Der Wahlkampf ist im vollen Gange - auch im Fernsehen geben sich die Politiker die Klinke in die Hand.

Hamburg. Sonntagabend droht der Overkill: Um 22.05 Uhr möchte Anne Will im Ersten von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger und FDP-Parteichef Guido Westerwelle wissen: "Wird der Wahlkampf noch mal spannend?"

Zehn Minuten später empfangen auf Sat.1 Sabine Christiansen und Stefan Aust Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen bei "Ihre Wahl". Und fünf Minuten darauf räsoniert Maybrit Illner im ZDF mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD Thomas Oppermann, Hans-Dietrich Genscher, dem Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin, der stellvertretenden Vorsitzenden der Linken Katja Kipping und dem pensionierten Journalisten Friedrich Nowottny darüber, ob "die Bundestagswahl schon gelaufen" ist. Mehr Polit-Talk war nie.

Man kann nachvollziehen, dass die Sender sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen wollen, am Abend von drei Landtagswahlen, das politische Spitzenpersonal einzuvernehmen, zumal nur vier Wochen später der Bundestag gewählt wird. Das ist ja auch der Grund, warum ZDF-Moderatorin Illner, die sonst donnerstags auf Sendung geht, diesmal schon am Sonntag talkt. Doch wäre etwas weniger nicht mehr?

Mitunter hat man den Eindruck, dass den Sendern die Gäste ausgehen: So war Gregor Gysi vergangene Woche sonntags bei Anne Will, dienstags bei Sandra Maischberger und Ulrich Deppendorf in "Klartext zur Wahl", mittwochs bei Frank Plasbergs "Hart aber fair" und donnerstags bei Maybrit Illner.

"Die Sender nehmen inzwischen jeden, der kommt", sagt ein Politikberater. Dafür spricht, dass Illner den Ruheständler Genscher reaktiviert und mit dem SPD-Mann Oppermann einen eher mäßig bekannten Politiker ihrem Publikum präsentiert. Die Zeiten, da die Sender den politischen Akteuren drohen konnten, dass sie bei Nichterscheinen in den darauf folgenden Monaten nicht mehr eingeladen werden, sind vorbei.

Nun sind es die Politiker, die sich die Polit-Talks aussuchen können. Als besonders heikel gilt etwa FDP-Chef Westerwelle. Weil er Spitzenkandidat seiner Partei ist, habe er bis vor ein paar Wochen nur mit Politikern vom Schlage Angela Merkels und Frank-Walter Steinmeiers in einer Runde auftreten wollen, heißt es in Senderkreisen. Deshalb ist man bei Anne Wills Redaktion froh, ihn in der Sendung zu haben, obwohl sonst kein Spitzenkandidat auftritt. Zudem gilt Westerwelle als Spezi von Sabine Christiansen, bei deren Sat.1-Talk er auch noch zu sehen sein dürfte. Anne Will soll wiederum sehr gut mit dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach können, der auffallend oft zu Gast bei ihr ist.

Ansonsten müssen die Polit-Talks die nehmen, die sich anbieten - oder aber die Zahl der Gäste herunterfahren. So wird bei Christiansen und Aust neben der Bundesfamilienministerin kein weiter Politiker zu Gast sein. Das ist vermutlich den schlechten Kritiken der ersten Sendung geschuldet. Viel zu hektisch sei die erste Ausgabe von "Ihre Wahl" gewesen, hieß es.

Natürlich lässt sich mit nur einem Gast wenig Tempo herausnehmen. Man könnte aber auf die Zuschauerbeiträge verzichten, die via E-Mail, Twitter und Webcam ins Studio kommen und Zeit vergeuden.

Andere Formate haben keine Angst vor Wiederholungen: So sollen Gabriel und Westerwelle, die in dieser Kombination schon am Sonntag bei Anne Will auftreten, kommenden Mittwoch wieder bei "Hart aber fair" zu sehen sein. Und Gysi? Mit ihm gibt es am Montag ein doppeltes Wiedersehen. Ab 6.40 Uhr parliert er im Polit-Talk des ARD-Morgenmagazins. Und um 22.30 Uhr ist er bei "2+Leif" im SWR Fernsehen zu Gast.

"Maybrit Illner spezial" diskutiert mit ihren Gästen am Sonntag ab 22.20 Uhr.

Sabine Christiansen und Stefan Aust laden am Sonntag um 22.15 Uhr zum zweiten Mal in die Sat.1-Arena "Ihre Wahl!" - einziger Gast ist Ursula von der Leyen.

Anne Will beginnt am Sonntag erst nach den "Tagesthemen extra" um 22.05 Uhr.