Christlicher “Familiensender“ aus Hammerbrook bot in ersten zehn Jahren auch homophoben Inhalten und religiösen Eiferern eine Plattform.

Hamburg. Dass Bibel TV ein klein wenig anders ist als andere Sender, merkt man schon bei der Anfahrt. Der TV-Kanal residiert nicht, wie sonst in der glamourösen Fernsehbranche üblich, in einem schicken Turm aus Glas und Stahl, sondern in einem 70er-Jahre Zweckbau, der schon bessere Tage gesehen hat und an einer Straße mit dem schönen Namen Wandalenweg in einem etwas heruntergekommenen Teil von Hammerbrook liegt.

Über der Eingangstür steht: "Wo der Herr nicht das Haus baut, da arbeiten umsonst, die daran bauen." Ein Bibelzitat aus Psalm 27. Bibelverse finden sich auch auf den Fluren: Jeder Mitarbeiter des Senders hat an seiner Tür einen Zettel angebracht, auf dem sein Foto, sein Kurzlebenslauf und seine liebste Bibelstelle stehen. Die von Bibel-TV-Geschäftsführer Henning Röhl lautet beispielsweise: "Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind."

Dass an den Wänden Kruzifixe hängen und unten im Regieraum des Fernsehstudios eine Madonna, passt ins Bild. Schließlich versteht sich Bibel TV als "der christliche Familiensender". Am 1. Oktober wird er zehn Jahre alt. Bereits vergangenen Sonnabend ließ er sich in einem Dankgottesdienst in St. Jacobi gebührend feiern. Die Predigten hielten keine Geringeren als der katholische Hamburger Erzbischof Werner Thissen und der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider.

Dabei ist Bibel TV keineswegs eine Gründung der beiden großen deutschen Kirchen. Die Idee zu dem Sender hatte der pressescheue Bonner Verleger Norman Rentrop. Er hält nach wie vor 52 Prozent der Anteile von Bibel TV. Evangelischer und katholischer Kirche gehören zwar über Medientöchter zusammen 25,5 Prozent des Senders. Dennoch war die Skepsis zumindest anfänglich groß: "Bibel TV ist eine insbesondere in evangelikalen beziehungsweise in freikirchlichen Gruppierungen beheimatete Initiative", ließ die Deutsche Bischofskonferenz vor Sendestart wissen. "Die katholische Kirche ist weder Gesellschafter, noch war sie bei der Gründung von Bibel TV beteiligt."

Es dürfte die Furcht vor dem Einfluss dieser Evangelikalen bei Bibel TV gewesen sein, die zu einer gewissen Zurückhaltung der großen Kirchen gegenüber dem Sender führte. Viele dieser erzkonservativen evangelischen Christen lehnen die Evolutionstheorie ab. Homosexualität ist für sie eine schwere Sünde und Abtreibung Mord. In Erziehungsfragen haben sie mitunter recht eigenartige Vorstellungen: "Ein Kind mit der bloßen Hand zu schlagen ist verheerend", verkündete der US-Prediger Charles Stanley 2007 via Bibel TV. "Nehmen Sie eine Rute!"

Spricht man Senderchef Röhl heute auf diesen Vorfall an, macht er ein bekümmertes Gesicht. "Wir haben uns dafür entschuldigt, denn es war ein Fehler, dass diese Sendung überhaupt ausgestrahlt wurde", sagt er. Und er sagt auch: "Bibel TV ist kein evangelikaler Sender." Im Übrigen lehne er homophobes Gedankengut prinzipiell ab.

Es ist richtig, dass es bei Bibel TV auch ganz andere Programme gibt. Dazu gehört etwa Röhls eigene Interviewreihe mit der renommierten jüdischen Religionswissenschaftlerin Ruth Lapide. Er selbst ist in Medienkreisen ein angesehener Mann. Bevor er zu Bibel TV kam, war der gelernte Journalist Chefredakteur von ARD-aktuell und Fernsehdirektor des MDR.

Dennoch stellt Bibel TV drei Redakteure dafür ab, Meldungen der evangelikalen Nachrichtenagentur Idea aufzubereiten. In der selbst produzierten Reihe "Das Gespräch" dürfen mitunter Interviewpartner die Evolutionstheorie grundsätzlich infrage stellen. "Diese Position vertreten wir als Sender nicht", sagt Röhl. "Aber wir verstehen uns auch als Plattform. Bei uns kommen auch Vertreter der Evolutionstheorie zu Wort."

Allerdings bietet Bibel TV auch seltsamen Eiferern ein Forum. In der Sendung "Club 700" wird schon mal die Geschichte einer lesbischen Frau erzählt, die sich dank Gottes Hilfe von der Homosexualität befreit habe. "Club 700" ist eine Produktion des Christian Broadcasting Network, das dem US-TV-Prediger Pat Robertson gehört. Er glaubt, das schwere Erdbeben, das Haiti 2009 verwüstete, habe seinen Grund darin, dass die Haitianer einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hätten.

Auf solche Zulieferungen sei der Sender angewiesen, weil er aus Kostengründen nur zehn bis 15 Prozent seines Programms mit Eigenproduktionen bestreitet. Deren Anteil will Röhl sukzessive erhöhen. Es ist ihm gelungen, den Etat des Senders auf 8,6 Millionen Euro zu steigern, wobei gut 90 Prozent der Einnahmen aus Spenden kommen.

Röhl wird die Geschicke des Senders aber nur noch kurze Zeit bestimmen. Im Februar geht der 69-Jährige in den Ruhestand. Sein Nachfolger Matthias Brender ließ sich bei Bibel-TV-Gesellschafter Rentrop ausbilden und baute die Spendenabteilung des Senders mit auf. Zuletzt arbeitete er für seine Produktionsfirma Christliche Impulse. Mit 33 Jahren ist Brender nicht nur erheblich jünger als sein Vorgänger. Im Gegensatz zu Röhl ist er in Medienkreisen auch nahezu unbekannt.