Lockdown für den ÖPNV

2. November: „Tschentscher: ,Das ist die letzte Chance‘. Corona-Pandemie: Heute startet der vierwöchige, teilweise Lockdown. Die Sieben-Tage-Inzidenz erreicht mit 132,8 einen neuen Höchststand“

Wir waren im Oktober in drei verschiedenen Theatern. Das Hygienekonzept war gut durchdacht und wurde befolgt und überwacht. Wir haben uns jederzeit sicher gefühlt. Warum nun dieser pauschale Lockdown? Gibt es Hinweise darauf, dass sich Personen in Theatern angesteckt haben? Oder in Restaurants, die ebenfalls die Corona-Regeln befolgt haben? Die Gleichbehandlung mit Bars ist nicht akzeptabel. Eher müsste der Lockdown für öffentliche Verkehrsmittel gelten. Dort gibt es noch reichlich Fahrgäste, die sich nicht an die Corona-Regeln halten.

Reinhard Hartung

Trauriges Novemberland

Danke für Ihre Berichterstattung zum erneuten „Lockdown“. Ostern ging es ja noch, aber ein emotional aufgeladener dunkler, nasser Totenmonat als steriler Covid-19-November? Am Reformationsfest haben wir nach dem evangelischen Gottesdienst im Michel einige Geschäftstreibende in unserer Innenstadt besucht – alle sorgenvoll, erschöpft und in ihrer Existenz bedroht. Eine lebendige Innenstadt als ein trauriges Novemberland. Wir sollten gerade deshalb miteinander alles dafür tun, diese Pandemie durchzustehen und zu bewältigen. Gott stehe uns auf diesem Weg bei.

Gemeindereferentin Renate Schmidt und Pfarrer Felix Evers,

Katholische Pfarrei Sankt Paulus

Keine Ahnung von Technik

29. Oktober: „Wir wussten doch, was zu tun ist. Aber viele haben sich nicht an die Corona-Regeln gehalten. Jetzt bekommen alle die Quittung. Was läuft falsch im Land?“

Sie haben es mit der „Zettelwirtschaft in den Ämtern“ in Ihrem Leitartikel angedeutet: Selbst aus dem IT-Chaos der Flüchtlingswelle 2015 hat man nichts aus der Erkenntnis gelernt, dass sich Hard- und Software von der Kreis- bis zur Bundesebene nicht miteinander „unterhalten“ können. „Plötzlich“ merkt man, dass auch Gesundheitsämter weder untereinander Daten austauschen, noch die handgeschriebenen Personendaten aus Bars und Restaurants lesen oder (automatisch) verarbeiten können. Auch 45 Jahre nach Erfindung des tragbaren Computers kann man heute noch Lehrer werden, ohne auf der Uni je Kurse in Sachen Computer-/Digital-Kompetenz belegt haben zu müssen. Lehrer stecken noch tief in der „Kreidezeit“ und fahren lieber kopierte Aufgaben-Zettel mit ihrem Auto von Schüler zu Schüler. Digitale Realität in der Exportnation Deutschland 2020. Ursache all dieses allgegenwärtigen IT-Chaos ist die technische Unkenntnis und Inkompetenz der politisch Verantwortlichen. Und die zieht sich quer durch alle Parteien, von der Kreis- bis zur Bundesebene. Ob Hamburgs „Wissenschafts“-Senatorin oder selbst die für Forschung und Bildung zuständige Bundesministerin: Von Technik haben sie alle nicht den Ansatz einer Ahnung. Geschweige denn einen technischen Hintergrund.

