Die ARD zeigt heute den sehr bemerkenswerten Afghanistan-Film “Auslandseinsatz“. Hamburger Relevant Film hat ihn produziert.

"Ist doch fast wie zu Hause", sagt Ronnie Klein, als er sich auf sein neues, extrem schlichtes Feldbett wirft. Zusammen mit seinem Kumpel Daniel (Max Riemelt), den Klein (Hanno Koffler) schon seit Kindertagen kennt, und dem gebürtigen Afghanen Emal (Omar El-Saeidi) kommt er als junger Zeitsoldat in Afghanistan an, wo natürlich überhaupt nichts ist wie zu Hause. Und genau das soll sich im Lauf von "Auslandseinsatz" als Problem erweisen.

Hauptmann Glowalla (Devid Striesow) koordiniert vor Ort die Einsätze der Bundeswehrsoldaten und schärft ihnen noch einmal die Richtschnur ihres Handelns ein: Niemand darf eigenmächtige Entscheidungen treffen. Niemand soll sich in die internen Angelegenheiten von Afghanen einmischen. Glowalla ergänzt: "Begegnen Sie den Afghanen freundlich, hilfreich und aufgeschlossen!"

Das klingt theoretisch zwar ganz gut, aber dann kommt natürlich wieder das Leben dazwischen. Die Soldaten sollen helfen, am Hindukusch demokratische Strukturen aufzubauen. Sie geraten dabei immer wieder in Situationen, die unvermittelt brandgefährlich werden. Ob nachts ein Mann einfach nur zu dicht an ihrem Camp vorbeigeht oder ob sie den Bewohnern der kleinen Siedlung trauen können: Immer wieder stehen die Soldaten vor Problemen, geraten zwischen die Fronten oder mit ihrem Gewissen in Konflikt. Taliban, Warlords, deutsche, amerikanische Soldaten und die Bevölkerung kommen einander ständig in die Quere. Ihr Verhalten mit europäischen Wertmaßstäben zu messen hilft nicht weiter.

Daniel, charismatisch von Max Riemelt gespielt, ist besonders ehrgeizig. Er möchte gern noch Berufssoldat werden und muss sich dafür bei diesem Einsatz bewähren. Er agiert verstandesbetont und verantwortungsbewusst. Ronnie steht dagegen mit seinem losen Mundwerk und Zeigefinger sich und anderen oft im Wege. "Hast du gesehen, wie ich den weggepustet hab?", fragt er arglos seinen Freund, nachdem er einen Afghanen erschossen hat. Dabei bemerkt er gar nicht, dass er das Leben mit einem Computerspiel verwechselt und überhaupt oft auf Stammtischniveau argumentiert.

Zwischen Emal und Entwicklungshelferin Anna (Bernadette Heerwagen) knistert es. Als ob das alles nicht schon komplex genug wäre, bleibt wie in jedem Krieg die Wahrheit früh auf der Strecke. Ein US-Soldat tötet den jungen Sohn des Dorfältesten beim Ziegenhüten. Aber dieses Verbrechen wird unter den Teppich gekehrt, weil es politisch nicht opportun ist.

Es ist keine leichte Kost, die die ARD da zur besten Sendezeit ihren Zuschauern serviert. Till Endemann hat den Film nach einem Drehbuch von Holger Karsten Schmidt inszeniert. Gedreht wurde natürlich nicht in Afghanistan, sondern überwiegend in Marokko. Produziert hat die Hamburger Relevant Film für den WDR. "Wir wollten mit diesem Film zeigen, vor welchen Aufgaben die Soldaten vor Ort wirklich stehen. Das können wir uns doch hier kaum vorstellen", sagt Relevant-Film-Chefin Heike Wiehle-Timm. Deshalb habe man sich auch bewusst gegen eine Geschichte aus der Perspektive posttraumatisierter Soldaten entschieden. Stattdessen geht es um das Dilemma der Entscheidungen. Welche die Soldaten im Film auch fällen, eine richtige ist kaum möglich. "Trotzdem sind wir menschlich und moralisch angehalten zu handeln. Nicht hingucken geht ja auch nicht", sagt Wiehle-Timm.

Seit 2001 ist die Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz. Zu Beginn der Zeit sprach man in dem Zusammenhang noch nicht einmal von einem Krieg. Erst der spätere Verteidigungsminister zu Guttenberg änderte das. Fast sechs Jahre lang ist der Stoff für den Film entwickelt worden. Die Produzenten hatten auch bei der Bundeswehr um Unterstützung angefragt. Aber als man dort hörte, dass es im Drehbuch auch um das Thema Ungehorsam gehe, winkte man dankend ab.

"Auslandseinsatz" heute, 20.15 Uhr, ARD