Berlin. Die Stimmung in der Redaktion des Berliner „Tagesspiegel“ ist in diesen Tagen wohl alles andere als gut. Nach Abendblatt-Information sollen sämtliche freien Mitarbeiter der Redaktion am vergangenen Wochenende mit sofortiger Wirkung freigestellt worden sein. Sie dürfen nicht mehr – oder nur in begründeten, von der Chefredaktion genehmigten Ausnahmefällen – für die renommierte Tageszeitung schreiben. Betroffen sind angeblich ein paar Dutzend Autoren.
Alfons Frese, Vorsitzender des „Tagesspiegel“-Betriebsrats, bestätigte auf Abendblatt-Anfrage, dass bis Ende des Jahres „ein kleiner sechsstelliger Betrag“ in der Redaktion eingespart werden soll. „Ich halte es für keine intelligente Sparpolitik, sämtliche freien Mitarbeiter mit einem Schlag aus dem Blatt zu verbannen“, kritisiert Frese.
Aus verlagsnahen Kreisen hört man, dass ein Anzeigeneinbruch ein Grund für die radikale Sparmaßnahme sein soll; wichtige Kunden sollen zuletzt weggefallen sein. Betriebsrat-Chef Frese geht davon aus, dass es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme für die verbleibenden rund zehn Wochen dieses Jahres handelt, und die freien Schreiber ab 2016 wieder für die Zeitung arbeiten werden: „Auf Dauer kann man so keine anständige Zeitung machen“, so Frese.
Die Pressestelle des „Tagesspiegel“ äußert sich auf Anfrage zu den Vorgängen wie folgt: „Der ,Tagesspiegel‘ schichtet hausintern Ressourcen um und stärkt dabei seine Wachstumsfelder. Diese Umschichtungen beziehen sich auch auf die Ausgaben für freie Mitarbeiter. Zu den Wachstumsfeldern zählen die Themen Politik, Hauptstadt und Digitalisierung. Im Anzeigenmarkt stellen wir eine differenzierte Entwicklung fest. Während die traditionellen Anzeigenauftraggeber – etwa der Handel – auch beim ,Tagesspiegel‘ rückläufig sind, werden im Bereich der Anzeigen, die den ,Tagesspiegel‘ als Leitmedium belegen (Marken und Institutionen), Zuwächse verzeichnet.“
Die „Tagesspiegel“-Gruppe gehört wie die Verlagsgruppe Handelsblatt zur Dieter von Holtzbrinck Medien GmbH und weist im 3. Quartal 2015 (Mo-So) eine verkaufte Auflage von 112.550 Exemplaren aus (3. Quartal 2014: 118.189 Exemplare). Chefredakteure sind Stephan-Andreas Casdorff und Lorenz Maroldt.
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