Viel Vertrauen verspielt

17./18. August: Der richtige Mann. Olaf Scholz hat in Hamburg bewiesen, dass er eine SPD am Boden wieder aufrichten kann

Ich widerspreche „unserem“ geschätzten Chefredakteur ungern, dass Olaf Scholz besondere Führungsqualitäten mitbrächte, aber leider hat das G20-Ereignis in Hamburg genau das Gegenteil gezeigt. Mit dem Daumen auf dem Handy in der Elbphilharmonie sitzend und sich nicht mit „Schutzhelm“ in die „Schlacht“ begebend, hat Olaf Scholz viel Vertrauen verspielt. Die gute, alte SPD braucht unverbrauchte Köpfe an der Spitze.

Heinz-H. Hendrich, Hamburg

Zählt nur die Karriere?

Ich bin nicht der Meinung, dass Herr Scholz der richtige Mann für den Parteivorsitz der SPD sein soll. Meines Erachtens hat Herr Scholz nur die eigene Karriere im Sinn und seine „Basta-Politik“ ist nicht immer hilfreich. Unvergessen sind für mich die G20-Krawalle vor zwei Jahren, als er vorher versicherte, dass die Hamburger Bürger nicht einmal merken würden, dass diese Konferenz stattgefunden hätte. Und dann dieses Debakel, bei dem er es nicht schaffte, unverzüglich vor Ort zu sein, um seinen Bürgern beizustehen und sich erst viel später bei Ihnen entschuldigte. Aus der Verantwortung stahl er sich in die Bundespolitik, als jetziger Finanzminister. Und nun der Parteivorsitz, da kommt er wie „Phönix aus der Asche“. Was wird als nächstes kommen? Vielleicht das Bundespräsidentenamt?

Ingrid Kallbach

Der fähigste Politiker der SPD

Die letzten Parteivorsitzenden der SPD hatten es nicht geschafft, den Spagat zwischen der eigenen Partei und den Wählern hinzubekommen. Der sympathische und erfolgreiche Außenminister Sigmar Gabriel wurde gemobbt und stolperte dann über verständliche, aber unkluge Sprüche. Martin Schulz besaß zwar erst die Parteisympathie zu 100 Prozent, aber den Wähler konnte er nicht für sich gewinnen. Andrea Nahles überzeugte als hervorragende Ministerin trotz viel zu ordinärer Sprüche, aber sie unterschätzte ihre Kritiker und warf genervt das Handtuch. Was ist von einer möglichen Doppelspitze zu halten? Nichts. Was bei den Grünen momentan klappt, ist eine Ausnahmesituation. Es zählen die Kandidaten. Das Problem ist bei vielen, dass sie zu unbekannt sind wie Boris Pistorius und Petra Köpping. Karl Lauterbach ist ein versierter, ehrlicher Typ, GroKo-Gegner, aber schwer vermittelbar. Ralf Stegner polarisiert und Gesine Schwan sollte ihre Grenzen erkennen. Und dann wirft das politische Schwergewicht Olaf Scholz seine Bewerbung in den Ring, der es bisher ohne Skandale geschafft hat, Anerkennung bei den Wählern zu erreichen. Er ist der viel zu ruhige Pol in der SPD, der im Arbeitsstil Angela Merkel ähnelt und damit eigentlich am besten für eine Kontinuität einer erfolgreichen Bundesregierung stehen könnte. Wenn da nicht die Jusos wären, die vehement gegen ihn votieren. Olaf Scholz ist der fähigste Politiker der SPD, der vor allem beim Wähler punkten kann und in diversen Spitzenämtern bewiesen hat, dass er kompetent ist und führen kann. Die SPD sollte sich ganz genau überlegen, ob sie es sich leisten kann oder will, diesen Supermann durch überflüssige Diskussionen um die Spitzenämter zu diskreditieren oder schlecht zu reden. Die SPD wäre gut beraten, sich keine Flügelkämpfe zu leisten, sondern einhellig hinter den Kandidaten zu stellen, der die größten Chancen hat. Zur Verantwortung für Deutschland zu stehen, die GroKo erfolgreich zu Ende zu führen und klare Aussagen für die nächste Bundestagswahl zu machen – so wird die SPD mit Olaf Scholz die Talsohle verlassen und ihre Position als Volkspartei zurückerobern.

Dietmar Johnen-Kluge

Zu viel des Lobes

Als bekannt wurde, dass Olaf Scholz sich zur Wahl stellt, habe ich schon erwartet, dass Herr Haider ein Loblied auf seinen Freund anstimmen wird. Eigentlich sollte ein Chefredakteur so viel Objektivität aufbringen, Herrn Scholz auch kritisch zu beurteilen. Seine Rolle bei den Krawallen im letzten Jahr bleibt den Hamburgern unvergessen, seine Arbeit als Finanzminister ist auch nicht unumstritten. Er weigert sich, zum Beispiel zusätzliche Gelder für Infrastrukturmaßnahmen und die Ansiedlung von Betrieben oder Forschungsinstituten in den Kohleregionen bereitzustellen. Dafür unterstützt er eine Mindestrente ohne Bedürftigkeitsprüfung. Er ist kein Minister, der in die Zukunft investieren will.

Dietlind Thiessen

Aus Hamburg geflohen

In Hamburg hat Olaf Scholz demonstriert, wes Geistes Kind er ist: Nicht zu seinem G20-Wort stehend, ist er aus der Hansestadt Richtung Berlin „geflohen“. Die SPD wäre gut beraten, den Gernegroß links liegen zu lassen.

Dr. Michael Kurtze

Wendehals

Olaf Scholz gehört wie Angela Merkel zu den größten Wendehalspolitikern Deutschlands. Gut, seine Meinung mutig zu ändern bei neuer Faktenlage, zutiefst unglaubwürdig bei kurz zuvor getätigten Aussagen ganz entgegengesetzter Richtung. Geht es eigentlich nur noch um Macht? Dann dürfen wir auch nicht mehr andere Regierungen in der Welt verurteilen. Solche Szenarien stürzen Regierungen und tragen zu radikalen Meinungsumbrüchen bei.

Antje Netz