Die Einheimischen leiden

10. September: „,Es ist alles vernichtet‘. Ein Feuersturm, ausgelöst offenbar von Brandstiftern, fegt durch das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos. Was wird aus den Tausenden Bewohnern?“

Die Lage in Moria, und die Unfähigkeit mit der Situation gut umzugehen, sind schon lange nicht mehr auszuhalten. Nach dem verheerenden Feuer branden nun viele Moralappelle auf. Und auch die sind schwer auszuhalten, denn ich habe bisher keine Stimme gehört, die neben den Geflüchteten auch die Bevölkerung von Lesbos im Blick hat. Alle Menschen auf der griechischen Insel leiden unter der ungeklärten Situation. Auf Lesbos ist nichts mehr, wie es einmal war, und die Angst, die Sorgen, die Überforderung der Einheimischen dürfen nicht vergessen werden. Kluge Hilfe braucht nicht moralischen Druck, sondern offene Herzen für alle, deren Leben durch die Fluchtwellen durcheinander kommt. Nur so kann man die Hilfsbereitschaft von Menschen überall in Europa gewinnen. Alles, was Ängste steigert, ist kontraproduktiv. Unter Umständen auch moralische Appelle.

Bernd Lohse, Hamburg

Neues Konzept für die City

10. September: „,Hamburgs Mittelschicht fällt ökonomisch auseinander‘. Henning Vöpel, der wichtigste Volkswirt der Stadt, warnt vor den Folgen der hohen Wohnkosten in Hamburg, fordert Tempo beim Umbau der lokalen Wirtschaft und liebäugelt sogar mit einer Vermögensteuer“

Ich frage mich, welchen Sinn es macht, mit Blick auf die aktuelle Schließung größerer Einzelhandelsflächen in der Innenstadt darüber zu reden, welche neuen Läden dort einziehen sollten. Hamburgs City muss komplett neu gedacht werden. Die Zeit des stationären Einzelhandels in seiner bisherigen Form läuft ab, der Onlinehandel ist nicht aufzuhalten. Wir brauchen in der City keine neuen Läden und keine neuen Büros, sondern neue Formen der sozialen Interaktion, Sportangebote, Kultureinrichtungen, Gastronomiekonzepte und bezahlbaren Wohnraum, der für Lebensqualität steht. Also nicht wieder mehrere Hundert Neubauwohnungen auf engstem Raum, wie sie jüngst an vielen Ecken der Stadt entstanden sind. Nein, das ist nicht die Zukunft. Die Wahrnehmung von Städten verändert sich gerade. Die frei werdenden Flächen müssen für neue Konzepte urbanen Lebens verwendet werden. Hamburgs Innenstadt kann so zu einem innovativen Modell für andere europäische Metropolen werden. Es ist doch absurd, hier neue, riesige Einkaufszentren zu genehmigen, obwohl man weiß, dass die Zeit der Shopping-Center vorbei ist.

Jens Neubauer

Masken für alle Schüler

10. September: „Senator: Erste Corona-Infektionen innerhalb einer Hamburger Schule“

Was ist das für ein Rumgeeiere. Es gibt doch nur einen Weg: Masken für alle Schüler und Lehrer und zwar im Unterricht sowie auf dem Schulhof von der ersten Klasse bis zum Abitur. Auch den Kleinsten ist das durchaus zuzumuten. Dann hat die ewige Quarantäne von ganzen Schulklassen endlich ein Ende.

Birgit Kraft, Bergedorf

Unschöne Nebenwirkungen

9. September: „Ärger um Obdachlosen-Unterkunft. Betrunkene, Urin, Müll: Lokstedter klagen über Belästigung durch Bewohner auf Straßen und Grünanlagen“

Als Anwohner in unmittelbarer Nachbarschaft haben wir nach wie vor im Alltag mit den leider sehr unschönen Nebenwirkungen der Obdachlosen-Unterkunft an der Kollaustraße zu tun, die eindeutig eine erhebliche Belastung darstellt. Von einer „weitgehend störungsfreien Integration in den Stadtteil“ – wie von der Sozialbehörde behauptet – kann keinesfalls die Rede sein. Es wird auch weiterhin durch alkoholisierte Bewohner der Unterkunft in Vorgärten uriniert und Unrat hinterlassen. Die Tätigkeit der zusätzlichen Sicherheitsmitarbeiter kann bestenfalls als halbherzig bezeichnet werden. Dies insbesondere, wenn man beim Rundgang („Streife“) nur permanent auf sein Mobiltelefon starrt und sich nicht für seinen eigentlichen Auftrag interessiert. Zudem ist nicht erkennbar, dass das von der Sozialbehörde verfolgte Konzept gewährleistet, dass von den Obdachlosen die aktuell geltenden Vorschriften zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (Abstand einhalten, Hygieneregeln beachten, Alltagsmaske tragen) eingehalten werden. Zu guter Letzt: Unsere schriftlich formulierten Bedenken an die Sozialsenatorin sind seit drei Monaten unbeantwortet.

