Hörende Neuntklässler besuchen gehörlose Jugendliche an der Elbschule und entdecken dort überraschend viele Gemeinsamkeiten.

Wie sieht der Schulalltag eines Gehörlosen aus? Meine Klasse will wissen, was Gehörlosigkeit im Schulalltag bedeutet und welche Schwerpunkte in der Schule gesetzt werden. Wir besuchen die Elbschule, das Bildungszentrum für Hören und Kommunikation in Hamburg-Wandsbek, um einen Einblick zu bekommen.

In der Abteilung für Gehörlose gibt es von der ersten bis zur zehnten Klasse etwa 80 Schülerinnen und 22 Lehrer, von denen sechs gehörlos sind. Für Schüler, die außer ihrer Gehörlosigkeit noch andere Förderschwerpunkte haben gibt es Erzieherinnen und eine Sozialpädagogin.

Als wir in der Elbschule ankommen, hören wir sehr laute Musik. Gehörlose können die Schallwellen auf der Haut und im Körper spüren. Sie erkennen, ob der Ton hoch, tief, laut oder leise ist. Die stellvertretende Schulleiterin der Schule empfängt uns und wir haben die Möglichkeit, ihr einige Fragen zu stellen.

Wird die Gehörlosigkeit nicht vererbt, so können Röteln, Drogen oder Alkohol während der Schwangerschaft die Ursache für die Gehörlosigkeit des Kindes sein. Nach der Geburt können Krankheiten, Medikamentenmissbrauch oder Unfälle zur Schwerhörig- oder Gehörlosigkeit führen. Zudem kann durch dauerhaft zu laute Musik oder Lärm das Hörvermögen schleichend zurückgehen. Glücklicherweise gibt es heutzutage technische Möglichkeiten den Gehörlosen zu helfen. Hörgeräte oder in die Gehörschnecke eingesetzte Elektroden - sogenannte Cochelar-Implantate - können schwerhörigen Menschen eine Hilfe sein.

Weil das Gehör bei den Betroffenen zur wenige gar nicht funktioniert, werden andere Sinne verstärkt. So können gehörlose Menschen ihr Umfeld viel schneller optisch erfassen.

Es gibt zwei verschiedene Gebärdensprachen in Deutschland. Zum einen die offizielle und weltweit anerkannte Muttersprache der Gehörlosen, die Deutsche Gebärdensprache (DGS). Zum anderen eine von Hörenden entwickelte Sprache, die Lautsprachlich Begleitende Gebärdensprache (LGB), in der es für jedes Wort eine Gebärde gibt. Es gibt natürlich nicht nur deutsche Gebärdensprache, sondern zum Beispiel auch englische und französische. In der Elbschule lernen die gehörlosen Schüler von der der dritten Klasse an American Sign Language (ASL), also amerikanisches Englisch in der Gebärdensprache. Mittlerweile wird auch British Sign Language (BSL) gelehrt, um eventuell bald Austausch-Programme mit England starten zu können.

Gehörlose werden oft irrtümlich als taubstumm bezeichnet. Eigentlich haben Gehörlose ein vollkommen funktionsfähiges Sprechorgan. Allerdings ist es für viele gehörlose Menschen schwierig zu sprechen, weil sie sich selbst nicht hören können.

Die Schüler der Elbschule lernen Lesen, Schreiben und Rechnen. Der Deutschunterricht ist meist bilingual. Das heißt, dass der Lehrer gebärdet und dazu die Lautsprache (LBG) spricht. Danach erklärt ein anderer Lehrer noch einmal in der deutschen Gebärdensprache (DGS).

Nachdem wir viele Informationen bekommen haben, dürfen wir in der Pause mit auf den Schulhof. Wie bei uns an der Schule wird dort gelacht, gekreischt und durch die Gegend gerannt. Die Älteren unterhalten sich oder streiten sich mit den Jüngeren beispielsweise darüber, wer auf den Fußballplatz darf. Wir fühlen uns am Anfang etwas fremd und unwohl, aber dieses Gefühl vergeht sehr schnell. Mit Hilfe eines gut sprechenden Schülers und einer aufsichtsführenden Lehrerin können wir uns mit den anderen Schülern unterhalten. Sie sind neugierig und fragen, wer wir denn seien. Die Lehrerin, die mit uns spricht, macht gleichzeitig Gebärden, damit die Schüler mitbekommen, was wir reden. Sie sollen nicht denken, dass wir geheime Dinge über sie reden.

Die Klassen der Elbschule bestehen aus mindestens vier und höchstens zwölf Schülerinnen und Schülern. Sie sitzen alle so, dass sie sich gegenseitig vom Mund ablesen können. Dafür braucht es Konzentration und sehr viele Wiederholungen. Uns fällt auf, dass in so kleinen Gruppen nur schwer neue Freundschaften entstehen können. Bei unseren großen Klassen ist das leichter.

Wie an jeder anderen Schule kann man an der Elbschule einen Haupt- oder Realschulabschluss machen. Die Schüler der Sonderklassen, die geistig oder körperlich behindert sind, bekommen ein Abgangszeugnis. Aber weder in Hamburg noch in vielen anderen Bundesländern Deutschlands gibt es für gehörlose Schüler die Möglichkeit das Abitur zu machen. Dazu müssen sie mit ihrem Realschulabschluss nach Essen in ein Internat ziehen. Das bedeutet natürlich, dass sie ihre Familien verlassen müssen. Dafür können neue Freundschaften entstehen.

Trotz Gehörlosigkeit kann man mit Hilfe eines Dolmetschers auch studieren und so gut wie jeden Job ausüben. Eine zehnte Klasse mit insgesamt fünf Schülerinnen und Schülern nimmt genau wie unsere Klasse an dem Projekt "Schüler machen Zeitung" teil. Mit Hilfe der Lehrerin können wir uns über das Projekt austauschen und finden auch dort viele Gemeinsamkeiten.