Berlin. Das Leben ist eben doch ein Popsong. Oder besser noch: eine Aneinanderreihung von Popsongs. Dieses Gefühl hat man zumindest, nachdem man den Film “Gloria - Das Leben wartet nicht“ gesehen hat.

Gloria (Julianne Moore) ist eine temperamentvolle Frau in den besten Jahren und seit 14 Jahren glücklich geschieden. Sie kann mit ihrem Leben zufrieden sein. Zu ihren erwachsenen Kindern hat sie ein gutes Verhältnis. Sie könnten sie zwar öfter anrufen, aber Gloria kommt damit klar.

Ihr stressfreier Job bei einer Versicherung lässt genügend Zeit und Energie für neue Hobbys oder um Tanzen zu gehen. Und doch fehlt irgendetwas. Als Gloria bei einer Ü50-Discoparty Arnold (John Turturro) kennenlernt, werden bei ihr längst verlorengeglaubte Gefühle neu entfacht. "Gloria - Das Leben wartet nicht" steht am Dienstag um 22.50 Uhr beim "SommerKino im Ersten" auf dem Programm.

Fast alle Schlüsselszenen aus dem Alltag der Hauptdarstellerin Julianne Moore unter der Sonne von Los Angeles werden durch starke und passende Lieder aus den 80er Jahren kommentiert. Entweder singt sie die Schlager selbst lautstark oder leise - je nach Stimmungslage - mit oder sie erklingen unauffällig im Hintergrund. Allen Songs ist gemein: Sie beschreiben den Seelenzustand von Gloria. Sie geht gern tanzen, flirtet dabei auf der Suche nach der kleinen oder großen Liebe, geht mit ihrer Tochter zum Yoga, besucht Lachkurse, passt auf ihren Enkel auf und trifft Freunde bei Rotwein und ihre Mutter beim Mittag.

Jede Kameraeinstellung dreht sich nur um Gloria. Es ist der präzise Blick auf den Alltag dieser Frau. Dann trifft Gloria Arnold. Aus Verliebtheit wird schnell eine Beziehung, bei der er aber viel Gepäck aus der Vergangenheit mitbringt und auch nicht los wird.

Der Stoff ist für den Regisseur Sebastián Lelio nicht neu: Er hat seinen eigenen Film aus dem Jahr 2013 mit anderen Schauspielern und neuer Szenerie verfilmt. Für das Original bekam seine Hauptdarstellerin bei der Berlinale 2013 den Silbernen Bären als beste Hauptdarstellerin. Nun hat der oscarprämierte Chilene ("Eine fantastische Frau", bester fremdsprachiger Film 2018) aus der Geschichte ein US-Remake produziert.

Mit niemand anderem als Julianne Moore hätte er das machen wollten, sagte er im Vorfeld des Filmstarts. "Ich werde oft gefragt, warum ich meinen eigenen Film noch einmal neu gedreht habe. Und ich könnte stundenlang das Warum erläutern, aber es gibt eine ganz simple Antwort darauf: aus Bewunderung für Julianne Moore."

Eine unerwartete Wendung, einen Aha-Moment gibt es zwar nicht, langweilig ist "Gloria" trotzdem nicht. Und wer die Pop-Songs der 80er mag, wird so oder so bestens unterhalten.

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