Bonn/Berlin. Sie sind „Die Unbeugsamen“: Eine Dokumentation erzählt von Frauen in der Bonner Republik. Für sie gab es vieles zu tun und einiges zu ertragen. Wie den ungenierten „BH-Test“ eines männlichen Kollegen.

Männer, überall Männer. Sie schütteln Hände, stehen am Rednerpult, posieren auf der Treppe für Pressefotografen. Es sind Archivaufnahmen der deutschen Politik nach 1945 - auf denen keine einzige Frau zu sehen ist.

Mit dieser Leerstelle beginnt die Doku „Die Unbeugsamen“ über Frauen in der Bonner Republik, die 3sat zum Internationalen Frauentag am 8. März um 20.15 Uhr zum ersten Mal im deutschen Fernsehen zeigt. Regisseur Torsten Körner hat dafür bekannte Politikerinnen wie Rita Süssmuth (CDU) oder Christa Nickels (Grüne) vor die Kamera geholt und lässt sie ihre aus heutiger Sicht teils unfassbaren Erlebnisse im Bundestag schildern.

Wie die Sache mit dem BH-Test. CSU-Mann Richard Stücklen fuhr Helga Schuchardt von der FDP nach einer ihrer Reden mit dem Daumen über den Rücken - er habe mit Parteikollegen gewettet, ob sie einen BH trage. Und ja, sie trage keinen. Als der Vorfall in die Presse gelangt war, freute sich Stücklen sogar: Das habe sein „liberales Image gestärkt“, sagte er damals zu Schuchardt, wie sich diese erinnert.

Der Sexismus war in den 1970er und 1980er Jahren parteiübergreifend: Als der Grünen-Politiker Klaus Hecker 1983 drei Frauen an die Brüste grapschte, wurde Waltraud Schoppe (ebenfalls Grüne) im TV-Interview gefragt, ob es nicht besser sei, „solche Konflikte menschlich zu lösen, als gleich die politische Keule zu schwingen?“ Mit anderen Worten: Ob man da ein Fass aufmachen muss? Doch derartige Übergriffe waren und sind keine Lappalie, sondern machen gesellschaftliche Probleme sichtbar, das sah Schoppe schon 1983 ähnlich.

„Die Unbeugsamen“, 2021 im Kino, befasst sich dankenswerterweise nicht nur mit der Frage, was engagierten Frauen geschehen kann - sondern auch damit, was sie dem Politikbetrieb geben können. Über Jahrzehnte hinweg scheuten sich Journalisten nicht, diesen Aspekt in die immer gleiche Frage zu gießen: „Machen Frauen andere Politik?“ Ja, fand nicht nur Grünen-Ikone Petra Kelly: Es sei was Verbindendes zwischen Frauen da, keine Parteigrenzen sprengende Harmonie zwar, aber doch - „weil sie dem Alltagsleben viel näher verbunden sind“.

Denn was sich seit damals kaum geändert hat: Noch immer sind es Frauen, die die meiste „Care-Arbeit“ übernehmen, die sich schlicht kümmern, um Kinder, Pflegebedürftige, Hausarbeit. So lassen sich einige Errungenschaften weiblicher Politikerinnen in Deutschland wohl am besten mit zugewandt überschreiben. Rita Süssmuth etwa setzte sich in ihrer Zeit als Gesundheitsministerin Ende der 1980er Jahre für eine breite Aufklärungskampagne über HIV ein. Einige ihrer Parteikollegen plädierten in dieser Zeit noch für eine Art Kasernierung der Erkrankten.

Die Doku hat das Potenzial, Zuschauerinnen und Zuschauer aufgewühlt zurückzulassen. Nicht nur wegen des Kapitels über Petra Kelly und Hannelore Kohl, die Ehefrau von CDU-Kanzler Helmut Kohl. Beide starben auf erschütternde Weise: Kelly wurde 1992 von ihrem Lebensgefährten Gert Bastian im Schlaf erschossen, Kohl beging 2001 Suizid. Sondern auch, weil sich einiges an der Lage von Politikerinnen partout nicht zu ändern scheint. BH-Tests mag heute keiner mehr machen, doch die teils obszönen Zwischenrufe, die Frauen vor 40 Jahren im Parlament erdulden mussten, sind geblieben.

Heute kommen sie aus dem Internet, von anonymen Kommentatoren. Das Magazin „Spiegel“ hatte im Wahlkampf 2021 Hasskommentare gegen die Spitzenkandidaten ausgewertet. Annalena Baerbock (Grüne) wurde laut der Analyse mit Abstand am häufigsten attackiert - als einzige Frau, die sich um den Posten als Bundeskanzlerin beworben hatte.