Berlin. Was die Rote Armee Fraktion für Westdeutschland war, waren die Brigate Rosse für Italien. Arte erteilt mit einem aufwendigen Serienprojekt eine Geschichtsstunde über die blutigen 1970er Jahre.

Die Entführung des Managers Hanns Martin Schleyer durch die Terrorgruppe Rote Armee Fraktion 1977 ist vielen Menschen in Deutschland noch ein Begriff. Doch dass sich in Italien im Jahr darauf ein Fall ereignete, der der Schleyer-Entführung sehr stark ähnelte, wissen wohl die wenigsten Menschen in der Bundesrepublik.

Die Entführung des christdemokratischen Parteivorsitzenden Aldo Moro durch die Brigate Rosse (Rote Brigaden) gilt als einer der Tiefpunkte der „bleiernen Zeit“ Italiens zwischen 1968 und 1988. Eine Ära der politischen Unruhen, Massendemonstrationen, Krawalle und des Terrors.

Arte zeigt mit der sechsteiligen Mini-Serie „Und draußen die Nacht“ an diesem Mittwoch (21.55 Uhr) und diesem Donnerstag (22.30 Uhr) eine äußerst aufwendige Rekonstruktion dieser Schicksalstage für Moro.

Italien ist im Jahr 1978 geprägt von einer Wirtschaftskrise, Unruhen und einem tiefen politischen Graben. Die für die westliche Welt ungewöhnlich starken Kommunisten haben eine radikale Jugendbewegung hervorgebracht, die staatlichen Autoritäten mit tiefem Hass begegnet. Gewalt auf den Straßen und Polit-Attentate sind an der Tagesordnung.

Die christdemokratische Partei Italiens, Democrazia Cristiana, stellt unter Giulio Andreotti eine Minderheitsregierung. Um die Position der Regierung zu stärken, setzt sich der konservative Parteivorsitzende Aldo Moro für einen Kurs der Zusammenarbeit - einen „historischen Kompromiss“ - mit der kommunistischen Partei (PCI) und der gemäßigten sozialistischen Partei (PSI) ein. An beiden Rändern des politischen Spektrums sorgt die Einigung für eine zunehmende Radikalisierung.

Am 16. März 1978 soll schließlich der „historische Kompromiss“ im Parlament verhandelt werden. Moro begibt sich in Begleitung von seinen Leibwächtern in seiner Dienstlimousine auf den Weg dorthin. Doch er kommt nie an. Als der Spitzenpolitiker wie jeden Morgen an einem Blumenstand halten will, lauert seinem Tross ein Kommando der Brigate Rosse auf, mäht mit Maschinengewehren Moros Beschützer nieder und zerren den verblüfften alten Mann in ein Fluchtauto. Dort verliert sich zunächst Moros Spur. Wochen des Bangens beginnen.

Der verschwundene Moro (Fabrizio Gifuni) wird zum Spielball der Kräfte. Die Polizei riegelt Straßen und veröffentlicht Steckbriefe. Die Regierung streut öffentlich Zweifel an Moros Zurechnungsfähigkeit, um seinen Wert als Geisel zu mindern. Moros Freund Papst Paul VI. (Toni Servillo) versucht, eigene Wege für eine Befreiung zu gehen. Im Vatikan türmen sich Berge von Geldschein-Bündeln - alles Spenden für das Lösegeld. Immer mehr Menschen mischen in dem Chaos mit - darunter ein halbseidener US-Berater und ein vermeintlicher Geisterseher. Währenddessen werden die Geiselnehmer immer nervöser.

Regisseur Marco Bellocchio, Jahrgang 1939, setzt sich in seinen filmischen Arbeiten immer wieder mit den Revolten der 1960er und 1970er Jahre auseinander. 2021 wurde er beim Filmfestival in Cannes mit der Goldenen Ehrenpalme für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

Bei „Und draußen die Nacht“ konnte Bellocchio auf ein Team von vier Drehbuchschreibern zurückgreifen. Er betont, dass die Serie eine freie Interpretation sei. Die hochkarätigen Schauspieler, die opulente Ausstattung im überzeugenden 70er-Jahre-Look und das riesige Aufgebot verleihen der Serie eine enorm dichte Atmosphäre.

In der Hauptrolle des Aldo Moro glänzt der vielfach ausgezeichnete Schauspieler Fabrizio Gifuni („Meine geniale Freundin“).