Lebensgefährliche Kuriosität

25. Juni: Bald Nummernschilder auch für Fahrräder? Radfahrer verursachen mehr Unfälle und begehen mehr Verstöße. CDU fordert Debatte über Kennzeichen wie bei E-Tretrollern

Es war schon immer eine lebensgefährliche Kuriosität: Ein Verkehrsteilnehmer darf mit 40 km/h, ohne Gurt und mit schwindsüchtigen Bremsen, in Fahrtrichtung und -spur seiner Wahl nach Belieben durch Innenstädte brettern. Ohne Kennzeichen, ohne Versicherung! Wie war das jemals in einer ansonsten superfürsorglichen Vollkaskogesellschaft durchzusetzen? Man kann nur staunen.

Rüdiger Soll, Hamburg

Das machen doch fast alle...

Die genannten Zahlen sind nur die Spitze des Eisbergs. Es wird höchstens ein Prozent der Verstöße geahndet. Als Fußgänger erlebt man solche Situationen in einer Stunden mehrfach. Dabei sind es keineswegs nur Kuriere oder Rüpel, die einen Verkehrsverstoß nach dem anderen begehen. Es sind in der Mehrzahl ganz normale Bürger, die sich z.B. nicht zutrauen auf der Fahrbahn neben den Autos zu radeln, oder mal schnell auf der falschen Seite zum nächsten Markt wollen. Weil es fast alle machen, findet niemand etwas dabei. Mit einer Taskforce könnte die Behörde bis zur Verhaltensanpassung Millionen verdienen. Man verpflichtet die Radfahrer nur Fahrräder mit Versicherungsaufklebern zu nutzen. Die Versicherungen verpflichtet man, diese Aufkleber zu verkaufen und die gewonnenen Daten online an die Behörde weiterzuleiten. Der Aufwand für die Behörde liegt nahe bei Null. Es muss für alle Fahrzeuge der Gleichbehandlungsgrundsatz gelten.

Bernhard Murra, Hamburg

Fahrradrüpel identifizieren

Als leidenschaftlicher Radfahrer wünschte ich mir schon sehr häufig, dass man Rüpel und Ignoranten auf Fahrrädern an ihren Nummernschildern identifizieren kann. Es würde nicht halb so viele Verstöße geben. Und vor allem die Aggressionen würden nachlassen.

Jobst Thurmann, Hamburg

Messe aufs Flughafengelände

24. Juni: Die Messe sollte umziehen. Die Fläche in allerbester Lage wäre ein ideales Quartier zum Wohnen

Die Idee zum Umzug der Messe ließe sich radikal und praktisch umsetzen. Den innerstädtischen Helmut-Schmidt-Flughafen sollte man verlagern und auf diesem Gelände sowohl Messe als auch vielfältigen Wohnungsbau betreiben. Praktisch hierbei ist die fertige S-Bahnanbindung für Messebesucher und für künftige Anwohner. Gegebenenfalls bliebe sogar die weitere Nutzung der modernen Terminals und der Parkhäuser für die Messe. So werden mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Keine Lärm- und Umweltbelastungen mehr durch landende und startende Flugzeuge. Die Messe bliebe in der Stadt. Es entstünden zwei riesige Neubaugebiete mit viel Potenzial. Die befürchtete Verdichtung vorhandener Wohngebiete könnte zunächst außer Acht gelassen werden. Die wachsende Stadt wäre einige Sorgen los.

Jochen Kalleicher

Exzellenz: ein langer Prozess

22./23. Juni: Ein Getriebener kurz vor dem Ziel. Dieter Lenzen hat als Präsident Hamburgs Uni aus dem Mittelmaß geführt. Seine Methoden sind mitunter beispiellos wie seine Karriere

