Preis ist falsches Kriterium

8. Dezember: Mil­lio­nen­ver­lust durch Software. IT-Projekt zur Abrechnung der Krankheitskosten von Beamten verzögert sich und verursacht neue Kosten – kein Einzelfall

Die Umsetzung analoger in digitale Arbeitsabläufe ist ein komplexes Geschäft. Das ist eine Binsenweisheit. Wer bei der Entscheidung für ein Angebot eines Dienstleisters auf den Anfangspreis schielt und danach seine Auswahlentscheidung trifft, erlebt das, was bei großen IT-Projekten immer passiert: Die billigen Angebote basieren auf Mangel an Problemanalyse, auf Verschleierung dieses Mangels und auf dem Kalkül, später nachfordern zu können. Ein Systemfehler. Aber wir Bürger haben unseren Anteil daran. Jeder wusste, dass man für 75 Millionen keine Elbphilharmonie bauen konnte. Hätte man uns Bürgern gleich offen gesagt, das Ding kostet am Ende 750 Millionen, wir hätten nie eine bekommen. So ist es auch mit IT-Projekten. Jeder weiß es, aber keiner will es hören, dass Anfangspreise reine Makulatur sind.

Andreas Kaluzny, per E-Mail

Katastrophe vorbeugen

7. Dezember: Für dement erklärt und alles verloren. 24.000 Hamburger haben einen Betreuer – Beschwerden häufen sich

Ihr Bericht über das Betreuungswesen in Deutschland dürfte für manch einen Ihrer Leser Anlass sein, einer existenziellen Katastrophe rechtzeitig vorzubeugen. Eigentlich unfassbar, dass Machenschaften wie die von Ihnen beschriebenen mit richterlichem Segen in einem deutschen Rechtsstaat stattfinden dürfen. Gibt’s auch hier eine Lobby, die Pfründe erhalten möchte und imstande ist, Reformen zu verhindern? Ihre Berichterstattung könnte eine passgenaue Vorlage sein für eine bewegende Filmhandlung.

Peter Hülcker, Norderstedt

Bequeme Symbolpolitik

7. Dezember: Senator ver­dop­pelt Zahl der E-Au­tos. Anteil der elektrisch betriebenen Behördenfahrzeuge soll auf 50 Prozent steigen

Der Umweltsenator vergrößert den Anteil der elektrisch betriebenen städtischen Fahrzeugflotte, aber er ändert nichts an den wesentlichen Bedingungen des Verkehrs in der Stadt. Die Tatsache, dass die Abgaswerte viel zu hoch sind, sollte einen Grünen doch eigentlich auf die Barrikaden bringen. Stattdessen wird Symbolpolitik gemacht und auf Freiwilligkeit gesetzt, die niemandem wehtut. Schade, dass in der Politik nicht die Vernunft, sondern allzu häufig die Bequemlichkeit regiert.

Rainer Holtorff, per E-Mail

Bleiben Sie zu Hause

5./6. Dezember: Regisseur Alvis Hermanis sagt Thalia-Theater aus po­li­ti­schen Gründen ab

Nein, Herr Hermanis, es ist kein Tabu, in Deutschland Einwanderungspolitik und Terrorismus zu verknüpfen – es ist Blödsinn. So, wie es Dummheit ist, Einwanderer und Flüchtlinge zu verwechseln. So, wie es dumm ist, zu behaupten, alle Terroristen seien Flüchtlinge – die von Paris waren Franzosen oder Belgier. So, wie es anmaßend ist, für die Mehrheit der Europäer sprechen zu wollen – auch die Einwohner Polens stehen beileibe nicht alle hinter ihrer neuen rassistischen Regierung. So wenig, wie Pegida, deren dumpfe Islamangst Sie offenbar teilen, für eine bürgerliche Mehrheit spricht. Wenn Angst Sie treibt, bleiben Sie mit Ihren Kindern zu Hause – wir brauchen Sie und Ihr Kriegsgeschrei nicht. Wenn Sie wissen wollen, was Flüchtlinge antreibt, inszenieren Sie doch mal in Aleppo.

Klaus Mölln, per E-Mail

Auf einem Auge blind

Schon seit Langem stört mich der völlig unkritische Diskurs in der Hamburger Kulturlandschaft gegenüber dem politischen Islam und der Massenzuwanderung. Man tut so, als ob das einzige Problem darin läge, „rechts“ zu bekämpfen, und scheint eine panische Angst davor zu haben, auch nur irgendwie mit einer solchen politischen Zuordnung in Verbindung gebracht zu werden. Aber hat nicht gerade Theater die Funktion, die Finger in die Wunde zu legen, differenziert und nicht nur gutmenschlich-wohlmeinend politisches Geschehen zu hinterfragen? Deshalb stimme ich der Erklärung von Alvis Hermanis voll zu. Theater, das sich beim politisch linken Mainstream anbiedert, wird seiner Aufgabe nicht gerecht und ist letztlich langweilig, weshalb ich schon vor längerer Zeit mein Theater-Abo gekündigt habe.

Dorothea Ehlers, Hamburg

Boykott stoppt Asylpolitik

Hermanis ist der Ansicht, dass die Willkommenskultur und die naive Begeisterung der Deutschen für Flüchtlinge gefährlich sei für Europa. Man sei im Krieg gegen islamische Terroristen und müsse sich nun mal für eine Seite entscheiden. Vielleicht bedarf es ja ähnlicher Boykotts oder entsprechender Meinungsäußerungen von einflussreichen Menschen im Ausland, damit es zu einer Umkehr der faktisch unbegrenzten Aufnahme von Flüchtlingen in der deutschen Asylpolitik kommt, denn den Sorgen der Bürger wird ja hierzulande kaum Beachtung geschenkt. Vielleicht erleben wir demnächst, dass ausländische Touristen einen Bogen um unser Land machen und die Nachbarländer ihre Grenzen zu Deutschland kontrollieren.

Norbert Schäfer, per E-Mail

Kultur sollte Brücken bauen

Dass der lettische Regisseur Alvis Hermanis eine geplante Inszenierung am Thalia mit Hinweis auf die in diesem Haus dankenswerterweise praktizierte Willkommenskultur platzen lässt, ist erschreckend – ein alarmierendes Signal dafür, dass der Streit innerhalb Europas über eine weltoffene Flüchtlingspolitik auch die Kultur erfasst. Und Kultur hat doch eigentlich die Chance und Gabe, Brücken zu bauen. Mag Hermanis verständlicherweise durch die Pariser Bluttat traumatisiert sein – einen Zusammenhang zwischen Zuwanderung und islamistischem Terror herbeizureden ist fehl am Platz. Joachim Lux und andere Theatermacher in Hamburg sollten unbeirrt ihr Engagement für eine humanitär ausgeprägte Auseinandersetzung mit den Flüchtlingsschicksalen und den interkulturellen Dialog fortsetzen. Jetzt erst recht.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Vorsitzende des Kulturforums Hamburg, per E-Mail