Berlin. Frankreich wählt, Europa zittert: Maybrit Illners Gäste hoffen auf eine Niederlage des Front National – und ergründeten dessen Erfolg.

Eigentlich ist die Sache ja klar. Wenn am Sonntag die Wahllokale in Frankreich schließen, kann es nur einen Sieger geben: Emmanuel Macron, 39 Jahre, Hoffnungsträger aller proeuropäischen Kräfte.

Meinungsumfragen sehen den sozialliberalen Ex-Wirtschaftsminister deutlich vor seiner Konkurrentin, der Rechtspopulistin Marine Le Pen. Doch was heißt das schon? Auch mit dem Brexit und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten hat (fast) niemand gerechnet – bis es so weit war.

Kein Wunder also, dass Maybrit Illner bei dieser für die EU so entscheidenden Abstimmung alle Szenarien durchspielen wollte. „Frankreich vor der Wahl – Europa vor dem Ende?“, fragte die Moderatorin am Donnerstagabend.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Die Schwäche des Establishments

Natürlich muss es Macron schaffen. In Illners Runde hofften alle auf einen Sieg des Favoriten. „Wir brauchen ein starkes Frankreich“, erklärte Kanzleramtsminister Peter Altmaier. „Die historische Aufgabe besteht darin, eine Rechtsextremistin zu verhindern“, stimmte Linken-Frontfrau Katja Kipping zu.

Emmanuel Macron – Jungstar mit Potenzial

Der 39-jährige Emmanuel Macron geht als Favorit in die Stichwahl um das Amt des französischen Staatspräsidenten am 7. Mai.
Der 39-jährige Emmanuel Macron geht als Favorit in die Stichwahl um das Amt des französischen Staatspräsidenten am 7. Mai. © Getty Images | Aurelien Meunier
Hinter Macron steht die von ihm 2016 gegründete politische Bewegung „En Marche!“ (In Bewegung). Einen klassischen Parteiapparat hat er bis heute nicht. Macron führte sein Wahlkampfteam wie ein Start-up-Unternehmen.
Hinter Macron steht die von ihm 2016 gegründete politische Bewegung „En Marche!“ (In Bewegung). Einen klassischen Parteiapparat hat er bis heute nicht. Macron führte sein Wahlkampfteam wie ein Start-up-Unternehmen. © dpa | Michel Spingler
Der Arztsohn war bis 2012 gut bezahlter Investmentbanker bei Rothschild & Cie., dann holte ihn Präsident François Hollande als Berater in den Elysée-Palast. Von 2014 bis 2016 war er Wirtschaftsminister.
Der Arztsohn war bis 2012 gut bezahlter Investmentbanker bei Rothschild & Cie., dann holte ihn Präsident François Hollande als Berater in den Elysée-Palast. Von 2014 bis 2016 war er Wirtschaftsminister. © REUTERS | POOL
Inzwischen hat sich Macron aus dem Schatten seines Mentors im Elysée-Palast gelöst und will nach einer politischen Blitzkarriere den Sozialisten nun beerben.
Inzwischen hat sich Macron aus dem Schatten seines Mentors im Elysée-Palast gelöst und will nach einer politischen Blitzkarriere den Sozialisten nun beerben. © REUTERS | REGIS DUVIGNAU
Macron ist unkonventionell, er will „weder rechts noch links“ sein. Er gilt als Mitte-Links-Politiker, seine Ausrichtung ist sozialliberal. Die Nähe zu den Menschen ist ihm wichtig.
Macron ist unkonventionell, er will „weder rechts noch links“ sein. Er gilt als Mitte-Links-Politiker, seine Ausrichtung ist sozialliberal. Die Nähe zu den Menschen ist ihm wichtig. © REUTERS | BENOIT TESSIER
Berührungsängste hat er jedenfalls nicht. Weder bei den französischen Bürgern, ...
Berührungsängste hat er jedenfalls nicht. Weder bei den französischen Bürgern, ... © REUTERS | POOL
... noch bei Tieren.
... noch bei Tieren. © dpa | Eric Feferberg
Manche nennen den Politjungstar den „französischen Kennedy“. Schon vor der Wahl war von einer „Macromania“ die Rede.
Manche nennen den Politjungstar den „französischen Kennedy“. Schon vor der Wahl war von einer „Macromania“ die Rede. © Getty Images | Aurelien Meunier
Verheiratet ist Macron seit 2007 mit Brigitte Macron (64). Die beiden kennen sich seit seiner Schulzeit.
Verheiratet ist Macron seit 2007 mit Brigitte Macron (64). Die beiden kennen sich seit seiner Schulzeit. © dpa | Eric Feferberg
Brigitte Macron war damals seine Französischlehrerin. Sie hat drei Kinder aus erster Ehe, zwei davon älter als Macron.
Brigitte Macron war damals seine Französischlehrerin. Sie hat drei Kinder aus erster Ehe, zwei davon älter als Macron. © dpa | Christophe Ena
Das ungewöhnliche Paar könnte Glamour in den Élysée-Palast bringen.
Das ungewöhnliche Paar könnte Glamour in den Élysée-Palast bringen. © dpa | Yoan Valat
Macron ist wie so viele andere Spitzenpolitiker Absolvent der Elite-Hochschule ENA. Doch er sieht sich nicht als Teil des politischen Establishments, sondern als Revoluzzer, der Frankreich aufrütteln und modernisieren will.
Macron ist wie so viele andere Spitzenpolitiker Absolvent der Elite-Hochschule ENA. Doch er sieht sich nicht als Teil des politischen Establishments, sondern als Revoluzzer, der Frankreich aufrütteln und modernisieren will. © dpa | Eric Feferberg
Er könnte mit noch nicht einmal 40 Jahren der jüngste Präsident der französischen Geschichte werden.
Er könnte mit noch nicht einmal 40 Jahren der jüngste Präsident der französischen Geschichte werden. © Getty Images | Sylvain Lefevre
1/13

