Er ist im “Tatort“ zu sehen, im Film “Rommel“ - und bald wird Ulrich Tukur mit den Rhythmus Boys 40 Konzerte geben. Wie schafft er das alles?

Hamburg. Man müsste seine Frau fragen, ob Ulrich Tukur manchmal auch schlechte Laune hat, brummig ist oder wortkarg. Obwohl man das Wort Ehefrau bei einem wie ihm vielleicht gar nicht erst ins Gespräch bringen sollte. Er hat ja so viele Fans, zumeist weibliche. Die ihn toll finden, charmant, unterhaltsam, frech, begabt. Und Musiker ist er auch noch. Von wegen "Wer Klavier spielt hat Glück bei den Frau'n". Bei Tukur ist es zwar meist 'ne Quetschkommode, auf der er spielt - obwohl er auch Klavier kann -, dafür begleitet er sich mit so launigen Conférencen, dass ihm seine Zuschauerinnen stundenlang zuhören könnten. Die Zuschauer natürlich auch. Nein, wegen der Frauen habe er nicht Klavier gelernt, sagt Ulrich Tukur: "Ich musste. Meine Klavierlehrerin, Fräulein Werner aus Großkrotzenburg, ohrfeigte mich, wenn ich nicht geübt hatte." Die alte Weisheit, wonach jeder Nachteil auch einen Vorteil hat, bewahrheitet sich hier mal wieder.

Wahrscheinlich war schon der junge Tukur - der damals noch anders hieß, denn Tukur ist ein Künstlername - nicht leicht zu erschüttern. Auch jetzt, da er erkältet ist, lacht er herzlich, erzählt Dönekes, ist, wie eigentlich immer, Alleinunterhalter. Gerade hat er zwei Filme gedreht, "Rommel" und "Headhunter". Unter anderem in Paris und in Texas. Ein Buch hat er in diesem Jahr auch mal wieder gemacht, mit Liebesgedichten. Und eine neue CD mit seiner Band, den Rhythmus Boys, ist fertig, "Musik für schwache Stunden", neu arrangierte deutsche und englische Lieder der 30er- bis 50er-Jahre, in denen es beispielsweise heißt: "Wenn ich an dich denke, tut das Herz mir weh, weil ich leider für uns beide noch kein gutes Ende seh." Peter Kreuder oder Ralph Benatzky heißen die Komponisten, auch Charles Trenet ist dabei sowie drei italienische Lieder. "Schwache Stunden", so erklärt Tukur, "sind Momente, in denen uns die Felle davonschwimmen, wir aber Haltung bewahren." Ende November kommt Tukur mit seiner Band auch ins St.-Pauli-Theater. Im Dezember ist er dann zum zweiten Mal als "Tatort"-Kommissar zu sehen. Nach Hause, das sind bei ihm Venedig und ein Bauernhaus in der Toskana, kommt er erst in ein paar Monaten wieder. Hamburg immerhin, ist seine zweite Heimat.

Auf die Frage, ob er sich bei all diesen Terminen gehetzt fühlt, antwortet er recht vergnügt: "Vielleicht ein bisschen angestrengt. Der 'Rommel'-Text ist beispielsweise sehr schwer zu lernen. Das ist so ein Militärdeutsch." Normalerweise muss man ja beim Film nicht so gründlich Texte lernen wie beim Theater. Schließlich wird alles in kleinen Stücken gedreht, und den Text könnte man, wenn nötig, für die Kamera unsichtbar irgendwo platzieren. Aber so arbeitet Tukur, einer der wenigen internationalen deutschen Schauspieler seiner Generation, natürlich nicht.

Kürzertreten will er erst in drei Jahren, dann, wenn seine Töchter Lilli und Marlene mit dem Studium fertig sind. Kürzertreten, das heißt für ihn, auch wieder Theater zu spielen. "Momentan kann ich mich nicht lange an ein Haus binden. Ich muss Geld verdienen. Das Theater ist eine Art Liebhaberei. Mit Ende 50 lass ich mich gerne wieder darauf ein." Schließlich kommt er vom Theater.

Ulrich Tukur startete 1984 praktisch aus dem Nichts eine phänomenale Karriere. Damals hatte ihn Peter Zadek am Heidelberger Theater entdeckt, für seine Inszenierung von "Ghetto". Er suchte einen SS-Mann, der Saxofon spielen konnte. In dem Stück über das Schicksal der Juden im Ghetto von Vilnius spielte Tukur den SS-Offizier Kittel. Es war die erste in einer Reihe von Rollen, in denen Tukur den charismatischen, ja charmanten Bösewicht spielte, Andreas Baader im Film "Stammheim" etwa oder den Journalisten und ehemaligen SS-Mann Willem Sassen, der Adolf Eichmann befragt.

Am Schauspielhaus Hamburg war Ulrich Tukur von 1985 an engagiert, spielte hier Shakespeare und alle großen Rollen. Parallel dazu drehte er mehr als 50 Filme und räumte alle großen Preise ab. Gerade hat er den neuen Film mit Helmut Dietl abgedreht, der im Frühjahr ins Kino kommt, "Berlin, Mitte". "Darin durfte ich zum ersten Mal eine Knallcharge spielen", sagt Tukur. "So was darf ich sonst nie. Ich bin ein Schweizer Multimillionär mit Oberlippenbart, Hornbrille und Yamamoto-Klamotten." Und im Anschluss spricht er Schwyzerdütsch mit so viel Singsang und Rachenlauten, dass man ihm noch lieber zuhört.

"Headhunter" ist nun eine eher kleine Produktion, die er demnächst mit dem jungen Regisseur Bastian Günther macht. Im Frühjahr gibt es ein neues Fernsehprojekt. "Der Dokumentarfilmer Raymond Ley hat mir kürzlich ein Drehbuch geschickt. 'Zellers Reeperbahn' ist die Geschichte eines Hamburger Reedersohns, Walter Zeller, der ein wenig in die Unterwelt von St. Pauli gerät, Unterhaltungsmusiker wird und mit einem Chinesen eine Opiumhöhle betreibt. Im Zweiten Weltkrieg geht dann diese Welt unter, aber Zeller ist auch in den Nachkriegsjahren wieder als Unterhaltungsmusiker auf St. Pauli mit dabei. Er ist ein Stehaufmännchen der Sonderklasse, ein Familienmensch. Das ist ein schönes Kaleidoskop des Lebens auf der Reeperbahn. Es soll ein Dreiteiler für den NDR werden", erzählt Tukur.

Von Januar an wird Ulrich Tukur mit den Rhythmus Boys 40 Konzerte hintereinander geben. "Davor graut mir ein wenig. Mit den Jungs macht es Spaß. Aber ich hasse die Packerei", sagt er, lacht aber dazu. "Die Logistik ist richtige Arbeit." Und warum macht er es dann? "Weil ich nicht Nein sagen kann", antwortet er. "Und auf der Bühne ist es ja wie Urlaub."

Wie gut für uns.

"Musik für schwache Stunden" ist erschienen bei Trocadero/Indigo. Konzertpremiere am 28.11. im St.-Pauli-Theater (bis 2.12.), 5.12. Stade, Stadeum, 5. und 6.2. Hamburg, Schauspielhaus. Der "Tatort: Das Dorf" wird am 4.12. in der ARD ausgestrahlt.