Das Portrait des Universitätspräsidenten zeichnet ein facettenreiches Bild einer beeindruckenden und erfolgreichen Persönlichkeit. Umso mehr irritiert mich die Überschrift, die einmal mehr das in Hamburg gängige Vorurteil nährt, die Universität sei lange ins Mittelmaß abgerutscht und jetzt endlich zur Exzellenz erweckt. Ich will gar nicht bestreiten, dass die jahrzehntelange Überlastung der großen Universitäten in Deutschland viel zu lange schwierige Studienbedingungen geschaffen hat, die ihnen den Ruf mittelmäßiger Massenuniversitäten verschafft haben. Gleichzeitig haben diese Universitäten aber hervorragende Forschungsleistungen erbracht, die sich auch im internationalen Vergleich nicht zu verstecken brauchen. Gerade weil es mich freut, dass die wissenschaftliche Qualität der Universität Hamburg in der Exzellenzstrategie endlich so sichtbar wird, wie sie es verdient, liegt mir daran, dem Eindruck entgegenzutreten, dass dies das Ergebnis einer neuen Entwicklung sei. Exzellenz fällt nicht vom Himmel und kann nicht von einem Präsidenten verordnet werden. Alle gegenwärtig erfolgreichen Forschungscluster haben ihren Ursprung in Sonderforschungsbereichen, die vor mehr als zehn Jahren entwickelt, beantragt und bewilligt wurden. Als die Universität Hamburg zwischen 1995 und 2006 insgesamt 25 Prozent ihrer Stellen einsparen musste, vollzog sie diese staatlichen Vorgaben in eigener Verantwortung nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern unter Leistungsgesichtspunkten. So konnte sie ihre Qualität nicht nur erhalten, sondern teilweise sogar steigern. Die Früchte werden jetzt sichtbar. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich vor diesem Hintergrund die Überschrift Ihres Porträts nicht unwidersprochen lassen möchte. Ich bin sicher, dass sich gerade auch die engagierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an den Exzellenzclustern beteiligt sind, durch diese Überschrift in ihrer langjährigen Arbeit herabgewürdigt empfinden.

Dr. Dr. h. c. Jürgen Lüthje, ehemaliger Präsident der Universität Hamburg

Darum hat uns keiner lieb

25. Juni: Scheuer will Österreich verklagen. Verkehrsminister findet Durchfahrtsbeschränkungen ,zutiefst diskriminierend‘

Der Bund will gegen Tirol, Österreich klagen? Weil dieses Land eine autarke Entscheidung über die Art seiner Verkehrslenkung mit Maut gefällt hat? Unser Land rumpelt durch Europa, dass es ein Graus ist. Finanzpolitik, Verkehrspolitik, Zuwanderung – was andere Nationen denken, muss uns ja nicht interessieren. Aber wundern tut es uns schon, warum uns keiner lieb hat und warum Europa nicht wirklich zusammenfinden will.

Askan Siegfried, Hamburg

Meckern macht mehr Spaß

24. Juni: Wer will da noch Politiker werden? Morddrohungen, Pöbeleien, Hetze – es ist unerträglich

Danke für diesen Augenöffner. Natürlich werden wir hervorragend regiert. Natürlich haben wir eine unfassbare Stabilität in unserem Land. Und natürlich geht es uns im Vergleich zu anderen Nationen sehr, sehr gut. Und keiner merkt es... Stattdessen wird über zu schmale Radwege, verspätete Bahnen, gestiegene Flug- und Benzinpreise, hohe Mieten und niedrige Lohnanpassungen geklagt. Ist das bereits die „spätrömische Dekadenz“? Aber es macht „dem Volk“ einfach viel mehr Spaß, die Politik und die Institutionen zu verdammen als all die positiven Errungenschaften unserer freien, demokratischen und weltoffenen Gesellschaft anzuerkennen. Nichts davon ist selbstverständlich, sondern über viele Jahre demokratischer Politik entwickelt, verbessert, verworfen, neu erdacht worden. Obwohl auch ich nicht in der Politik tätig bin, liegt mir eine Politikverdrossenheit fern, ich habe schon lange eine Volksverdrossenheit.

Michael Piplack

Mehr Sympathie durch Demut

Vor Jahren geriet ich beim Fernsehzappen in ein Interview mit Peter Struck, SPD, der offen zugab, dass er nach seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt arge Schwierigkeiten hatte, wieder in der Otto-Normal-Realität klarzukommen – etwa auf eigene Faust einen Parkplatz suchen zu müssen. Er sei als Minister überall vor die Tür chauffiert und wieder abgeholt worden, und er müsse wohl zerknirscht einräumen, dass man als „Ranghoher“ schnell den Bezug zur Wirklichkeit der Menschen verliere. Ich war wahrlich kein Fan von Peter Struck, aber für diese Aufrichtigkeit musste ich ihm in hohem Maße Achtung zollen. Und ohne die heutigen Politiker des Hohen-Ross-Sitzens bezichtigen zu wollen, frage ich mich gleichwohl, wer von denen wohl diese Größe hätte. Etwas mehr Bescheidenheit und Demut könnte die Sympathiewerte sehr erhöhen, glaube ich.

Ralf Marquardt, Hamburg