Hamburg. Dass beim WDR Reformen anstehen, die mit Kürzungen einhergehen, ist schon länger bekannt. Was die Ausgestaltung der Reformen angeht, darüber hält sich die größte Rundfunkanstalt der ARD zumeist eher bedeckt. Was im Bereich Rundfunk ansteht, anstehen könnte und was zumindest Teile der Kölner Belegschaft darüber denken, erfuhr man in dieser Woche auf äußerst ungewöhnliche Weise. Nicht die Pressestelle, Intendant Tom Buhrow oder die auf seinen Vorschlag eingesetzte Hörfunkdirektorin Valerie Weber meldeten sich zu Wort.
Sondern eine oder mehrere anonyme Personen, die einen Twitter-Kanal eingerichtet hatten. Dieser verbreitete unter dem Namen „WDR Leaks“ von Dienstag bis Donnerstag Interna, Gerüchte und Stimmungsbilder öffentlich im Internet. Am Donnerstagnachmittag löschten die Verantwortlichen ihre Tweets wieder, übrig blieb der Hinweis auf die Beweggründe für den Geheimnisverrat: „Das war’s. Ziel von WDR Leaks ist erreicht: Nach rund einem Tag haben wir eine enorme Aufmerksamkeit erzeugt und Diskussionen initiiert.“ Der Kanal selbst würde am Sonnabend stillgelegt, auch wenn man „noch genügend
Leaks“ habe.
Der oder die Unbekannte(n) scheinen aus der Rundfunksparte des WDR oder dessen direktem Umfeld zu kommen: Gleich zu Beginn ging es um die Nachrichtensendungen der verschiedenen Wellen. Bisher haben die WDR-Sender unterschiedliche Nachrichtenformate, künftig sollen die Wellen anscheinend zentral versorgt und inhaltlich verändert werden: „Alle WDR-Hörfunknachrichten sollen bunter, schneller und kürzer werden.“ Eine Höchstlänge von dreieinhalb Minuten sei geplant, die Planungen für das Einheitsformat seien bereits so weit gediehen, dass Probesendungen bereits produziert würden.
Eine Schuldige für diese und weitere Umstellungen, die zum Teil ebenfalls konkret geplant seien, zum Teil auch nur angedacht, benannte „WDR Leaks“ ebenfalls: Nach ihrer Auffassung ist es die im Mai des vergangenen Jahres auf Vorschlag von Intendant Tom Buhrow zum WDR gekommene Hörfunkdirektorin Valerie Weber. Die Personalie erregte schon vor der Wahl den Unmut einiger Mitarbeiter, denn Weber ist nicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sozialisiert, ein Novum auf dieser Position. Zuletzt war die 49-Jährige langjährige Programmdirektorin und Geschäftsführerin des Privatsenders Antenne Bayern, davor arbeitete sie unter anderem bei der Rostocker Ostseewelle und dem Stuttgarter Sender Hit-Radio Antenne 1.
Die Kritikpunkte von „WDR Leaks“ sind vielfältig und teilweise nur bedingt überprüf- oder belegbar. Oftmals verlassen die Auslassungen über Weber den Bereich der sachlichen Diskussion deutlich. Es spricht viel Frust aus den an Weber gerichteten Vorwürfen: Man habe es lange „intern probiert“, aber Weber habe „alles abgeblockt“ gehörten noch zu den harmloseren.
Am Mittwoch veröffentlichte der WDR ein Statement der so Gescholtenen. Unter dem Titel „Illoyalität schadet dem ganzen Unternehmen“ schreibt Weber, sie sei „enttäuscht“ davon „dass solche kreativen Prozesse in dieser filigranen Phase des Entstehens – wenn noch gar nichts entschieden ist – nach außen getragen werden. Sie müsse nun „als Chef“ überlegen, „ob Sie sich – bei allem Teamspirit – künftig noch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beraten könne, wenn einzelne von ihnen WDR-Interna nach außen ,posten‘. Abschließend wirft sie „WDR Leaks“ vor, sich am „geistigen Eigentum“ von Kollegen vergriffen zu haben: Neben Texten waren bei Twitter auch Ausschnitte aus Präsentationen aufgetaucht, die zeigen sollten, wie weit die verschiedenen Planungen schon gediehen sind.
Allem Anschein nach handelte es sich bei „WDR Leaks“ tatsächlich um Mitarbeiter der Kölner Anstalt, die Zugriff auf authentische Dokumente hatten. Weber dementiert deren Echtheit nicht, auch inhaltlich findet keine klare Abgrenzung statt. Zwar verweist sie darauf, dass Entscheidungen noch ausstünden, die Existenz von Pilotsendungen scheint aber darauf hinzudeuten, dass bis zur Umsetzung des Projekts nur noch wenig fehlt.
Ekki Kern, der Autor des Blogs „Radiowatcher“, berichtete, ihm lägen ebenfalls interne Dokumente und E-Mails vor, die auf eine zentral produzierte Nachrichtensendung für alle großen Wellen des WDR hindeuteten, Weber habe einen schweren Stand, ihre Pläne gegenüber der Belegschaft zu verteidigen.
Über das Statement Webers hinaus hält sich der WDR bedeckt, was die nun anscheinend beendete Twitter-Kampagne angeht. Auf Abendblatt-Anfrage teilte eine Sprecherin mit, der WDR äußere sich „zu dieser Sache nicht“.
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