… die Großen lässt man laufen

22. Juni: Eigene Corona-Regeln verletzt? Druck auf Innensenator steigt. CDU fordert Rücktritt und Mehr als ein Fehltritt. Der Umtrunk mit 30 Gästen von Innensenator Grote setzt ein verheerendes Zeichen

Während der Herr Innensenator mit vielen Freunden in der HafenCity zu seiner Wiederwahl eine große Party in geschlossenen Räumen feiert, macht die Polizei „Jagd“ auf Abiturienten, die sich am Freitagabend (in Ermangelung der leider verbotenen Abibälle) im Freien an der Alster noch einmal zusammensetzen und ihren Abschied von der Schule feiern. So geschehen in Winterhude und Eppendorf, am Winterhuder Kai und im Haynspark. Wie heißt es so schön? „Die Kleinen hängt man, die Großen...“

Peter Suhren, Hamburg

Befremdliches Verhalten

Die Berichterstattung über Herrn Grote und seine „Nicht-Feier“ lässt mich betroffen zurück. Wir haben alle sehr schwere Monate hinter uns, die meisten haben sich nach bestem Wissen und Gewissen an die Verordnungen gehalten und viele persönliche Nachteile in Kauf genommen. Da finde ich es sehr befremdlich, dass Herr Grote gegen den Sinn der Bestimmungen verstößt. Das wäre ja vielleicht nicht so schlimm, wenn er nicht der Innensenator wäre, der diese Verordnung zu verantworten und auch durchzusetzen hat. Bei Anderen ist er mit der Durchsetzung ja auch nicht pingelig. Meines Erachtens ist Herr Grote als Innensenator unhaltbar geworden. Wir sind lange nicht am Ende der Coronakrise, und warum soll ich mich an Bestimmungen halten, wenn selbst der Innensenator diese nicht befolgt?

Bernd Wittmann

Reformbedürftiges System?

Belegen die aktuellen Beispiele Philipp Amthor und Andy Grote, dass unser System reformbedürftig ist? Sind Parteien wirklich in der Lage, passende Personen für Führungsämter zu nominieren? Ich bezweifle, dass unser Nominierungssystem geeignet ist, die charakterlich besten Politiker zu finden. Parteimitglieder bilden ein viel zu kleines Spektrum der Gesellschaft ab, um eine qualitativ passende Auswahl zu treffen. So wie es aktuell läuft, darf es jedenfalls nicht weitergehen.

Hans-Wilhelm Stehnken, Buchholz

Den Preis zahlen die Polizisten

22. Juni: ,Bürgerkriegsähnliche Zustände‘. Rund 500 Randalierer verwüsten Sonnabendnacht die Stuttgarter Innenstadt und greifen Polizisten an

Da muss man sich ja nicht wundern, dass es in Stuttgart zu den Gewaltausbrüchen gegen meine Kollegen und Kolleginnen gekommen ist. Seit Wochen liest man von den angeblicher Rassismus- und Gewaltproblemen in der Polizei. Selbst die Parteivorsitzende einer ehemaligen Volkspartei hat diese Meinung, ohne offensichtlich Ahnung von der Materie zu haben. Was rot-rot-grün in Berlin anstellt, lässt ja auch Probleme mit der deutschen Polizei vermuten. Es war doch nur eine Frage der Zeit, bis die Spaßgesellschaft einen Angriff auf die Polizei startet. Die Kollegen und Kolleginnen können den Preis dieser Meinungsmache mit ihrer Gesundheit bezahlen. Nun sind sie wieder alle betroffen und wollen konsequent und mit voller Härte dagegen vorgehen. Warten wir mal ein paar Tage ab, dann bleibt davon mal wieder nichts übrig. Ich bin froh, dass nach fast 43 Jahren Polizei Hamburg meine Dienstzeit bald endet und ich nicht mehr meinen Kopf hinhalten muss.

Günter Meiners,

Polizeihauptkommissar

Der Polizei gebührt Dank

20./21. Juni: Die Polizei, dein Feind und Hassobjekt. Radikale Kräfte instrumentalisieren den Mord von Minneapolis – und spalten die Gesellschaft weiter

