Es gibt wichtigere Dinge

1. Dezember: Olympia-Aus. Wer hat Schuld? Nach dem Nein im Referendum Streit in Hamburg

Schuld zu empfinden heißt, ein Unrecht begangen zu haben. Wieso ist eine andere Meinung als die von Politik und wirtschaftlichem Eifer geforderte ein Unrecht? Außerdem gibt es wirklich wichtigere Dinge zu beschicken, wie Kitas, Altenhilfe, Infrastruktur. Und wie war das noch mit den Kostenvoranschlägen für die Elbphilharmonie und den Berliner Flughafen, um nur zwei finanzielle Desaster zu nennen, für die der Steuerzahler seine Schatulle ungefragt öffnen darf?

Dr. Helmut Klingenfeld, Ahrensburg

Entscheidung akzeptieren

Wir haben nun einmal eine Demokratie, und hier gibt es die Möglichkeit abzustimmen. Genau das ist passiert, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Demokratische Entscheidungen des Volkes sind zu akzeptieren und zu respektieren, sie müssen aber nicht immer meine Zustimmung finden. Ich bin sehr froh, dass wir in einer Demokratie leben, wenngleich ich für Olympia gestimmt habe. Eine Lebensweisheit meiner Oma: „Nichts ist so schlecht, als dass nicht auch noch ein Vorteil dabei abfällt.“ In diesem Sinne, die Zukunft wird’s zeigen.

Jens-P. Hinrichs, per E-Mail

Keiner hat Schuld

Keiner hat Schuld! Die Parteien haben lediglich die Meinungslage in der Bevölkerung falsch eingeschätzt, was beim knappen Ausgang verzeihlich ist. Ehrenwert ist, dass die SPD die Entscheidung der Wähler akzeptiert, was die CDU vor etlichen Jahren, als es um den Verkauf der Krankenhäuser ging, nicht zustande gebracht hat.

Michael Heinrichowski, Hamburg

Beim Bürger nachfragen

Die Ablehnung der Olympia-Bewerbung zeigt keineswegs nur Ängstlichkeit und Kleingeisterei. Obwohl ich selbst für Olympia gestimmt habe, kann ich die Ablehnung meiner Mitbürger gut nachvollziehen. Da ist der Sumpf aus Korruption und Großmannssucht der internationalen Sportverbände, der vermuten lässt, dass auch Hamburg die Spiele kaufen müsste. Da ist der anachronistische Unsinn des Nationalismus mit Medaillenspiegel und Fähnchenschwenken. Da ist die Perversion des Leistungssports, der schon lange nichts mehr mit mens sana in corpore sano zu tun hat, sondern mit Doping und Sportinvalidität. Und dann der wirtschaftliche Wahnsinn: Von den 11,2 Milliarden sind vielleicht zwei bis drei wirklich nachhaltig, der Rest fließt in konsumtive Ausgaben und Gebäude, die wieder abgerissen werden. Das Nein zu Olympia und anderen Projekten ist vor allem eine Aufforderung an die Politik, einmal die Bürger zu fragen, was ihnen denn wirklich wichtig ist.

Christian Lührs, per E-Mail

Einfluss durch digitale Medien

Das Wahlergebnis zeigt vor allem, dass die angeblich einflussreichen Menschen der Stadt, inklusive Presse, Politik, Wirtschaft und Kultur, sich von der Mehrheit der Hamburger Bevölkerung entfernt haben. Ihr Einfluss auf die öffentliche Meinung sinkt, vor allem auch durch die digitalen und sozialen Medien. Jetzt auf das Wahlvolk zu schimpfen, dass es einfach uninformiert sei, ist an Borniertheit nicht zu überbieten und treibt die Entfremdung voran. Die Veränderung in den Meinungsbildungsprozessen sollte uns alle interessieren. Es findet auch zu anderen Themen derzeit eine Repolitisierung statt, Postdemokratie war gestern.

Thomas Mehlbeer, per E-Mail

Kurzsichtige Entscheidung

Wie können sich Bürger einer Stadt, die sich als weltoffen und modern bezeichnet, den Bedenkenträgern, den Schwarzmalern und den notorischen Neinsagern unterwerfen. Schade um das hervorragende Konzept von Olympia am Wasser, von den Spielen der kurzen Wege, von einer modernen Stadtentwicklung mit einem barrierefreien Stadtteil. Wovon haben sich die Neinsager beeinflussen lassen? Von den Anschlägen des IS? Von den hohen Kosten, die dann entstanden wären? Wie kurzsichtig. Jeder ausgegebene Euro hätte die Wirtschaft angekurbelt, die Stadt interessanter gemacht. Hamburg hätte sich als eine Perle präsentieren können. Tausende Freiwillige hätten ihr ganzes Engagement eingebracht, um die Stadt, das Land und die Menschen im besten Licht dastehen zu lassen – so wie bei der Fußball-WM 2006. Aus der schönsten Stadt der Welt geht nunmehr ein Signal der Resignation und Stagnation aus. Dieses Nein wird uns viel mehr kosten, als es die Olympischen Spiele jemals getan hätten. Gute Nacht, Hamburg.

Brigitte Behrendt, Buxtehude

Tief sitzende Angst

Der Ausgang des Referendums zeigt einmal mehr, welch tief sitzende zukunftsängstliche Grundhaltung in der deutschen Gesellschaft vorhanden ist. Selbst die mediale Unterstützung der Senatspläne hat nicht vermocht, dem positiv gestimmten Teil der Bevölkerung zum Sieg zu verhelfen. Es reichten ein paar gut vernetzte Bedenkenträger, um das Angstpotenzial zu aktivieren. Damit hat sich Deutschland bis auf Weiteres aus der Landkarte potenzieller Olympiaaustragungsländer verabschiedet, und wir nötigen weiterhin unsere Athleten bei Veranstaltungen in totalitären Staaten, sich zur Lage der Menschenrechte zu äußern. Und die „Weltstadt Hamburg“ hat statt eines ordentlichen Entwicklungsschubs einen tiefen Kratzer in ihrem Renommee.

Bernd Plath, Hamburg

Hamburg ist schon voll

Das Nein zu Olympia ist nicht nur auf die ungeklärte Finanzierung und die Anschläge von Paris zurückzuführen. Ein vom „Hamburg Journal“ befragter Bürger hat es für mich auf den Punkt gebracht: „Die Stadt ist bereits jetzt zu voll.“ Ein Großevent jagt das nächste, wovon bei Weitem nicht alle Hamburger begeistert sind. Absperrungen, zahlreiche Baustellen mit einhergehenden Staus, Parkplatznot und übervolle Busse und Bahnen tun ein Übriges. Das alles hätte sich durch Olympia verstärkt. Nicht ganz zufällig haben sich wohl überwiegend Bürger aus den besonders betroffenen Bezirken Mitte und Altona gegen eine Olympiabewerbung ausgesprochen.

Doris Holzmüller-Meyenbörg, per E-Mail