle nicht zu den Treibern des Infektionsgeschehens gehören, weil schlicht und einfach gar nicht nachzuverfolgen ist, wo sich jemand genau angesteckt haben könnte. Sollen Politiker nun darauf verzichten, auf diese Pandemie zu reagieren? Ich bin sehr froh, dass über Parteigrenzen hinweg unsere Politiker eine verantwortungsbewusste Arbeit leisten und sich für ihre häufig schmerzvollen Entscheidungen von ausgewiesenen Fachleuten beraten lassen. Die große Mehrheit der Bevölkerung hat sich ja in den vergangenen Monaten sehr verantwortungsbewusst verhalten. Dass Herr Strate jetzt unterstellt, dass sich die Menschen „klammheimlich im Privatbereich versammeln“, entspricht sicher nicht der Lebenswirklichkeit. Die Kanzlerin als „Volkserzieherin“ herabzuwürdigen und ihr den latenten Wunsch nach gottgefälligem Umgang mit der Pandemie zu unterstellen, ist schon recht kühn. Sie hat diese schmerzvollen Beschlüsse ja gar nicht gefasst, sondern Bund und Länder. Vielleicht hatte sie ja gute Argumente und konnte damit überzeugen.

Gunnar Wetzel

Jeder Satz ein Treffer!

Glückwunsch zu diesem brillanten Artikel. Man kann ihn nur nickend lesen. Jeder Satz ein Treffer! Die Kanzlerin als „Volkserzieherin“, genau darin suhlt die sich! Verstehen muss man die Willkür gegen die Gastronomie nicht.

Christiana Grajecki, Grosshansdorf

Lieber Hybridkonzept starten

2. November: „Gegen Corona: Hamburgs Schulen sollen Plexiglasscheiben kaufen. Stadt stellt pro Klassenzimmer 400 Euro zur Verfügung. Geld kann auch für CO2-Ampeln ausgegeben werden“

Nach zwei Wochen Unterricht seit den Herbstferien hat sich herausgestellt, dass die Hamburger Schulen nicht sicher vor Covid-19 sind. Die Behörde stellt nach Außen eine heile Welt mit Masken und Dauerlüften dar und gefährdet dabei die Gesundheit von Kindern, Schulmitarbeitern und deren Familien. Auch wenn Herr Rabe gerne von Einzelfällen spricht, gibt es immer mehr Schulen die täglich neue Corona-Fälle haben. Die Maßnahmen und Informationen von der Schulbehörde, den Schulen oder dem Gesundheitsamt sind unbefriedigend. Es gibt weder eine konkrete Vorgabe, wann Quarantänemaßnahmen ergriffen werden, noch unter welchen Bedingungen die Schulen in einen Hybridunterricht (der ja von allen Schulen vorbereitet ist) wechseln. Die Eltern müssen jeden Morgen, aufgrund lückenhafter Informationen und Chatverläufen, in Elterngruppen entscheiden, ob sie ihre Kinder noch guten Gewissens in die Schule schicken können. Die Elternkammer hat Mitte Oktober schon gefordert, das Hybridkonzept zu starten, das wurde damals noch als Abschaffung der Schulpflicht kommentiert, nach den heutigen Informationen wäre das die bessere Maßnahme gewesen. Zuletzt verlieren auch die Kinder immer mehr die Lust auf Schule. Unter den Umständen ist ein produktiver Unterricht nicht mehr möglich. Jede Woche neue Beschränkungen und negative Nachrichten sind kein Bildungskonzept. Dann besser ein klarer Schnitt und die Schulen wieder schließen oder ein Hybridkonzept wie vor den Sommerferien umsetzen.

Stephan Klöckner

Kultur ohne Bedeutung?

2. November: „Tschentscher: ,Das ist die letzte Chance.‘ Corona-Pandemie: Heute startet der vierwöchige Teil-Lockdown“

Wenn es sich gerade anbietet, führen Politiker gerne das große Wort von der Bedeutung der Kultur für die Menschen. Bei den Vorschlägen, was im Lockdown zu schließen sei, standen im Arbeitspapier von Bund- und Länderchefs die Kulturbetriebe an erster Stelle. Und siehe da – trotz mahnender Wort von Herrn Brosda wird wieder alles dicht gemacht. Sogar die Museen, die wurden im besagten Papier noch gar nicht mal erwähnt (wahrscheinlich ein Flüchtigkeitsfehler). Die Wichtigkeit der Kultur ist für die politisch Verantwortlichen exakt so groß wie der Kulturetat: zwei bis drei Prozent.

Stefan Kressin