Dem Inhalt der Kolumne von Herrn Iken stimme ich vollen Umfangs zu. Hieß es zu meiner Jugendzeit „Die Polizei dein Freund und Helfer“, so wird sie heutzutage als „Feind“ angesehen und eingeordnet. Dies liegt aber nicht an der Polizei, sondern an der Verrohung unserer Gesellschaft und der Respektlosigkeit gegenüber anderen Menschen auch gegenüber der Polizei. Für geradezu abwegig halte ich es, der Polizei pauschal Rassismus vorzuwerfen. Der Rassismus ist ein Phänomen, welches zurzeit in den Vordergrund der Diskussion gerückt ist und leider in fast allen Bevölkerungsschichten – nicht nur bei der Polizei – in unterschiedlicher Intensität anzutreffen ist. Die Polizei verdient Achtung und Respekt, hält sie doch jeden Tag „ihren Kopf hin“, um uns Bürger zu schützen. Insbesondere in den vergangenen Monaten hat sie im Rahmen der staatlichen Vorsorge durch täglichen Einsatz zur Einschränkung der Pandemie beigetragen. Der Polizei gebührt Dank für ihre Arbeit und weder Hass noch Missachtung.

Rupprecht Schaper

Fußballprovinz Hamburg

22. Juni: War’s das mit dem Aufstieg für den HSV? In der fünften Minute der Nachspielzeit kassieren die Hamburger das 1:2 in Heidenheim und rutschen auf Rang vier – letzte Hoffnung Bielefeld

Trainer Hecking sprach vor der Begegnung mit Heidenheim von einer „großen Vorfreude“. Offensichtlich war er der Einzige, der dieses Gefühl hatte, denn seine Mannschaft agierte von Beginn an wie das Kaninchen vor der Schlange: ängstlich und gehemmt. Die Angst vor der Niederlage war weitaus größer als der Wille zum Sieg. Nun gehen die Hamburger in ihre dritte Zweitligasaison, dürfen sich auf spannende Duelle mit den Absteigern aus Bremen und Paderborn freuen, die den Kreis der künftigen Aufstiegsaspiranten noch erweitern werden. Nach zwei verpassten Aufstiegschancen dürfte es in der kommenden Saison weitaus schwerer mit dem Wiederaufstieg werden. So wird die Weltstadt Hamburg auch weiterhin Fußballprovinz bleiben.

Martin Wucherpfennig

Tauben umsiedeln

20./21. Juni: Bahnhof Poppenbüttel versinkt im Taubendreck. Viel Kot auf Treppen und Geländern. Passagiere empört

Zugegebenermaßen ist es nicht schön, mit den Hinterlassenschaften der Tauben konfrontiert zu werden. Bevor man jedoch zu irgendwelchen obskuren Mitteln greift, um Tauben zu vertreiben, sollte man sich vorher bitte in Berichte vom Tierschutzbund oder NABU einlesen, in denen die Erfahrungen einiger Städte wie z.B. Augsburg, Berlin, Erlangen und Lüneburg beschrieben werden, die erfolgreich Tauben aus den Innenstädten umsiedelten. Dort wird auch der Mythos aufgehoben, dass Tauben Krankheiten verbreiten. Der Ausdruck „Ratten der Lüfte“ ist diffamierend und durch nichts zu rechtfertigen. Man kann auf den Homepages auch nachlesen, wie es überhaupt dazu kam, dass sich Tauben in der Stadt aufhalten. Es ist ein durch Menschen verursachtes Problem.

Helga Seewald, Buchholz

Märchen in der Schilleroper

18. Juni: Wird der Streit um die Schilleroper endlich beendet? Die Kulturbehörde und die Eigentümerin stimmten jetzt einem Vergleichsvorschlag zu

An die Schilleroper habe ich gute Erinnerungen. Ich bin jetzt 92 Jahre alt. Als ich ungefähr elf Jahre alt war, gab es dort sonntags um elf Uhr Märchenaufführungen. Das habe ich noch in keinem Zeitungsartikel gelesen. Ich habe dort Rotkäppchen, Schneewittchen, Dornröschen usw. gesehen. Mein Vater hatte nichts für Kino übrig. Wenn ich ihn anbettelte „darf ich ins Kino“, dann sagte er „geh’ du mal in die Schilleroper, das ist besser“. Schon gab er mir 50 Pfennig anstatt 20 Pfennig fürs Kino. Dann zog ich mit einer Freundin oder auch allein (wir wohnten nicht weit entfernt) los. Ich weiß aber auch, dass dort Operetten aufgeführt wurden, denn einmal saß ich mit meiner Freundin im Zuschauerraum, der Vorhang ging auf und es gab die Operette „Der Obersteiger von Carl Zeller“. Was haben wir uns erschrocken, es war ein mulmiges Gefühl, und wir sind zwischendurch gegangen. Wieso ich den Namen der Operette behalten habe, verstehe ich auch nicht, doch es war so ein Erlebnis, das vergisst man wohl nicht. Das sind so meine Erinnerungen an die Schilleroper.

Ursula Deppe