Leserbriefe

Briefe an die Redaktion: 3. September 2020

| Lesedauer: 8 Minuten

Fehler in der Konstruktion?

2. September: „Hamburgs 227-Millionen-Euro-Blamage. Exklusiv: Kosten für Pannenbrücke über die Rethe deutlich höher als angenommen“

Die Rethebrücke ist zumindest zurzeit im wahrsten Sinne des Wortes „herausragend“. Dass man sich bei der Zeit, die für die Herstellung oder die umfassende Reparatur eines Hubzylinders – bei dem es sich offensichtlich um eine Sonderkonstruktion handelt – benötigt wird, keinen Ersatzzylinder hingelegt hat, ist schwer zu verstehen. Sollte es konstruktionsbedingt unterschiedliche Zylinder für Bahn- und Straßenbrücken geben, oder sollten z.B. rechte und linke Zylinder unterschiedlich sein, dann ist das meines Erachtens ein grundlegender Fehler in der Konstruktion. Aber wahrscheinlich wollte man bei der Hamburg Port Authority (HPA), nachdem die Kosten gegenüber der ursprünglichem Planung bereits um das Zweieinhalbfache gestiegen sind, unbedingt Geld sparen, und sich statt dessen für einen weiteren Superlativ feiern lassen. Dass das zu Lasten der betroffenen Hafenbetriebe geht, scheint zumindest bei der HPA niemanden zu interessieren, und Konsequenzen irgendwelcher Art bei der HPA sind auch nicht zu erwarten – alles wie immer...

Dr. Thomas Koch

Fahrräder sind ein Rückschritt

1. September: „Auf Radwegen in die Zukunft? Bei aller Begeisterung: Es gibt noch andere Themen ...“

Der sukzessive Umbau der Weltstadt Hamburg zu einer „Fahrradstadt“ ist die größte Fehlentscheidung der letzten Zeit. Es ist richtig, dass es mit dem Autoverkehr nicht so weitergehen kann wie bisher. Jetzt aber eine Kehrtwendung zurück in die vergleichsweise primitive Vergangenheit zu machen, ist nicht die Lösung. Was geschieht mit dem Fahrradverkehr, wenn es regnet, wenn ich etwas zu transportieren habe, wenn ich jemanden mitnehmen muss (etwa Kranke oder Alte), oder wenn Glatteis herrscht? Das Fahrrad ist ein Rückschritt, auch weil es technischen Fortschritt leugnet, statt ihn zu nutzen und auf intelligente Weise weiterzuentwickeln. Was beim Radlerkonzept überhaupt nicht versucht wird, ist fortschrittlich zu denken. Tatsächlich brauchen wir ein absolut neues, zukunftweisendes und zeitgemäßes Verkehrskonzept. Statt aus scheinbarer Umweltliebe die Augen vor der realen Entwicklung zu verschließen und sich in nostalgischen Retrokonzepten zu verlieren, sollten wirklich innovative Ideen entwickelt werden. Ein Team aus Fachleuten aller betroffenen Richtungen wäre geeignet, um wirklich effektiv zu planen. Der gesamte innerstädtische Verkehr muss von Grund auf neu gedacht werden, und nicht mit halbgarem Flickwerk zurecht gezwungen werden. Das bringt nur noch mehr Stress, Aggressionen und Enge auf die Straßen, und zieht weitere Nachbesserungen nach sich, bis überhaupt nichts mehr geht. Konsequent und mutig sein und ganz neue Konzepte entwickeln, das ist die Lösung, das ist ein angemessener Umgang mit dem Problem, das ist der Weg, der wirklich in die Zukunft führt!

Jan Rieckhoff

Radfahren neu bewerten

Grundsätzlich haben Sie Recht. Davon, dass Senatoren sich um den Radverkehr kümmern, hat dieser normalerweise recht wenig. Es kommt auf die Mitarbeiter in den mit der Verkehrsplanung befassten Behörden an. Hamburg veröffentlicht viele Hochglanzbroschüren, ohne dass bisher viel für Radfahrer getan wurde. Diesmal aber gab es wirklich wichtige Themen. Der Abstand beim Überholen von Radfahrern ist ein für Radfahrer lebenswichtiges Thema, interessanterweise gerade in Tempo 30-Zonen, die zum Schutz auch des Radverkehrs verkehrsberuhigt wurden. Dazu wurden die Fahrbahnen geschmälert, was häufig dazu führt, dass gerade dort Radfahrer vom rechten Seitenspiegel des Überholers gestreift werden. Das muss anders werden! Das Thema Radfahren ist in Coronazeiten neu zu bewerten. Dass auch im Herbst und Winter Rad gefahren wird, dürfte erstmals seit mehr als 50 Jahren für die Wirtschaft überlebenswichtig sein. Denn der ÖPNV ist angeschlagen und unbeliebt. Die Leute müssen aber zur Arbeit und sollen einkaufen. Der Umstieg auf das Auto dürfte den Verkehr komplett zusammenbrechen lassen. Radfahren ist damit endgültig raus aus der Freizeitecke. Dann dürfen, nein müssen auch mal die Senatoren ran.