Claudia und Nikolaus Mohr, Lokstedt

Ausgezeichnete Unternehmen

9. September: „Der Mythos Start-up wird begraben. Mit einer tollen Idee Milliarden kassieren – so war das früher. Manchmal. Heute herrscht ein brutales Zerstörungsbusiness“

Soso, Hajo Schumacher trägt die Start-up-Kultur zu Grabe. Natürlich gibt es eine ganze Reihe von prominenten Beispielen, wo unter Nutzung des Hypes um hippe Unternehmensgründungen viel Geld verbrannt wurde, das vorher nicht verdient wurde. Aber so undifferenziert wie hier beschrieben, ist der Abgesang nicht fair, sondern fehl am Platz. In der Hansestadt gibt es eine Menge ausgezeichneter Start-up-Unternehmen, vor allem mit wissenschaftsbasiertem Hintergrund. Sie entspringen den Forschungsaktivitäten im Desy, im Health Innovation Port oder der TUHH und sind eben nicht alle zum Zweck eines schnellen und profitablen Verkaufs gegründet. Sie verdienen unseren Respekt und unsere Unterstützung. Wer die Start-up-Kultur schlecht redet oder gar lächerlich macht, muss sich nicht wundern, wenn in der Zukunft woanders geforscht, entwickelt, gegründet und auch Geld verdient wird.

Otto Wyczig

Kinder sind keine Götter

9. September: „Viele Kinderlose fühlen sich diskriminiert. Eine Studie des Familienministeriums zu Frauen und Männern mit unerfülltem Kinderwunsch kommt zu einem alarmierenden Ergebnis“

Diskriminierungserfahrungen und Ausgrenzung ungewollt Kinderloser will Franziska Giffey mit Unterstützungsangeboten und dem Sprechen über dieses Thema entgegnen. Das ist gut, aber zu einseitig. Das gesellschaftliche Vorurteil und der soziale Erwartungshorizont, wonach man sich ein Lebensglück ohne Kinder nicht vorstellen kann, sollten eher in den Fokus der Diskussion gestellt und aus der Tabuzone des gesellschaftlichen Konsens herausbefördert werden. In diesem Zusammenhang verweise ich auf das Buch von Verena Braunschweiger „Kinderfrei statt kinderlos“. Frauen und Männer sind keine „halben Menschen“, wenn sie keine Kinder haben, und Kinder sind keine Götter.

Susanne Mentzel, Hamburg

Abgaben gerechter verteilen

7. September: „1200 Euro einfach so – macht das glücklich? Ein ganz besonderes Forschungsprojekt: 120 Bürger sollen drei Jahre ein bedingungsloses Grundeinkommen erhalten“

Ein Grundeinkommen, bedingungslos, ist kein Königsweg zum Glück und es kommt damit auch nicht das Schlaraffenland auf Erden. Dafür ist es auch nicht gedacht. Und „ohne dafür etwas leisten zu müssen“? Wird nicht so unendlich viel in unserer Gesellschaft geleistet, in der Sorgearbeit, in der Kindererziehung, in der Pflege, durch ehrenamtliche Arbeit, ohne dass diese Arbeit finanziell abgegolten wird? Und was heißt denn „nicht finanzierbar“? Es ist finanziert. Es wird durch unsere Abgaben und Steuern finanziert, die nur etwas anders, gerechter, verteilt werden müssten. Und: „Wenn man alle Menschen über einen Kamm schert, ist das eben gerade nicht gerecht“, so Prof. Henning Vöpel vom HWWI. Das Grundeinkommen geht in der Tat einher mit der für viele unangenehmen Frage nach einer gerechten Einkommens- und Vermögensverteilung. Sonderbedarfe werden in so gut wie allen Konzepten zum Grundeinkommen berücksichtigt. Im Übrigen ist doch schon Vor-Wahlzeit. Wurde nicht vor jeder Bundestagswahl eine Steuerreform versprochen? Zur Abwechslung vielleicht einmal zu Gunsten der Hartz-IV-Empfänger, der Geringverdiener und Vermögenslosen.

Helgo Klatt