Kurioses Wahlergebnis

6. Februar: Das Tabu ist gebrochen. FDP-Kandidat lässt sich von AfD und CDU zum Ministerpräsidenten von Thüringen wählen. In Hamburg reagieren fast alle Parteien mit Entsetzen

Ein blamabler Wahlausgang in Thüringen. Man kann es drehen und wenden wie man will, die Wahlergebnisse werden immer kurioser. Miese Verlierer, miese Gewinner. Der Ruf nach Neuwahlen könnte ggf. noch komplizierter werden, wäre aber letztlich der bessere Weg.

Rita Humpke, Hamburg

Strategie schlug fehl

Für das Fiasko in Thüringen ist Bodo Ramelow zumindest mitverantwortlich. Er ist das Risiko eingegangen, ohne zukünftige parlamentarische Mehrheit zu seiner Wahl als Ministerpräsident anzutreten. Das ist, wie wir wissen, gänzlich schief gegangen. Sein Vorgehen kann man auch als Provokation seiner politischen Gegner betrachten. Seine Strategie auf die Stimmen von CDU und FDP zu hoffen, entsprach reinem Wunschdenken. Ob die Forderung nach Neuwahlen die Lösung bringt, das heißt eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün zu erwarten ist, halte ich für sehr gewagt und zweifelhaft.

Harald Redemann, Großhansdorf

Klare Positionen beziehen

In Thüringen wurde ein Ministerpräsident gewählt. Die Wahl ist legal mit demokratischen Mitteln abgelaufen. Dies sind die Fakten, aber wie konnte dieses Ergebnis zustande kommen? Ein CDU-Landesvorsitzender, der die Wahlniederlage nicht akzeptieren will und sogar seine Partei massiv schädigt, um weiter politischen Einfluss nehmen zu können. Eine AfD, die alles tut, um ihre Politik durchzusetzen. Eine FDP mit einem Parteirechten, der sich beliebig vor den Karren der anderen spannen lässt. Eine rot-rot-grüne Politikeransammlung, die in der Hoffnung, den Ministerpräsidenten zu stellen, eine Wahl mit offenem Ausgang riskiert. Es gibt nicht nur einen Schuldigen. Man wird spätestens bei der Ernennung der Minister erkennen, wer die Strippenzieher waren. Wie viel Kramp-Karrenbauers Mantra der klaren Abgrenzung nach rechts wert ist, werden die nächsten Tage zeigen. Positiv ist aber, dass jetzt endlich einmal wieder klare Positionen bezogen werden müssen und auch die Bundesparteien ihre Glaubwürdigkeit beweisen müssen.

Stefan Kruse, Aukrug/Holstein

Wähler müssen entscheiden

Es liegt in der Hand des Wählers in Zukunft zu entscheiden, ob er eine Partei wählt, die den Nazis ermöglicht, politische Entscheidungen zu beeinflussen. Wer als Politiker verdrängt, dass ausgerechnet in Weimar die Nazis Anfang 1930 erstmalig an einer Regierung beteiligt wurden, wer also so wenig Geschichtsbewusstsein hat, ist nicht würdig als Vertreter des Volkes in ein Parlament gewählt zu werden. Es liegt an uns, darauf zu achten und zu entscheiden!

Bernhard Murra

CDU ohne Prinzipien

Da legt sich also die CDU mit der AfD ins Bett, um zu verhindern, dass der bisherige Ministerpräsident der Linken, die die stärkste Fraktion stellt, wiedergewählt wird. Gewählt wird dann ein Kandidat der FDP, die gerade mal über sechs Sitze von 90 im Parlament verfügt. Das ist einfach ein Stück Absurdistan und wird sicher der Politik- und Wählerverdrossenheit mächtigen Auftrieb geben. Wie kann man nur derart prinzipien- und charakterlos sein?

Michael Hamm

Wie geht es weiter?