So weit, so bekannt. Wer kann sich schon ernsthaft eine Politikerin an der Spitze Frankreichs wünschen, die auf Abschottung und Nationalismus setzt? Die EU in ihrer jetzigen Form ist mit einer Präsidentin Le Pen undenkbar.

Den Boden, auf dem der Populismus einer Marine Le Pen gedeihen konnte, haben die etablierten Parteien in Frankreich bereitet, also Sozialisten und Konservative. Diese schonungslose Diagnose stellte ausgerechnet der republikanische Politiker Bruno Le Maire. „Die Präsidenten Sarkozy und Hollande waren eine Enttäuschung“, sagte er. Auch seine Partei sei gescheitert.

Zum ersten Mal in der Geschichte Frankreichs stehen somit zwei Kandidaten in der Stichwahl, die keiner der Volksparteien angehören.

Die Kontrahenten bei der Frankreich-Wahl

weitere Videos

    Linke Kritik an Deutschland

    Linken-Chefin Kipping sah den Grund dafür naturgemäß an anderer Stelle. Die vermeintliche Dominanz Deutschlands in der EU habe zum Aufstieg der Rechtspopulisten beigetragen. Ähnlich argumentierte die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, die den Erfolg Le Pens mit der deutschen Europapolitik erklärte.

    Der unausgesprochene Vorwurf beider: EU und Euro würden lediglich Deutschland dienen. Dieser Tenor der zwei linken Vertreterinnen in Illners Runde ähnelt allerdings sehr den Parolen des Front National.

    Es war Kanzleramtsminister Altmaier, der klarstellte, dass die Europäische Zentralbank unabhängig sei und in der Eurozone alle Länder zusammen entscheiden – oft auch gegen den Willen Deutschlands.

    Ex-Haider-Sprecher erklärt Populismus

    Die Diskussion, die bis hierhin wenig Neues bot, drohte schon im Sand zu verlaufen. Doch dann präsentierte Maybrit Illner einen Mann, der genau weiß, wie Populismus funktioniert: den Österreicher Stefan Petzner. Der war Pressesprecher und Generalsekretär des FPÖ-Politikers Jörg Haider – und damit der Stichwortgeber eines Populisten.

    Das Erfolgsrezept laut Petzner: „Es geht um Kontrolle“. Populisten geben den Wählern das Gefühl, dass der Staat etwas nicht mehr im Griff habe – zum Beispiel eine neoliberal entfesselte Wirtschaft, der Andrang von Flüchtlingen oder Fehler im Euro. „Sie versprechen, die böse Welt auszusperren, damit es dem Land wieder gut geht“, so der Politikberater.

    Marine Le Pen habe den Front National von Nazis gesäubert, den eigenen Vater aus der Partei gedrängt und bediene sich linker Sozialpolitik und rechter Sicherheitspolitik. „Das ist ganz typisch für Populisten“, erklärte Petzner.

    Macron – die letzte Chance für Europa

    Gerade das schamlose Zusammenstellen von linken und rechten Positionen ist ein interessanter Erklärungsansatz dafür, warum viele Junge, aber auch Gewerkschafter und Kommunisten, in Frankreich die rechte Kandidatin wählen wollen.

    Petzners Prognose für die Wahl in Frankreich: Das Ergebnis werde knapper als gedacht. Macron, so der Politikprofi, sei die letzte Chance für Europa. Sollte er scheitern, werde Le Pen spätestens 2022 das Präsidentenamt übernehmen.

    Lange Wunschliste aus Paris

    Darum hilft laut Petzner nur eines: Deutschland müsse Frankreich entgegenkommen. Doch dessen Wunschliste ist lang. Ein Präsident Macron stünde für gemeinsame Verschuldung, höhere Löhne in Deutschland und mehr Investitionsprogramme in Europa – alles Dinge, die in Berlin eher kritisch gesehen werden.

    Kanzleramtsminister Altmeier sagte zwar, dass Deutschland die Eurozone stärken wolle, eine gemeinsame Verschuldung lehnte er aber ab. Frankreich müsse den deutschen Weg gehen und seine Wettbewerbsfähigkeit stärken.

    Damit ist klar: Sollten die Franzosen am Sonntag Emmanuel Macron zum Präsidenten wählen, stehen harte Verhandlungen zwischen Paris und Berlin bevor. Und vier Jahre, in denen sich die Zukunft Europas entscheiden könnte.

    Die ganze Sendung können Sie sich in der ZDF-Mediathek ansehen.