Peter Becker, hightech presseclub

Alle werden gebraucht

27. Oktober: „Wirtschaft in Not. Die Folgen eines zweiten Lockdowns wären für Unternehmen und Selbstständige fatal“

Zuerst waren es die Kassiererinnen und die Pflegerinnen, denen mit Straßenchören und Hinterhofkonzerten eine verdiente, aber nie gekannte Aufmerksamkeit und Wertschätzung zuteil wurde. Gesungen und geklatscht wurde auch oft von Balkons, deren Wohnungsmieten sie sich niemals leisten könnten. Mittlerweile fragen sich Feuerwehrleute und Paketboten, Polizisten und Trucker, Erzieherinnen und Logistiker, Briefträgerinnen und Busfahrer, Kulturschaffende und Bauarbeiter, warum sie in diesem System nicht mehr relevant sind. Ein Gefühl von Herabsetzung und Diskriminierung macht sich breit. Vor einem Jahrzehnt wurden große und wirtschaftlich bedeutende Banken besonders gefördert, um die Finanzkrise zu bewältigen. Systemrelevant? Für die Spargelernte wurden 80.000 Saisonkräfte im April und Mai aus Osteuropa per Sondergenehmigung nach Deutschland geflogen. Systemrelevant? Über 17 Millionen Ehrenamtliche führen Arbeiten aus, die der Staat, soziale Einrichtungen und Träger nicht finanzieren können oder wollen. Sie füllen damit eine wichtige Lücke in der Versorgung der Gesellschaft. Systemrelevant? Eine Studie „Wie Migrant*innen in unsicheren Arbeitsverhältnissen unser Gemeinwesen aufrechterhalten“, zeigt, dass gerade in prekären Branchen sehr viele Migrantinnen und Migranten beschäftigt sind. Ohne sie funktioniert unsere Gesellschaft nicht. Systemrelevant? Einer Legende nach soll Bill Clinton bei einem Besuch der Nasa einen Raumpfleger, der im Keller mit einem Besen in der Hand am Fahrstuhl stand, gefragt haben, was seine Aufgabe sei. Er antwortete: „Ich sorge dafür, dass Amerika zum Mond fliegen kann“. Systemrelevant? Was zu Beginn der Pandemie wertschätzend gemeint war, ist mittlerweile auch zu einem Begriff der Ausgrenzung geworden. Welches System ist gemeint? Die Humandienstleistungen wegen ihrer besonderen Gesundheitsgefährdung? Oder der Einzelhandel wegen der Kundennähe? Oder die Logistikbranche wegen der Versorgungssicherheit? Oder die Lehrer wegen der Bildungschancen? Oder, oder …? Die Betriebsräte von Krankenhauskonzernen wie Asklepios sagen in einem Offenen Brief an Jens Spahn empört „nein“ zur Mitverantwortung bei der Verteilung einer Prämie nur für die Pflege: Sie wollen nicht „den einen den Bonus zuteilen und den anderen nicht.“ Solidarisch! Ein weiser Bibelspruch des Apostel Paulus lautet: „Das Auge kann nicht sagen zu der Hand: Ich brauche dich nicht; oder wiederum das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht. Vielmehr sind die Glieder des Leibes, die uns schwächer erscheinen, die nötigsten“ (1. Kor 12,21f.). Alle Menschen sind Leistungsträger in unserer Gesellschaft, auch wenn das manche gelegentlich anders sehen wollen. Wir sollten uns von dem Begriff „systemrelevant“ verabschieden. Er schafft mehr Spaltung als Wertschätzung. Alle werden gebraucht.

Wolfgang Rose

Ein wahrer Lichtblick

30. Oktober - 1. November: „Unser Leben geht weiter! Der Lockdown wirft uns auf uns selbst zurück. Zeit, zur Besinnung zu kommen. Gedanken von Matthias Iken“

Die Ausgewogenheit in Herrn Ikens Beitrag hat mich begeistert. Dieser Artikel ist ein wahrer Lichtblick im grauen Einerlei von Zahlen und Statements, die viele Menschen in Angst und Panik versetzen. Ohne zu verharmlosen, schafft es Herr Iken, einmal andere Perspektiven aufzuzeigen. Eine wahre Wohltat in unserer schwierigen Zeit.

Ulrike Limpach

Gemeinsam ein Ziel verfolgen

Den, wie ich finde, wichtigsten Gedanken fasst Herr Iken am Ende des Beitrags zusammen, nämlich die Hoffnung, dass das bislang als alltäglich wahrgenommene Glück demütig als Geschenk empfunden wird. Dies ist eine verlockende Vorstellung, nach meiner Beobachtung ist dafür aber noch ein Stück des Weges zu gehen. Ich staune fassungslos, wenn mit Partys in den Lockdown hineingefeiert wird, wenn die Angabe von Spaßnamen als Kontakt in Restaurants mit Datenschutz verteidigt wird, und wenn ganz allgemein private Interessen über die der Gemeinschaft gestellt werden. Diese Beobachtung mache ich beispielsweise, wenn es um private Feiern in großem Kreis geht und beim Beharren auf Reisen, die angesichts der Folgen für das Infektionsgeschehen besser unterblieben wären. Von Demut, dass wir in einem Land mit einem der weltweit besten Gesundheitssysteme leben und deren Überlastung tunlichst vermeiden sollten, oder von sozialen Gedanken an die Gemeinschaft leider keine Spur. Wohlgemerkt sind dies Einzelfälle, die ich nicht auf die verantwortungsvolle Mehrheit der Bevölkerung verallgemeinern möchte. In der derzeitigen Lage der exponentiellen Ausbreitung des Virus haben diese Einzelaktionen allerdings gravierende Folgen. Deshalb wünsche ich mir von uns allen ein noch besseres, gemeinsames Mitziehen bei den auferlegten Regeln. Sie sind ohne Zweifel hart, aber notwendig und vielleicht gelingt es uns ja, jeder in seinem Umfeld, für deren Einhaltung zu werben.

Dr. Stephan Risse