Thüringens CDU- und FDP-Landtagsabgeordnete haben durch die Wahl des FDP-Fraktionsvorsitzenden Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten ein eindeutiges Zeichen nach Berlin entsandt, dass sie nicht Befehlsempfänger der jeweiligen Bundespartei und deren Vorsitzenden sind. Auch dies war eine Art Protestwahl. Es ist nicht abzusehen, wem diese Wahl letztendlich nützt oder schadet. Thomas Kemmerich hat gleich nach seiner Wahl bekräftigt, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht infrage kommt. Zu einer Neuwahl wie von der Bundes-CDU, der CSU, der SPD, den Grünen und Die Linke gefordert, wird es so schnell nicht kommen, da dafür eine Zweidrittelmehrheit stimmen müsste. Die CDU-Fraktion, die ja Thomas Kemmerich mitgewählt hat, hat schon durch ihren Vorsitzenden klargestellt, dass sie nicht für Neuwahlen ist. Die Thüringer Abgeordneten der CDU haben ja postwendend von der Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer für ihr Verhalten einen öffentlichen Rüffel bekommen. Es ist zu vermuten, dass dies alles andere als ein Einlenken der Thüringer CDU-Abgeordneten bewirken wird. Gespannt sein darf man, wie es nun in Thüringen weitergeht. Denkbar ist eine FDP-CDU-Minderheitsregierung, die sich dann für ihre Vorhaben jeweils eine Mehrheit im Parlament besorgen muss.

Gerhard Hölzel

Böses Erwachen

Zuerst ließen sich SPD-Ministerpräsidenten von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern und –Spitzeln wählen und tolerieren, jetzt werden FDP-Ministerpräsidenten von verkappten Faschisten gewählt. Wie sich die Bilder gleichen. Wer mit Extremisten ins Bett steigt, wird irgendwann ein böses Erwachen haben. Es ist wenig hilfreich, wenn sich die jeweiligen politischen Antipoden lautstark echauffieren. Es ist vielmehr endlich an der Zeit, sich Gedanken zu machen, warum so viele Wähler glauben, diese extremistischen Parteien wählen zu müssen. Solange diese Frage nicht gestellt und beantwortet ist, wird sich die Situation noch verschärfen. Die Antworten auf diese Fragen scheuen die sogenannten etablierten Parteien aber, wie der Teufel das Weihwasser. Weil sie dann Konsequenzen ziehen müssten. Und genau das wollen sie nicht. Ändern sollen sich immer die anderen. Das funktioniert aber nicht.

Andreas Kaluzny

Wehret den Anfängen!

Der Gewinner der Thüringer Landtagswahl ist nach diesem Eklat zur Wahl des Ministerpräsidenten der FDP eindeutig die AfD. Sie kann sich bei der FDP und der CDU bedanken. Diese beiden Parteien haben sehenden Auges den Rechtsnationalen einen sehr werbewirksamen Dienst erwiesen. Man sollte meinen, dass Vorsitzende von Parteien einen hohen Intelligenzquotienten haben, aber wahrscheinlich ist der Reiz der Macht zu überwältigend und lässt so manche Schranke des Anstands fallen. Die Taten der Nazis liegen über 75 Jahre zurück und sind wahrscheinlich in Vergessenheit geraten. Man darf aber politischen Parteien die das völkische Gedankengut und Nationalismus predigen in der Demokratie nicht hofieren. Wehret den Anfängen!

Fritz Timm

Und wer hält die Zügel?

Ich bin weitestmöglich davon entfernt, die AfD gut zu finden. Ich hoffe auch, dass unsere gewählten Volksvertreter nicht dumm sind. Das Handeln, insbesondere der gewählten CDU-Vertreter ist aber zumindest einfältig. Sie haben sich vorführen und dressieren lassen. Es wäre intelligent gewesen, sich weiterhin zu enthalten. Auch einfältig ist, sich ebenso an der Leine in die Manege führen zu lassen, wie die FDP. Es widerspricht jeglicher Intelligenz zu glauben, mit fünf Prozent regieren zu können. Oder war hier die Gier nach Macht der Antrieb? Die FDP hat sich unwählbar gemacht, die CDU ist ihr Steigbügelhalter. Die Frage ist, wer hält die Zügel dieser Trauerveranstaltung?

Mathias Gehrke

Ein Hoch auf die Demokratie

Große Aufregung. Warum? Ob man AfD-Wähler ist oder nicht, die AfD ist eine demokratische Partei, die gewählt werden kann, auch wenn es vielen nicht passt. Die SPD hat auch vor Jahren ausgeschlossen, mit der Linken/PDS gemeinsame Politik zu gestalten. Und heute? Die ostdeutschen Bundesländer haben uns einiges voraus, sie haben die Wende friedlich herbeigeführt, ohne Terror und brennende Straßen. Ein hoch auf die Demokratie und weniger Bevormundung von den Medien.

Volker Kühn, Uetersen