Frank Bokelmann

Schuld haben oft beide Seiten

1. September: „Rentner überrollt Radfahrerin. Autofahrer übersieht 30-Jährige am Wiesendamm“

Schulanfänger lernen, wie sie sich als Fußgänger im Straßenverkehr verhalten sollen. Kontrollblicke nach links und rechts sollen die Sicherheit erhöhen. Kann es sein, dass Radfahrer diese Vorsichtsmaßnahme aus der Kinderzeit vergessen haben oder meinens sie, ihr Recht durchzusetzen wird schon klappen? Wenn Verkehrsteilnehmer auf eine Kreuzung zufahren, sollte jedem klar sein, dass Konfliktsituationen entstehen können, und es klüger ist, abzubremsen und den Verkehr zu beobachten, als mit Vollgas durchbrettern zu wollen. Das soll keine Entschuldigung für den Rentner sein, der eine Radfahrerin übersehen hat und sie überfährt. Wer aber im fließenden Verkehr rechts andere Verkehrsteilnehmer überholt, sollte sich schon bewusst sein, dass damit auch Risiken verbunden sein können. Wer als Autofahrer zu schnell fährt oder rote Ampeln ignoriert, der ist ganz schnell seinen Führerschein los. Bei Radfahrern gibt es dieses Damoklesschwert nicht – so sieht es dann auch in der Praxis häufig aus: Rote Ampeln werden missachtet, telefonieren ist keine Seltenheit oder mit Kopfhörern wird Musik genossen. Die Unfallursachen sind leider oft nie so eindeutig, um die Schuld dafür nur einer Seite zu geben.

Dietmar Johnen-Kluge

Kein Allerweltsereignis

31. August: „,Angriff auf das Herz unserer Demokratie‘. Entsetzen in Berlin: Rechtsex­treme versuchen, Bundestag zu stürmen“

Ihre Berichterstattung über die Groß-Demo in Berlin beschränkt sich auf die Geschehnisse vor dem Reichstagsgebäude einschließlich entsprechender Fotos. Unter objektivem Journalismus verstehe ich aber, dass Sie auch über die vielen tausend, friedlich demonstrierenden „normalen“ Menschen, illustriert mit einigen Bildern, ausführlicher berichten, statt dies nur in einigen Nebensätzen zu tun. Es handelte sich ja nun immerhin um kein alltägliches Allerweltsereignis.

Thomas Albrecht

Verbote sind keine Lösung

28. September: „Corona – das sind die neuen Regeln“

Herr Söder und die deutsche Politik sollen keine Signale senden, sondern angemessene Lösungen anbieten. Gleiches gilt auch für Herrn Tschentscher, der sich in seiner Rolle neben Frau Merkel und Herrn Söder ähnlich restriktiv gibt. Es ist nicht die Aufgabe der Politik, eine Vielzahl von Wirtschaftsunternehmen in die Insolvenz zu treiben, wenn es auch anders geht. Jede Sportveranstaltung mit nummerierten Sitzplätzen ist möglich, wenn die Plätze nur online gebucht werden können und ab Bahnhof oder Auto verpflichtend Masken getragen werden müssen. Dieses gilt selbstverständlich auch am Eingang und über den ganzen Spielverlauf am Platz. Wenn diese Vorgabe korrekt umgesetzt wird, kann jedes Stadion, Theater und Konzert bis zu 50 Prozent gefüllt werden. Es ist ein Witz, wenn Herr Tschentscher 1000 Zuschauer als Höchstzahl für das Tennisturnier am Rothenbaum vorgeben will. Gerade dort, wo es nur Sitzplätze gibt und ein intelligentes Publikum, stellt es kein Problem dar, innerhalb und außerhalb der Plätze mit einer Maske die gewünschte Sicherheit zu bieten. Selbstverständlich dürfen die Tickets auch hier nur online verkauft werden, und die Zahl der Ordner muss erhöht werden, um die Einhaltung der Maskenpflicht zu gewährleisten. Dieses hohe Maß an Sicherheit werden der Politik auch sicherlich die Virologen bestätigen können: Wenn zwei Personen nebeneinander eine Maske tragen, ist auch ein Abstand von einem Meter ausreichend, weil keiner das Virus empfangen kann, wenn es keiner abgibt. Ein Verschanzen in eine Position von noch mehr Sicherheit wird dem Problem nicht gerecht. Da das Corona-Problem uns noch ein weiteres Jahr begleiten wird, müssen Politik und Bürger beginnen, damit verantwortlich zu leben. Verbote können über die lange Zeit nicht die Lösung sein.

Helmut Koppermann, Wedel

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