Köln. In einem verlassenen Braunkohle-Dorf geschieht ein Mord. Bei ihren Ermittlungen treffen die Kölner Kommissare Ballauf und Schenk auf Menschen, die ihrer Heimat beraubt und innerlich zerrissen sind.

Leerstehende Dörfer, eine wüste Landschaft und ein Krater gigantischen Ausmaßes: Die Gegend, in der die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) unterwegs sind, wirkt surreal und gespenstisch. Der neue Kölner „Tatort“ spielt im rheinischen Tagebaurevier Garzweiler - der Region, die im Januar wegen der Räumung des damals von Braunkohle-Gegnern besetzten und inzwischen abgerissenen Ortes Lützerath täglich in den Medien war.

„Abbruchkante“ heißt die im Auftrag des WDR produzierte Folge, die diesen Sonntag (26. März/20.15 Uhr) im Ersten zu sehen ist.

Der Wirklichkeit nachempfunden

Der Fall: Im nahezu menschenleeren Dorf Bützenich wird der Arzt Dr. Christian Franzen ermordet. Der Rahmen: Der Mediziner wohnte in Neu-Bützenich. Dort leben viele ehemalige Bützenicher, die ihr altes Zuhause wegen der vorrückenden Braunkohle-Bagger notgedrungen verlassen hatten. Kürzlich wurde dann überraschend entschieden, dass Alt-Bützenich jetzt doch erhalten bleiben soll.

Das Szenario ist der Wirklichkeit nachempfunden: Durch das auf 2030 vorgezogene Ende der Braunkohleförderung dürfen fünf Dörfer, die ursprünglich abgerissen werden sollten, stehenbleiben. Doch es sind Geisterdörfer: 90 Prozent der Bewohner sind weggezogen, teilweise in aus dem Boden gestampfte Ersatzdörfer.

Bei ihren Ermittlungen in Alt- und Neu-Bützenich treffen Ballauf und Schenk auf Menschen, die eine innere Zerrissenheit oder gar Verzweiflung verspüren, weil ihr Schicksal eng mit der Geschichte des Dorfes verknüpft ist.

Da sind der frühere Ortsvorsteher Peter Schnitzler (Peter Franke) und seine Ehefrau, die den Verlust ihres Hauses nicht verkraften können. Da ist ihr Enkel Yannik (Leonard Kunz), der bei seinen Großeltern aufgewachsen ist, nun aber für den Sicherheitsdienst des „Konzerns“ arbeitet. Da ist Konrad Baumann (Jörn Hentschel), dessen Tochter vor einigen Jahren tödlich verunglückt ist - nachdem sie als Waldbesetzerin von einem Baum gefallen war.

Wie ein einsamer Wolf

Die Pensionswirtin Karin Bongartz (Barbara Nüsse) lebt noch in Alt-Bützenich und vermietet Ballauf und Schenk ein Zimmer. Die frühere Küsterin der inzwischen entweihten Kirche entwickelt einen besonderen Draht zu Ballauf. Der wiederum knackt an seiner vermurksten Beziehung zu der Kriminalpsychologin Lydia. „Ich hab' Schiss gekriegt, dass sie mein ganzes altes Leben abbaggert und ich nach Neu-Ballauf ziehen muss“, gesteht er. Wie ein einsamer Wolf streift Ballauf nachts durch die Straßen mit den leerstehenden Häusern - eine apokalyptisch anmutende Szenerie.

Regisseur Torsten C. Fischer (Drehbuch: Eva und Volker A. Zahn) zeigt immer wieder beeindruckende Luft-Aufnahmen des Tagebaus, dessen Dimension sich nur erahnen lässt, wenn man ihn nicht live gesehen hat. Schenk nennt ihn ein „gigantisches Klimakiller-Loch“. Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg verglich die Kraterlandschaft bei einem Besuch des Braunkohlereviers mit Mordor, dem Reich des bösen Sauron aus Tolkiens Roman „Herr der Ringe“.

Es ist ein spannender „Tatort“ mit starken Bildern, der sich nahtlos in ein aktuelles Geschehen einfügt und dabei auch nicht mit Kohle-Kritik spart. Dabei geht es nicht um klimapolitische Scharmützel, sondern um die unmittelbaren Folgen für die Bewohner. Die Auflösung des Mordfalls ist überraschend und klug erdacht.