Berlin. Lothar steht in der Mitte seines Lebens, doch gelebt hat er schon lange nicht mehr. Nach einer Krebsdiagnose kommt für den Eigenbrötler alles ganz anders. Eine beeindruckende Tragikomödie im Ersten.

Lothar Kellermann ist ein Kauz, der es sich mit Familie und Freunden verscherzt hat. Dann bekommt er noch eine bittere Diagnose: Krebs, Heilung ausgeschlossen. Der Eigenbrötler (Jens Harzer) muss sich in "Ruhe! Hier stirbt Lothar" einigen erbarmungslosen Fragen vor dem Tod stellen. Die Tragikomödie läuft am Mittwoch (20.15 Uhr) im Ersten.

Fliesen-Verkäufer Lothar akzeptiert zunächst die Diagnose und kämpft nicht dagegen an. Von der Tochter verabschiedet er sich knapp und pragmatisch und regelt seinen letzten Lebensweg minuziös bis in den Tod: Er versetzt sein Haus, verschenkt den Hund und checkt sogar schon im Hospiz ein. Doch Lothar stirbt nicht - Fehldiagnose.

Nun muss er vollkommen mittellos in ein Leben zurückkehren, das ihn weder will noch braucht. Für Lothar beginnt eine kuriose Geschichte - und der Weg zurück ins Leben. Der unterhaltsame, aber unaufgeregte Film punktet vor allem mit seinen Charakterdarstellern, allen voran Jens Harzer. Der 48-Jährige ist zurzeit Träger des Iffland-Rings, der größten Auszeichnung im deutschsprachigen Theater.

Regie führte Grimme-Preisträgerin Hermine Huntgeburth ("Lindenberg! Mach dein Ding"). Gedreht wurde in Hamburg im Corona-Sommer 2020. Produziert wurde der Fernsehfilm für den WDR.

"Er nimmt das Sterben als eine Möglichkeit des Daseins jetzt an - in gewisser Weise fast ein wenig empathielos", sagt Harzer ("Babylon Berlin") über seine Rolle. Lothar will deshalb gar nicht in sein altes Leben zurück, fühlt sich wohl im Hospiz und plant sogar, dort zu bleiben - wird aber rausgeschmissen.

In stoischer Manier stellt Harzer das Schicksal des Misanthropen dar, der dank Hospiz-Mitbewohnerin Rosa (Corinna Harfouch, "Deutschland 89") und ihrer direkten Art sich wieder dem Leben zuwendet. "Du gehst raus und lebst", ist ihr Rat in der schwierigsten Stunde in Lothars Schicksal. Die lebenszugewandte Krebspatientin begleitet Lothar durch die Trümmer seines scheinbar durchgeplanten Weges.

"Diese Beziehung ist natürlich schön zu erzählen, die zwei so extreme und scheinbar sehr extrem von einander entfernte Lebensentwürfe (...) zusammenführt", sagt Harfouch (66) über die zarte Beziehung, die sich zwischen den beiden Hauptcharakteren entwickelt.

Rosa fordert ihren Gegenpart Lothar mit ihrem scheinbar großen Mundwerk stets heraus, der selbst mit nur wenigen Worten am Tag auskommt. Während die Todgeweihte immer schwächer wird, muss sich Lothar den Geistern seines Lebens stellen und gewinnt an Stärke. Er versucht, sich auf seine verquere Art mit seiner Tochter zu versöhnen und einen neuen Job zu finden.

Stoffe über derartige Wandlungen gibt es bereits viele. Schon in Charles Dickens' Erzählung "A Christmas Carol" von 1843 macht ein kaltherziger Geizhals über Umwege eine komplette Verwandlung zum Philantropen durch. Für Lothar ist die falsche Krebsdiagnose jedoch keine "klassische Katharsis", sagt Schauspieler Harzer. Was dem Helden widerfährt, "ist ein Lernen des neuen Lebens". "Er muss das geschenkte Leben erstmal verstehen." Dennoch wandelt sich Lothar in diesem warmherzigen Film in eine unerwartete Richtung.

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