Berlin. Mehr als 40 000 Irish Traveller leben auf den britischen Inseln am Rande der Gesellschaft. Eine Arte-Reportage hat sie besucht und weiß Erschreckendes über ihre Diskriminierung im Alltag zu berichten.

Sie sind das fahrende Volk der britischen Inseln: Die Irish Traveller führen als reisende Handwerker und Viehhändler ein Leben mit der Natur. Doch von Romantik ist ihr Alltag weit entfernt. Die EU schreibt in einem Bericht über die Minderheiten unseres Kontinents, dass die Gemeinschaft der Irish Traveller am meisten unter Armut leidet und dass sie von allen Minderheiten Europas die schlimmste Diskriminierung erfahren.

Die Reportage „Re: Ein Volk auf Reise - Das harte Leben der Irish Traveller“ auf Arte gibt am Montag um 19.40 Uhr teils sehr traurige Einblicke in ihren harten Alltag. Seit drei Jahrhunderten reist ihr Volk durch Großbritannien und die heutige Republik Irland. Mehr als 40 000 gibt es von ihnen.

Die Liebe zu Pferden ist eine Säule der Kultur der Irish Traveller. Jedes Jahr treffen sich im nordenglischen Appleby Zehntausende zu einem riesigen Pferdemarkt. „Pferde gehören zu unserem Leben. Wir lieben sie“, sagt Pferdehändler Nat Stoke. Gerade holt er ein Pony aus einem Anhänger, das er aus Irland hergefahren hat. „Ich bin mit Pferden aufgewachsen, und meine Kinder auch. Pferde sind viel besser als ein Handy. Die Kinder sind den ganzen Tag im Freien.“ Vier seiner gut 20 Pferde will Nat auf dem Markt in Appleby an den Mann bringen.

Überall wird hier gefeilscht. Nat zeigt auf die Blechlawine von Autos und Anhängern: „Hier hat fast alles seinen Preis. Die Pferde, der Jeep da, Wohnwagen. Alles außer den Kindern wird verkauft. Kinder sind nicht zu verkaufen. Alles andere hat einen Preis.“ Der Verkauf von Pferden ist ein Erbe des Nomadenlebens über Jahrhunderte. Nat hat seinen Beruf vom Vater übernommen, verdient so den Lebensunterhalt.

Der Markt gehört für viele Traveller zu den schönsten Tagen im Jahr. Ihr Alltag ist oft von Diskriminierung geprägt. Gesetze schränken ihre Bewegungsfreiheit ein, und es fehlt an Orten, wo sie willkommen sind.

Family Barry zum Beispiel lebt illegal auf einer Brache im südirischen Wexford. „Es gibt wohl niemanden auf diesem Planeten, der so leidet wie die Traveller“, so die 65-jährige Mary Barry. „Wir sind seit vier Jahren hier und leben ohne Dusche, Waschbecken und Strom. Aber wir stören niemanden“, klagt die Frau den Reportern.

Die einzige Wasserstelle ist 50 Meter vom Wohnwagen entfernt. „Wir gehen 50 Mal am Tag zur Wasserstelle.“ Im Winter sei es schwierig. „Aber wir haben nur dieses Wasser, um zu kochen, Wäsche zu waschen und Geschirr zu spülen.“ Und diesen Wasserhahn mussten sie bei der Gemeinde immer wieder beantragen. Auf Strom warten die Barrys bis heute. Immerhin wurden ihnen vier chemische Toiletten hingestellt, besonders sauber sind diese nicht. Es gibt darin auch keine Spülung.

Die drei jüngeren Töchter der Barrys sind lieber bei den Pferden als in der Schule, wie sie in die Kamera sagen. Niemand wolle dort mit ihnen spielen. Unter sich bleiben könnten sie in der Schule auch nicht, weil die Pausen der drei zeitlich versetzt seien. „Während alle anderen Schüler Unterricht haben, muss ich hinten in der Klasse sitzen und bekomme Babyarbeit“, berichtet eine von ihnen. Oft werden Kinder von Travellern von Klassenkameraden und Lehrern ausgegrenzt. „Ich muss stundenlang Fische zeichnen“, so die Elfjährige. Der Rest der Klasse lerne derweil Lesen und Schreiben. Familienoberhaupt Mary: „Unsere Kinder werden ausgeschlossen, die sind denen völlig egal.“

Die Arte-Reportage berichtet über tief verwurzelten Rassismus: Traveller würden stehlen, betrügen, auf Kosten anderer leben, lauten gängige Vorurteile. Offensichtlich aber wird die Lage der Volksgruppe noch schlimmer. Die Studie der Europäischen Union hat zuletzt einen Schock ausgelöst. Denn ihre Zahlen sind dramatisch: Im Schnitt elf Prozent der Irish Traveller sterben demnach durch Suizid. Nur drei Prozent von ihnen werden der Erhebung zufolge älter als 65 Jahre.