Berlin. Zwei Männer, zwei Leben - und eine radikale Entscheidung. Günther und Marc leben im Wald. Ein Traum, der auch seine Schattenseiten hat.

Leben im Einklang mit der Natur - fernab der Zivilisation, das klingt erstmal romantisch. Doch die "37 Grad"-Dokumentation "Zuhause im Wald - Leben abseits der Zivilisation" (14.9., 22.15 Uhr, im ZDF) zeigt: Leben im Wald, das bedeutet vor allem Überleben.

"Boah, das bin ich da auf den Fotos", ruft Marc ungläubig. Auf den Bildern, die sich der 47-Jährige mit seiner Mutter Ulrike anschaut, ist ein sonnengebräunter junger Mann zu sehen. Ein richtiger Sonnyboy mit lässiger Geste und smartem Lächeln.

Seine Mutter wirkt sehnsüchtig beim Sichten der Fotos. "Du hast ja alles gehabt. Es war alles perfekt und du warst ein Perfektionist. Wir hatten ein schönes Zuhause, du hast Skifahren gelernt und dass das jetzt so ist, das ist ja ein Extrem", sagt sie sanft klagend. Marc seufzt. Sie meint damit sein Leben in einer selbstgebauten Jurte im Odenwald, die er seit 2014 bewohnt.

Bald muss er jedoch sein Zuhause räumen. Und das nach einem jahrelangen Streit mit den örtlichen Behörden. Er wird künftig in einem Bauwagen leben - auf noch weniger Quadratmetern.

Doch das macht dem ehemaligen Golflehrer nichts aus, wie er sagt. Er kann und will sich die "Fragen im Leben nicht mehr mit dem Streben nach Geld erklären". Das bisschen, was Marc braucht, verdient er sich mit "Wildnis-Kursen" für Naturbegeisterte.

Neuanfang nach Burn-out

Mit einem Burn-out vor acht Jahren kam der radikale Bruch mit seinem alten Leben. Seither lebt er im Wald und sei zufrieden, wenn er mit seinem Hund in der Sonne sitze und Haferbrei löffeln könne. "Ich hatte schreckliche Existenzängste. Aber jetzt weiß ich, dass ich immer überleben kann." Ein Leben in Wohlstand - das war einmal.

Und dieses Leben kennt auch Günther Hamker. Er kommt aus einer großbürgerlichen Familie. Sein Großvater besaß eine Margarine-Fabrik. Er schenkte ihm das 80 Hektar große Waldgrundstück nahe der Bodensteiner Klippen in Sehlde/Niedersachsen. Dort lebt er seit 60 Jahren in einer ehemaligen Unterkunft für Waldarbeiter.

Der Wald hat ihn gerettet

Eigentlich wollte er Arzt werden. Aber der Druck war groß. Er trank gegen diesen an - und wäre dabei fast zugrunde gegangen. "Mich hat der Wald gerettet", sagt er. Es sei ein Leben in absoluter Freiwilligkeit, sagt der frühere Forstwirt.

Doch der Preis für dieses Leben ist die zwischenmenschliche Wärme. Eine Frau hat es nie lange in der kleinen, aber gemütlichen Behausung ausgehalten - nur Edda. Fünf Jahre. Sehr geliebt haben sie sich, sagt Günther wehmütig. Aber sie wollte ihn "mitnehmen" in die Zivilisation - in ein Leben mit Struktur und Regeln. Das hat er verweigert.

Er isst, wenn er hungrig ist und schläft, wenn er müde ist, sagt er. Doch manchmal kommt er ins Grübeln. Der letzte Winter hat ihm sehr zugesetzt. In dieser Jahreszeit bedeutet das Leben im Wald auch Überleben. Und dann auch noch Corona. Das Virus hielt Wanderer und neugierige Besucher von seinem Häuschen fern. Da hatte Günther manchmal schon "das Gefühl, festzusitzen".

Man bekommt als Zuschauer in diesen 28 Minuten eine Ahnung davon, dass das Leben in völliger Freiwilligkeit in der Natur auch Schattenseiten hat - und eben auch nicht perfekt ist. Aber muss es vielleicht auch nicht. Marc sagt, dass er zufrieden sei. "Man muss ja nicht 100 Prozent im Leben haben. Man kann auch mit 80 oder 90 zufrieden sein." Ja, Perfektionismus, das war einmal.

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