Hamburg. So stark Zervakis und Opdenhövel im ersten Teil der Show begannen, so stark ließen sie nach. Das lag vor allem an einem Biertest.

Da ist ProSieben tatsächlich ein Coup gelungen: Der Privatsender hat gezeigt, wie man mit zwei ehemaligen ARD-Stars eine ernstzunehmende, stark politische Sendung für junge Leute in einem Kanal machen kann, der bisher genau dafür nicht bekannt war. Lange, tiefe Gespräche über die Situation von Frauen in Afghanistan unter den Taliban, Montags um 20.15 Uhr auf ProSieben?

Schwer vorstellbar, bis jetzt, und dann das: Es geht, es wirkt nicht aufgesetzt, und Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel finden den richtigen Interviewton. Überhaupt scheinen sich da zwei gefunden zu haben: Die Mischung aus ernsthaftem Interesse und sympathischer Lockerheit macht Spaß, genauso wie die Idee, zwei Politiker – Wolfgang Kubicki und Hubertus Heil – mit Wählerinnen und Wählern im Taxi durch Berlin fahren und sich befragen zu lassen. Frisch und anders, ein starker Start in eine neue Sendung, die ProSieben seit Monaten vorbereitet und die zeigen soll, in welcher Richtung man in den nächsten Jahren unterwegs sein will. Das funktioniert, zumindest in der ersten Dreiviertelstunde.

Linda Zervakis: Ein Sänger passte nicht wirklich in die Show

Dann kam Sänger James Blunt, der nicht so richtig in die Show passte, zumal die Diskussion mit ihm über Bier und deutsche Gemütlichkeit, nun ja, bemüht wirkte. Der Test verschiedener Biere war nah am Rand der Albernheit, ach nein: drüber. Und noch einer guten Stunde war Pro Sieben wieder, wie Pro Sieben immer war.

Und als Beobachter fragte man sich: Was soll das denn? Und was wollt ihr denn nun sein? So stark Zervakis und Opdenhövel im ersten Teil waren, so schwach waren sie jetzt und wirkten irgendwie unterfordert: Willkommen bei ProSieben... Hoffentlich wird das beim Triell, für das zwischendrin viel Werbung gemacht wurde, wieder besser.

Neue Show mit Linda Zervakis: Emotionaler Beitrag zum Schluss

So wie zum Schluss der Sendung, als man sich um die Folgen des Hochwassers in Deutschland kümmerte und damit an die Ernsthaftigkeit der ersten beiden Themen anknüpfte – mit einem emotionalen Beitrag über eine Familie, die hofft, ihr vom Schlamm verwüstetes Zuhause irgendwann wieder bewohnen zu können. Starkes, wichtiges TV in einer Zeit, in der die Katastrophe so langsam in Vergessenheit zu geraten droht – und viele gar nicht wissen, wie groß die Hilfsbereitschaft ist.

Ein bisschen schade ist es, dass Zervakis und Opdenhövel bei den gut gemachten Reportagen keine Rolle spielen, dass sie nicht selbst im Ahrtal gewesen sind – sondern am Ende „nur“ die Betroffenen im Studio treffen und befragen, ein bisschen wie der Sportreporter nach dem Spiel. Das aber professionell, das Gespräch mit den zwei Hochwasseropfern berührte und bewies, dass Moderatoren dann besonders gut sind, wenn sie auch mal andere reden lassen.