Berlin. Für Ingo Zamperoni ist die Zeit in den USA fast um. Ende Oktober ist er wieder in Deutschland. Es fällt ihm leicht aufzuzählen, was er an dem Land mag. Aber er sieht auch, was dort nicht gut läuft.

Ingo Zamperoni mag die USA. Aber es gibt auch einiges, was ihn immer wieder an dem Land zweifeln lässt - die Armut, die krasser geworden sei, die Obdachlosen, die Toten an der Grenze zu Mexiko.

Fremd kommt ihm der Aufstieg Donald Trumps vor. "Dass der Ku-Klux-Klan für Trump wirbt, sagt schon viel über ihn aus", sagte Zamperoni der Deutschen Presse-Agentur, "und den Geist bekommt man dann nicht mehr zurück in die Flasche." Viel Respekt hat er vor Barack Obama. Dessen Gesundheitsreform hält er für eine historische Errungenschaft. "Das kann ihm keiner nehmen", so der USA-Korrespondent der ARD, der Ende Oktober neuer Moderator der "Tagesthemen" wird.

Frage: Als Sie im Studium in die USA gegangen sind, waren Sie hinterher von vielem enttäuscht. Wie ist Ihr Fazit jetzt nach noch einmal zweieinhalb Jahren als Reporter?

Antwort: Da gibt es auch wieder eine große Ernüchterung, weil ich gesehen habe, welche Auswirkungen der Antiterrorkrieg hatte und welches Klima der Angst entstanden ist, Angst auch vor Veränderungen. Und dass auch die Armut mancherorts krasser geworden ist, zum Beispiel in San Francisco. Da war ich damals auch, und da gab es auch schon Obdachlose, aber jetzt habe ich den Eindruck, man kann kaum geradeaus gehen, ohne über einen zu stolpern. Gleichzeitig habe ich vieles entdeckt, woraus eine neue Begeisterung entstanden ist, die Umweltbewegung zum Beispiel, dass es inzwischen doch viel mehr Bewusstsein gibt für alternative Lebensformen. Das Land insgesamt ist moderner geworden. Es gibt die Homo-Ehe jetzt landesweit, immer mehr Staaten erlauben Marihuanakonsum.

Frage: Was war denn die negativste und die positivste Erfahrung in den zurückliegenden Monaten?

Antwort: Das Unangenehmste war sicher Ferguson, die Unruhen nach den tödlichen Schüssen auf einen schwarzen Jugendlichen, das so hautnah mitzuerleben, eine Tränengaswolke zu schlucken. Es war schon beklemmend, sowas zu sehen, es hat Erinnerungen wachgerufen, an das, was ich so gelernt hatte in meinem Studium über die Riots in den 60er Jahren. Irgendwie scheint sich ja nicht so viel getan zu haben seitdem. Und beklemmend war es auch an der Grenze zu Mexiko, die Toten zu sehen, die sich da anhäufen. Wir standen beim Gerichtsmediziner in Laredo, und plötzlich kommt eine neue "Lieferung". Da kommt einer rein mit einem Sack, und die Leiche war schon etwas angewest, die hatte drei, vier Tage in der Sonne gelegen. Und dann der Geruch. Auf der Habenseite, auf der tollen Seite, sind dann so Abenteuer wie auf dem Flugzeugträger zu landen oder auch mal bei Conventions dabei zu sein, den Zirkus mitzuerleben, diese ganze Folklore bei den Nominierungsparteitagen, das ist ja auch immer eine Show.

Frage: Die USA sind für die Deutschen mit Abstand das wichtigste Fernreiseziel überhaupt - trotzdem sagen Sie, es sei ein fremdes Land, das die Deutschen nicht verstehen. Wie kommt das?

Antwort: Es ist ein in sich so unterschiedliches Land. Portland in Oregon könnte von Midland in Texas entfernter nicht sein. Es ist wie Mars und Venus, kulturell, gesellschaftlich und von der Bereitschaft, sich aufeinander einzulassen. Es ist auch ein Riesenland, ich bin schneller von Washington aus in Deutschland als in Hawaii. Natürlich sind wir vertrauter mit einer amerikanischen Stadt als mit einer in China. Aber was die Amerikaner antreibt, ist vielen ähnlich verborgen wie bei den Chinesen. Wir denken, wir wissen ja, wie die ticken, die Amis. Aber dann kommt es uns fremd vor, wenn sie etwas machen, was wir nicht wollen. Und dann ist es auch etwas anderes, ob man zwei Wochen in Florida am Strand hängt oder in den Canyons, als wenn man länger da lebt.

Frage: Kommt Ihnen an den USA auch noch etwas sehr fremd vor?

Antwort: Das ist der Aufstieg Donald Trumps. Es gibt sicher verschiedene Gründe, warum Trump so weit gekommen ist. Aber das ist nicht das Amerika, das ich bisher kannte. Das war offener und toleranter, nicht Mauern bauen, ganze Religionen in Sippenhaft nehmen. Das Schwierige an Donald Trump ist, dass man überhaupt nicht vorhersehen kann, wie er als Präsident wäre, es gibt da keine Blaupause. Und der gute Mann ändert seine Meinung innerhalb eines Satzes, wenn's ihm passt. Aber ich glaube, ein Präsident Trump könnte dieses Land auch nicht völlig an die Wand fahren. Zum einen ist er in vier Jahren vielleicht wieder weg, zum anderen gibt es dieses System von Checks and Balances, das hat man bei Obama ja gesehen, wie der gescheitert ist an vielem wegen der Opposition im Kongress. Aber Trump hat einen Ton salonfähig gemacht und eine Akzeptanz geschaffen für rassistische Auswüchse. Dass der Ku-Klux-Klan für Trump wirbt, sagt schon viel über ihn aus, und den Geist bekommt man dann nicht mehr zurück in die Flasche, und das kann eine Gesellschaft vergiften. Trump ist einfach clever. Der sagt, was die Leute hören wollen, der bedient Ängste, der schürt Ängste. Und die Leute gehen raus und denken "Stimmt, es ist echt furchtbar, der muss jetzt die Brechstange auspacken".

Frage: Sie bringen Obama ja durchaus einige Sympathie entgegen. Wie werden die Amerikaner ihn in Erinnerung behalten?

Antwort: Das ist eine gute Frage. Das hängt stark davon ab, wer ihm jetzt nachfolgt. Wenn Hillary Clinton Präsidentin wird, werden viele Weichenstellungen, die er gemacht hat, sich so verfestigen, dass es mit jedem Jahr, das ins Land zieht, schwieriger wird, davon wieder wegzukommen. Ich glaube, die Gesundheitsreform zum Beispiel ist eine historische Errungenschaft, wenn man mal sieht, wie viele Präsidenten sich das schon vorgenommen hatten. Das kann ihm keiner nehmen. Und wenn die Republikaner es rückgängig machen wollen, dann müssen sie schon mit etwas anderem kommen. Und was langfristig bleibt, ist die Grüne Revolution. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist der Energieverbrauch der Amerikaner angestiegen, nach den acht Jahren Obama ist das nicht mehr der Fall.

ZUR PERSON: Ingo Zamperoni kam 1974 in Wiesbaden zur Welt. Er studierte Amerikanistik, Geschichte und Jura. Mit einem Stipendium ging er zum Auslandsstudium nach Boston und arbeitete anschließend im ARD-Studio in Washington. Seit Januar 2014 ist er dort für die ARD Auslandskorrespondent und lebt mit seiner amerikanischen Frau und drei Kindern in der US-Hauptstadt. Ende Oktober wird er Moderator der "Tagesthemen".